Jetzt hat dieser Film schon satte zwanzig Jahre auf dem Buckel und ich habe ihn erst jetzt zum ersten Mal gesehen. Irgendwie hat mich immer die Vorstellung abgeschreckt, Rutger Hauer hockt irgendwo am Straßenrand und ballert auf vorbeifahrende Autos, aber ist ja gar nicht so.
Vielmehr spielt er hier den Psychopathen, der sich selbst John Ryder nennt und in einer verregneten Nacht auf dem Highway, als Tramper getarnt, zum jungen Jim (C. Thomas Howell) ins Auto steigt.
Offenbar hat der Fiesemöp schon ein paar Leute umgebracht und droht auch Jim mit einem Messer. Zwar kann er den Killer in einem günstigen Moment aus dem Auto schubsen, doch dann geht das Katz und Maus Spiel erst richtig los, zumal die örtliche Polizei Jim für den gesuchten Killer hält.
Eine ähnliche Situation, die auch spätere Filme wie „Jeepers Creepers“ bieten: Nahezu menschenleere Straßen, ein Auto mit Killer, ein Auto mit Opfer, mittendrin die Polizei.
Doch die einfach gestrickte Geschichte weiß von Beginn an zu fesseln, was sicherlich an der alltäglich erscheinenden Ausgangslage liegt, da viele von uns entweder schon mal getrampt sind oder einen Tramper mitgenommen haben. Aber wer rechnet denn mit so was?
Dabei erfährt man im Verlauf noch nicht einmal etwas über die Motivation des Psychopathen und das macht die Situation für Jim und den Zuschauer noch wesentlich bedrohlicher.
Zumindest opfert der „Anhalter“ viel Zeit, sein fieses Spiel mit Jim zu treiben, ihm Fallen zu stellen, so dass die Polizei glaubt, er sei der Killer, ihn wieder freilässt, dann abermals bedroht, bis er sich schließlich danach sehnt, von Jim zur Strecke gebracht zu werden. Vielleicht war ihm der Junge einfach sympathisch, bei der ersten Begegnung aber zu zurückhaltend. Das hat dann seinen Ehrgeiz geweckt, Jim zu Rache und Mordgedanken zu verleiten.
Über fehlende Tiefe im Zusammenspiel der Figuren kann man sich zumindest nicht beklagen, denn direkte Konfrontationen zwischen Jim und John bilden stets kleine Höhepunkte des Highwaythrillers.
Der Schauplatz ist aber auch ideal für so eine Geschichte. Eigentlich assoziiert man mit der Fahrt auf dem Highway totale Ruhe, Einsamkeit, weg von Stress und Lärm, fast eine surreal wirkende Landschaft innerhalb der kargen Wüste, die nachts fast noch mehr Atmosphäre ausstrahlt.
Dieses Bild kehrt sich aber genau ins Gegenteil, denn mit dem Killer im Nacken sehnt man sich die Zivilisation herbei, Fluchtpunkte, Freunde, eine Gegend, die man kennt.
Schlimmer noch: John scheint die Highwaygegend bestens zu kennen und ist Jim somit stets einen Schritt voraus, der eigentlich nur einen Wagen nach San Diego überführen sollte.
Und der Killer ist erbarmungslos, schaltet ganze Familien aus (wie, bleibt der Phantasie des Zuschauers überlassen) und die Besatzung eines kompletten Polizeireviers (auch wenn das schon ein wenig unglaubwürdig erscheint).
Die Szenen sind, bis auf zwei blutige Einschüsse, aber nie vordergründig brutal in Szene gesetzt, sondern unterstreichen lediglich die Kaltblütigkeit des Killers, die beim finalen „Endspiel“ seinen fiesen Höhepunkt erreicht.
Dazu finden sich ein paar knackige Actionszenen in Form von Verfolgungsjagden zwischen Polizei und Jim, auch mal John. Da wirbeln vornehmlich Polizeiautos durch die Luft, wird eine Tanke in Brand gesetzt und ein Hubschrauber zum Absturz gebracht. Die Kamera arbeitet (nicht nur hier) grundsolide und der Score von Mark Isham unterstützt das ohnehin hohe Tempo bestens, dazwischen platziert er ruhige, schwebende Synthieflächen, die auch der Tastatur von Tangerine Dream entsprungen sein könnten (zu ihrer besten Schaffenszeit) und ein paar angenehme Verschnaufpausen bilden.
Die beiden Hauptdarsteller tragen ihren guten Teil zur dauerhaft anhaltenden Spannung bei.
C. Thomas Howell, der seit seinem Debüt in „E.T.“ keine nennenswerten Rollen mehr bekleiden durfte, gibt den verängstigten und manchmal auch kotzenden Jim überzeugend. Im Verlauf scheint es, als würde ihm die Rolle immer mehr Spaß bereiten.
Gegen Rutger Hauer sieht er aber dennoch ziemlich blass aus, denn bei dem gebürtigen Holländer reichen ein paar zurückhaltende Mimiken aus, um ordentlich Charisma auszustrahlen. Der unberechenbare Bösewicht scheint ihm in dieser Form auf den Leib geschrieben.
Dagegen wirkt Jennifer Jason Leigh wie eine weibliche Notbesetzung, Hauptsache Frau spielt eine Rolle. Dabei sind die Beweggründe Jim zu helfen, so unglaubwürdig, wie ihre Darstellung. Aber manche Frauen sehen mit zunehmendem Alter nicht nur besser aus, sondern gewinnen auch darstellerische Brillanz, was auf Leigh definitiv zutrifft.
Tja, der Anhalter.
Zwar gefiel mir die erste Filmhälfte wesentlich besser, weil subtiler und bedrohlicher, dafür bietet die zweite ein paar gelungene Actionszenen auf hohem Niveau.
Die Geschichte wirkt gegen Ende zwar arg konstruiert und wird in seiner Glaubwürdigkeit sehr strapaziert, doch Regisseur Harmon versteht es, auch diesen Bereich mit ansprechenden Bildern und hohen Tempo auszustatten.
Eine gelungene Mischung aus Roadmovie, Horrorthriller und Psychodrama.
Die einfache Grundlage wird schnörkellos auf den Punkt gebracht und unterhält den Zuschauer über 93 Minuten recht ordentlich.
Also, wenn Rutger Hauer am Straßenrand steht, auch wenn es noch so regnet: Lasst ihn stehen!
8 von 10