Man muß schon Eier haben, um eine Franchise wieder anzuschieben, die vor gerade mal knapp acht Jahren mit „Batman und Robin“ so derbe trashig in den Sand gesetzt wurde.
Der „dunkle Ritter“ war danach auf der Leinwand so tot, wie es nur irgendwie möglich war.
Und dann verpflichtete man Christopher Nolan für den Neustart...
...ausgerechnet der Christopher Nolan, dessen Protagonisten mit Vorliebe durch ihre psychischen Krisen charakterisiert werden, die auf der Sinnsuche in den Wahnsinn taumeln, während um sie herum die Realität zu mutieren scheint.
Und das alles jetzt mit Batman...
Dementsprechend ist das Ergebnis auf der psychologischen Ebene: in dieser Neuerfindung der Saga (keinem Remake bzw. keine Fortsetzung) kämpft Bruce Wayne mit Schuld und Sühne, mit Wut und Rache, mit der Suche nach dem Sinn und der Erfüllung des Lebens. In einer extrem langen Exposition erfindet Nolan den düsteren Helden neu, indem er ihn beim späteren Superschurken R’as al Ghul in die Lehre gehen läßt, passend dazu irgendwo in Hinterasien, wo die Vertreter der westlichen Zivilisation schon immer gern ihr Lämpchen angezündet haben, wenn es rohe Kraft allein nicht mehr brachte.
Goyers Skript vergräbt sich dann auch ziemlich in der Innensicht des Helden, während Nolan tatkräftig bemüht ist, das alles visuell wieder auszugleichen, ohne sich gänzlich untreu zu werden. Also düstere Ecken, ausgebleichte Farben, harte Kanten, nicht zuletzt in den Gesichtern.
Trotzdem wirkt die Therapiestunde, die unser Held hier im Laufe des Films durchmacht, ein wenig bemüht und übertrieben, der innere Konflikt wirkt durch die vielen Lektionen aufgebauscht und Bruce Wayne wie ein Mann, der nicht loslassen kann. Das ist die Parade der „Erklärbären“ und jeder hat was zu sagen: erst Liam Neeson, dann Watanabe, dann Alfred und das Weibchen hängt seinen Kopf auch noch rein, wenn Wayne nicht selbst die Ideen sprießen.
So stellt Nolan den klassischen Werdungsprozeß des Superhelden seiner Selbsttherapie gegenüber, was immer solange funktioniert, wie die Bilder der transportierten Theorie stand halten.
Und da hat Nolan durchaus Qualität produziert, auch wenn die Ausbildung des Helden manchmal wie ein Querschnitt aus „Star Wars“ und „Highlander“ wirkt. Zum Glück läßt Nolan mit sorgsam gesetzten Actionsequenzen immer wieder den Hund von der Kette und erleichtert die Rezeption letztendlich durch den Aufmarsch einer Parade von Co-Stars, die alle mit sichtlichem Vergnügen ihren Part absolvieren.
Einige, wie Ken Watanabe kommen dabei leider zu kurz, andere wie Katie Holmes erweisen sich als schlicht untauglich (Eine Staatsanwältin? Nie im Leben...). Aber manchmal genügt schon ein charismatisches Gesicht und eine Menge Routine, um das Nötige zu liefern (Hauer, Freeman, Wilkinson) oder es paßt schlicht und ergreifend perfekt, wie im Fall von Gary Oldman, der seinen Kindern mit dieser Rolle einen besseren Dienst erwiesen hat als bei Harry Potter.
Keine Debatten gibt es bei Michael Caine, der zwar die stille Dienstbeflissenheit des Ur-Alfred vermissen läßt, aber in punkto Charisma hier alle in die Tasche steckt.
Über allem thront aber relativ souverän Christian Bale, dessen verschlossener Charakterkopf nie auch nur für eine wirkliche Albernheit herhalten muß und der mit weniger Vergangenheitsbewältigung noch etwas besser bedient wäre. Er schafft es trotzdem, daß der Millionär fast noch interessanter als seine Heldenidentität wirkt.
Eine Offenbarung dagegen ist, daß man den Aufstieg zum Helden endlich mal mitverfolgen kann und sich Bale sein Superheldenmaterial erst mühevoll erarbeiten muß. Daß man einige Gimmicks wohl für Fortsetzungen aufbewahrt hat, ist da zu verschmerzen.
Weniger schön anzusehen dagegen wieder rating-bewußte Gewaltlosigkeit, visualisiert durch hektisch geschnittene Fightszenen, die gänzlich ohne Tote auskommen müssen, wenn sie nicht sowieso halb im Off oder im Dunkel stattfinden. Offenbar nicht als substanziell erachtet, hätte ein bißchen offensiverer Umgang hier mehr gebracht.
Und als es schon keiner mehr erwartet, rumst und kracht es dann doch noch nach Herzenslaune und es wird sogar zusätzlicher Humor zugeschaltet, um die Materialschlacht aufzulockern. Die wirkt aber nicht platt, wenn auch die Abgrenzung zu den ersten zwei Dritteln sehr breit wirkt, als würde man sich ganz plötzlich wieder auf die Comicwurzeln besinnen.
Nolan ist also die Umsetzung auf die Leinwand mehr als gelungen, wenn man auch weniger von einem Comic, als mehr von einer graphic novel reden kann. Er widerstand der Verlockung ein düsteres Märchenland a la Tim Burton zu konstruieren, sondern erschuf ein eigenständiges Gotham, dreckig und dunkel und bisweilen an Ober- und Unterstadt aus „Metropolis“ erinnernd. Düsternis, gepaart mit Spielfreude und einer Menge (wenn auch stark theoretischer) Substanz machen hier die Qualität aus und trotz des randvollen Drehbuchs ist der Storyfaden so stark wie selten bei einer Comic-Umsetzung.
Während Burtons Orginal von 1989 bei heutiger Betrachtung geradezu entrückt und bizarr wirkt, ist „Batman Begins“ extrem gegenwartsnah und besitzt körperliche Härte.
In einer Zeit, in der die meisten Drehbücher schon unter Über-Transparenz leiden, eine gesegnete Eigenschaft. (8,5/10)