1979 entstand unter der im Spencer/Hill-Universum einzigen Regie von Italo Zingarelli ein Film, der mit “Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle”, einem der besten Spencer/Hill-Filme, beinahe schon ein zweieiiges Zwillingspaar darstellen könnte. Denn obwohl es atmosphärisch immense Unterschiede gibt (die Himmelhunde bleiben hier ein Unikat), tun sich doch erstaunliche Parallelen auf, die beide Werke miteinander verbinden.
Aber zunächst einmal zum Filmtitel.
“Das Krokodil und sein Nilpferd” - eine deutsche Übersetzung, die meinen bescheidenen Italienischkenntnissen zufolge relativ originalgetreu ist. Und irgendwie hätte es auch kein Titel besser treffen können.
Zunächst wird hiermit das Verhältnis zwischen Bud Spencer und Terence Hill zielgenau wie nie wiedergegeben. Wer hier welchem Tier zugeordnet wird, dürfte nicht sonderlich schwierig herauszufinden sein. Man beachte aber das Possessivpronomen “sein” vor dem “Nilpferd”. Der Titel gibt uns Aufschluss über die Buddy-Hierarchie, die eindeutig von Hill, dem Krokodil, dominiert wird. Und das, obwohl wir im Film sehen, wie Spencer, das Nilpferd, immer wieder die Führung zu übernehmen versucht. Hill nimmt das mit einem Achselzucken hin (“Is mir recht. Wer hat schon ein Nilpferd als Chef?”), denn er weiß genau, dass in Wirklichkeit er derjenige ist, der sagt, wo’s langgeht.
Damit ist dann auch die Grundbasis gelegt: Jepp, auch unter der Regie eines Neulings bekommen wir wieder die altbewährte Mischung serviert. Es ist ein Spencer/Hill-Flick.
So können wir uns dem Spezifischen des Filmes zuwenden. Und die Semantik des Filmtitels ist noch nicht ausgeschöpft, denn nicht umsonst wählte man Tierbezeichnungen als Rufnamen für unsere beiden Helden. Denn kameratechnisch haben wir es beinahe mit einer Naturdokumentation zu tun. Der Schauplatz ist Afrika, und dementsprechend wird die Umgebung mit ihrer Tier- und Pflanzenfauna zum eigenständigen Akteur, der schön wie selten in Szene gesetzt wurde. Faktisch wird das Flair des Settings sogar maximal vom angesprochenen Zwillingsbruder übertroffen.
Die klassische Spencer/Hill-Vorbestimmung, den Guten Gutes zu tun und den Bösen blaue Bohnen zu verabreichen, geht in Kombination mit der Wahl des Drehortes natürlich auf, und da schreibt sich das (einmal mehr sehr simple) Skript wie von selbst. Die Tatsache, dass ausschließlich die Weißen die Bösen sind und die Schwarzen die Aufrichtigen, mag auf den ersten Blick und gerade im Konsens anderer Filme der 70er Jahre (und eigentlich bis in die heutige Zeit hinein) extrem verblüffend sein. Natürlich, eine solche Rollenverteilung sieht man nicht oft. Und doch ist es einfach nur die simple Konsequenz der Mischung eines Spencer/Hill-Prügelfilms mit der Umgebung Afrika. Die beiden Italiener waren stets Vertreter von Minderheiten, ob es sich dabei nun um kleine Bauernfamilien handelte, um Naturschützer, um gewaltverachtende Amish-Gemeinden oder um wen auch immer. Wo sich diese Minderheiten nicht selbst helfen konnten, waren Bud Spencer und Terence Hill mit ihren Fäusten zur Stelle und regelten die Angelegenheit auf ihre Weise.
