Es ist schon interessant, wie sehr man sich doch von der eigentlichen Materie, der Intention des Themas entfremden kann. War es nicht gerade Batman, der die Melancholie unter den Comichelden in Persona darstellte? Gerade er war es doch, der durch den Tod seiner Eltern einem Trauma widerfuhr und somit zu jenem düsteren Superhelden mutierte um die Stadt Gotham City vor dem Bösen zu schützen. Doch betrachtet man einmal die kunterbunten Filmchen von Joel Schumacher, so sind nicht einmal Ansätze vorhanden, die diese Melancholie der Person Bruce Wayne präsentierte.
Es war die Zeit gekommen, um noch einmal die Kurve zu kriegen. Es war die Zeit gekommen, dem grellen, schier unerträglichen „Batman & Robin“- Gattungen ein Ende zu bereiten; denn mit dem düsteren Batman, wie wir ihn kennen, hatte das nichts mehr zu tun.
Christopher Nolan erwies sich als einwandfreie Wahl, um den Batman-Mythos zu reinkarnieren: Der Mann, der auf meisterhafte Weise im Stande ist Geschichten zu sezieren („Insomnia – Schlaflos“), und für den selbst eine verfälschte Chronologie kein Hindernis darstellt („Memento“), sollte es dann doch auch Leichtes sein dem verwöhnten Gout des Publikums zu genügen.
Wie der Titel schon andeutet beginnt mit dem neuen Batman auch eine neue Ära. „Batman Begins“; es beginnt… Wie wurden seine Eltern getötet? Wie wurde Batman zu der unbesiegbaren Fledermaus? Nolan eröffnet nicht nur ein neues Kapitel; nein, er schreibt die Geschichte gänzlich vom Neuen; und das ist auch gut so. Wir werden Zeugen, wie der ziellose Bruce Wayne endlich seine Bestimmung entdeckt; wie er von seinem Lehrmeister Henri Ducard (Liam Neeson) zu der unbesiegbaren Kampfmaschine wurde, die jedoch tief unter dem Vorhang immer noch der kleine ängstliche Junge ist, der seine Eltern auf brutale Art und Weise verlor…
Christopher Nolan bewerkstelligt das, was vielen Comicverfilmungen nicht gelungen ist: Er schafft es, die perfekte Symbiose aus Ernsthaftigkeit und comichafter Überheblichkeit auf die Leinwand zu zaubern. Man ist geneigt, das ganze als realistisch abzustempeln. Natürlich immer noch in überspitzter Art und Weise; aber korrupte Polizisten und Politiker und die Hilflosigkeit und Armut der Bevölkerung sind so auch auf die Realität übertragbar. Gotham City ist eine Stadt, wie sie auch in der echten Welt existieren könnte. Da ist es kein Wunder, dass Nolan per Computer die beiden Städte New York und Chicago zusammenfügte und dadurch die Riesenmetropole bildete, wie wir sie im Film sehen.
Im Gegensatz zu einem „Spider-Man“ ist „Batman Begins“ wesentlich düsterer geworden; passend natürlich zu der düsteren Atmosphäre, die in jeder Szene spürbar ist; der düsteren Vergangenheit des Bruce Wayne; und den düsteren Aussichten denen sich die von Bösewichten bevölkerte Stadt stellen muss. Batman scheint die einzige Kraft zu sein, die im Stande wäre dem ein Ende zu setzen… Batman als einziger Erlöser von dem Bösen. Dieser comichafte Gedanke wird hervorragend auf fast realistische Weise dargestellt. Ein Peter Parker muss da mit seinen seichten Liebeleien doch deutlich zurück stecken.
Im Gegensatz zu den Filmen von Burton und Schumacher fixiert sich Nolan also auf einen realistischen Anstrich des Ganzen. Leider ist die Story dann auch nicht ganz so verzwickt und genial, wie man es sich bei dem Regisseur hätte erhoffen können; für Comicfans aber doch mehr als zufrieden stellend, denn einige Szenen sind teils direkt den Vorlagen entnommen und lassen unter Fans sicher den ein oder anderen „Aha!“-Effekt hervorrufen.
Interessant auch, welches Starensemble Nolan präsentiert: Mit Christian Bale, Michael Caine, Katie Holmes, Gary Oldman, Liam Neeson, Ken Watanabe und Morgan Freeman (um nur einige zu nennen) ist das eine wahrlich erstaunliche Statistik an Charaktermimen für eine Comicverfilmung. Und so ziemlich jeder erfüllt die Anforderungen an seine Rolle adäquat. Dies ist auch dem bemerkenswert gelungenen Drehbuch vom gescholtenen David S. Goyer zu verdanken, der den Schauspielern einige merklich tiefgründige Dialoge auf deren Leiber schrieb, die auch – ganz wichtig – nie unpassend oder kitschig wirken, sondern immer konvenabel zur jeweiligen Situation sind.
Ein kleinerer Schwachpunkt lässt sich letzten Endes aber doch noch ausmachen: Mit den beiden Komponisten James Newton Howard („The Village“) und dem deutschen Hans Zimmer („Gladiator“) hätte man sicherlich einen opulenten Score erwarten können. Leider fällt dieser zwar ziemlich atmosphärisch, aber auch ziemlich eintönig und wenig spielfreudig aus. Für Soundtrack-Liebhaber weniger empfehlenswert…
Was bleibt, ist die wohl beste Comicvefilmung, die wir bisher zu sehen bekommen haben. Christopher Nolan macht eigentlich nichts verkehrt und bietet eine fantasievolle, originelle Reinkarnation des Batman-Mythos, die neben spektakulären Actionszenen auch nie den Charakter des Bruce Wayne verliert und Belegstellen wie Langeweile oder Kitsch ganz vergessen lässt.
Man darf gespannt sein, ob der im nächsten Jahr folgende „Dark Knight“, bei dem der Bösewicht „Joker“ (dargestellt von Heath Ledger) mitmischt, den Bogen weiter spannen kann. Der Stab und die Besetzung bleibt die gleiche – insofern steht einem kongenialen Sequel im Grunde nichts im Wege…
8,5/10