Dennoch ist “Das Krokodil und sein Nilpferd” in der Hinsicht einzigartig, denn die Afrikaner werden hier nicht nur als nettes Völkchen dargestellt, darüber hinaus ist es auch noch ein Völkchen, das sich selbst zu helfen weiß. Wenn die Schläger des Oberbösewichtes Mr. Ormond vorbeikommen, um mal wieder gegen die Ortszeitung anzugehen (Auflage: ca. 3 oder 4 Stück), dann hampelt der Zeitungsverleger nicht hilflos jammernd umher, sondern er weiß, wie man mit Ormonds Leuten umgeht. Der Gemeinde werden vom Drehbuch wunderbare Tugenden wie Frohsinn (die Gesangseinlage im Bus mit Bud Spencer) und knallhartes Durchhaltevermögen (das unbeirrte Weiterdrucken der Zeitung, die Ormonds Leute immer wieder vernichten, und das, obwohl sowieso niemand lesen kann) in die Wiege gelegt. Es ist sicher auch ein Unterschied, ob man die Afrikaner einfach nur nicht als böse darstellt, oder ob man ihnen dazu sogar noch Aktivität, Eigeninitiative und Persönlichkeit zuschreibt. Und genau das wird hier erfreulicherweise getan. Mancher wird jetzt mit aufgesetzter Political Correctness anfangen, aber das hat gar nichts damit zu tun.
Natürlich ist dennoch Hilfe von außen erwünscht, sonst gäbe es für das Krokodil und sein Nilpferd ja gar nix zu tun. Das schlagkräftige Pärchen wird so eingeführt, dass man eine Vorgeschichte zu erkennen glaubt, wobei der Film damit beginnt, dass das Krokodil nach einigen Jahren des Vagabundendaseins wieder in den Ort zurückkehrt und sich alle, egal ob Hokus-Pokus-Voodoo-Mama oder medizinisch orientierter Arzt, gleichermaßen über seine Rückkehr freuen - mit Ausnahme seines Halbbruders, dem Nilpferd. Das muss sich also erst wie gewohnt mal wieder zusammenraufen, was aber recht einfach geht, weil beide im Tierschutz und der Liebe zu dem afrikanischen Völkchen eine gemeinsame Basis finden. Als das Krokodil dann von den miesen Machenschaften des Mr. Ormond hört, bietet er seine Hilfe an. Und die wird gerne angenommen - obwohl man sich im Notfall auch selbst zu helfen wüsste.
Hier sind wir bei der Bösewicht-Fraktion, die diesmal so bunt wie nie ausfällt und mit einigen der ausgefallensten Charaktere aufwarten kann. Dabei ist die sonst so markante Prügelvorlage Riccardo Pizzuti (spielt u.a. einen der Cowboys in der Anfangssequenz von “Vier Fäuste für ein Halleluja” sowie den Vorarbeiter in “Zwei außer Rand und Band”) diesmal gar nicht mit von der Partie. Stattdessen gibt es einen fiesen, kleinen, vorlauten Wichtelzwerg mit Anführer-Ambitionen, einen dummen, gehorsamen Gorilla mit eiförmiger Glatze (sieht ein wenig wie die Bulldozer-Version von Ronaldo aus), einen ebenso dummen, dafür umso mehr von sich selbst überzeugten Gorilla mit Löckchen, einen stellvertretenden Chef aus dem Militärbereich sowie den eigentlichen Boss (Joe Bugner), einen arroganten Box-Champion.
Massenprügeleien gibt es eigentlich gar keine. Bei all den Charakterköpfen war es eine gute Wahl, die Bosse und Unterbosse alle einzeln gegen Hill, vor allem aber gegen Spencer antreten zu lassen. Und meist hat das Nilpferd mit seinem Schnuller auch gar keine Probleme, die Würstchen aus dem Weg zu räumen. Der Glatzen-Gorilla wird mit einer Kopfnuss aus dem Weg geräumt, der Wicht wird einfach weggeschoben, der Löckchen-Gorilla wird von Hill im Armdrücken verarscht, das Militärbübchen wird ebenfalls von Hill in “Kevin allein zu Haus”-Manier mit Hilfe einer zerfallenen Holzhütte an der Nase herumgeführt.
Ein paar unwesentliche Problemchen gibt’s gegen den Oberboss, den am Ende dann wieder Spencer serviert bekommt. Schließlich wird er über den gesamten Filmverlauf auch als Kampfkoloss aufgebaut, der seine eigenen Männer reihenweise aus dem Weg fegt. Spencer hat da erstmals in seiner Karriere richtig zu kämpfen. Dass Hill Bugner schließlich nur noch ins Wasser zu tippen muss, passt mal wieder perfekt ins Charakterschema. Spencer gibt die Assists, Hill haut sie alle rein. Und erntet das Lob.
Ein absoluter Glanzmoment ist die in den anderen Reviews schon mehrmals erwähnte Fressorgie, die zusammen mit der im Restaurant in “Vier Fäuste für ein Halleluja” zu den besten gehört. Diesmal nicht wegen irgendwelcher kultureller Normierungen, sondern vielmehr wegen der Kreativität. Es werden ganze Paletten Futter vom Feinsten aufgefahren, die gerade von Hill so geschmacklos gemischt werden, dass es eine wahre Freude ist. Sein Hummer-Wegknusperer und der exotische Drink sind die Höhepunkte, auf der anderen Seite darf Spencer sich wie ein Baby drei Lätzchen umbinden und mal wieder die Hand auf die Platte schlagen, als die Ober die Essensplatte wegräumen wollen.
Zum Ende hin gehen Struktur und Atmosphäre ein wenig verloren, als man sich aus dem Dorfsbereich entfernt. Die Szene im Casino hat dabei noch ein paar nette Kartentricks von Hill zu bieten. Besonders von Interesse ist der Umstand, dass hier letztlich doch wieder das Aufeinandertreffen kultureller Welten zelebriert wird, als Hill auf die streng festgelegten Casino-Regeln pfeift und mal eben ein Spielchen einführt, das er auf der Straße kennengelernt hat.
Dennoch ist gerade atmosphärisch schon hier kaum mehr ein Bezug zum vorhergehenden Filmverlauf vorhanden. Noch schlimmer wird es dann bei der Gerichtsverhandlung, die zwar einen geglückten Fluchtversuch Hills und einen lustigerweise mißlungenen von Spencer bietet, sich sonst aber noch mehr vom Flair des Rest-Films entfernt. Etwas besser wird es wieder beim Finale auf dem Schiff, obgleich so mancher Fan die Massenschlägerei vermissen wird, die zugunsten des angesprochenen Duells zwischen Spencer und Bugner aufgehoben wurde, was aber ja - wie schon gesagt - nachvollziehbar ist.
“Das Krokodil und sein Nilpferd” legt uns sehr authentisch eine ganz andere Welt nahe, die in unserer Gesellschaft in der Form meist nur theoretisch bekannt ist. Herausragend ist die Darstellung der Afrikaner, die sehr menschlich ausfällt und nur wenig mit den Bösewichter- oder passiven Opferrollen-Schablonen zu tun hat, die man sonst so kennt; ein Aspekt, der etwa bei “Zwei Asse trumpfen auf” (der mit den Inselbewohnern) völlig versaut wurde. Weiterführend werden mit die schönsten Naturaufnahmen überhaupt gezeigt. Zumindest das Nilpferd kommt nicht nur namentlich vor und wird durch Giraffen, Zebras, Antilopen, Löwen und Nashörner vervollständigt. Die böse Spencer/Hill-Opposition trumpft diesmal mit farbenreicher Charaktervielfalt voll auf, so dass in den Zweikämpfen Freude aufkommt; nicht zuletzt auch durch Danneberg & Co., die mal wieder jedem Fan das Herz aufgehen lassen. Die letzten zwanzig Minuten vor dem Finale auf dem Boot herrscht leider ein wenig Leerlauf, was aber niemanden davon abschrecken lassen sollte, sich diesen schönen Film anzusehen.