Er war seinerzeit einer der ersten Comichelden, der die Leinwände unsicher machen durfte, sozusagen ein Veteran und Vorreiter der heutigen Welle diverser Heldenfiguren, die nun fast schon monatlich auf das langsam übersättigte Publikum angesetzt werden. Der unverwechselbare Tim Burton („Sleepy Hollow“, „Planet of the Apes“) verhalf ihm damals zu einem skurrilen Einstand, setzte ihn in diesem Stil fort und wurde schließlich von Joel Schumacher („Tigerland“, „Phone Booth“) beerbt, der die Franchise mit zwei bunten Knallbonbons in eine Sackgasse führte. Schwierig an so eine verfahrene Kiste anzuknüpfen und deswegen geht es back to the roots, koppelt „Batman Begins“ von den bisherigen Adaptionen aus und beginnt von neuem. Nicht perfekt, wohl aber ein Ansatz auf dem sich aufbauen lässt.
Der Hickhack um den fünften Batman-Film war groß. Etliche Konzepte wurden wieder verworfen. Neben einem gealterten Batman war auch eine Kooperation von Darren Aronofsky („Requiem for a Dream“) und Frank Miller („Sin City“) im Gespräch. Nach langem Hin und Her erhielt dann letztlich David S. Goyer, der sich, wie „Dark City“ oder „Blade“ beweisen, mit düsterer Comickost auskennt, den Zuschlag ein Drehbuch zu kreieren, das die Legende von Anfang an erzählt und vom aufstrebenden und talentierten Filmemacher Christopher Nolan („Memento“, „Insomnia“) nun auch umgesetzt wurde.
In der Tat kann das Unterfangen weitestgehend als gelungen betrachtet werden. Nolan besitzt seinen eigenen Stil, der sich wohltuend von Burton und Schumacher abhebt und kreiert nun ein Abenteuer, das sich der modernen Kinolandschaft anpasst – mit positiven und negativen Auswirkungen.
Denn kurioserweise sind die Stärken von „Batman Begins“ die Szenen, wo der Flattermann noch gar nicht existiert. Einen Comiccharakter erst einmal zu gebären, stellt sich filmisch als ungemein schwer da, weil man etablierte Figuren einfach in ihre Abenteuer loslassen kann. Vorstellungen und Einführungen benötigen jedoch Zeit und vor allem Fingerspitzengefühl, um den Zuschauer mit den nötigen Background zu versorgen, ohne ihn zu langweilen. „The Punisher“ hat letztes Jahr gezeigt, wie es nicht funktioniert. „Batman Begins“ löst es hingegen elegant wie geschickt.
Bruce Wayne (Christian Bale, „Equilibrium“, „The Machinist“), der als junger Bub mit anschauen musste, wie seine Eltern auf offener Straße erschossen worden sind, gibt sich die Schuld an deren Tod und, als ihm nach etlichen Jahren der Weg zur Rache für immer versperrt wird, auf einen Pfad, der ihn die Kriminalität erkunden lässt und schließlich zur „Liga der Schatten“ nach Nepal führt. Dieser Geheimbund, der sich in seiner Arroganz anmaßt jedes Sodom und Gomorra auf eigene Faust auszulöschen und damit der Gerechtigkeit genüge zu tun, erkennt Waynes Fähigkeiten. Unter den Fittichen von Ducard (gefällt sich nach „Star Wars – Episode 1“ oder „Kingdom of Heaven“ mal wieder gekonnt als Mentor: Liam Neeson) reift der Millionärsohn zu einem Ninja der Güteklasse A heran.
Diese Vorgeschichte zur Entstehung von Batman nimmt ungefähr das erste Drittel ein, glänzt mit sehr atmosphärischen Szenen in den Gebirgen von Nepal, klärt mit Flashbacks über die prägenden Ereignisse in Bruce Jugend (Angst vor Fledermäuse, etc.) auf und verfügt zudem über ein paar interessante, wie manipulative Aussagen und Philosophien zum Thema Gerechtigkeit von Ducard, der Wayne zu rekrutieren ersucht, ihm seine Angst nimmt und stattdessen mit Rachegelüsten auszustatten versucht, um ihn als weiteren Handlanger zu gebrauchen. Doch er wiedersteht und kehrt mit Mühe und Not nach Gotham City zurück, wo er eine veränderte Lage und neue Freunde vorfindet.
Hier beginnt dann auch die eigentlich Geschichte von Batman. Denn Wayne, der nun nach einer Möglichkeit sucht das Böse zu bekämpfen, ohne die ihm nahe stehenden Menschen zu gefährden, nutzt Ducards Lehren, um sich bald als Flattermann mit offensichtlichen Startschwierigkeiten durch Gotham City zu bewegen. Angst, Täuschung und Theatralik heißen sein Rezepte und er setzt sie ein. Der Spagat zwischen Tarnidentität, der mit Geld um sich werfender Millionärswaise, und Superheld gelingt.
Von da an scheint Christopher Nolan der Film leider aus dem Ruder zu laufen, denn „Batman Begins“ lässt merklich nach. Das düstere, langsam in Dreck und Elend versinkende Gotham City (hier outet sich Nolan dann auch als „Blade Runner“ – Fan) ist als Handlungsort eine sehr atmosphärische Angelegenheit, nur leider vermag Nolan kaum vernünftige Actionszenen in ihr zu drehen. Der größte Minuspunkt von „Batman Begins“. Schnitt und Kameraarbeit sind hierbei, auch wohl aufgrund des anvisierten, lukrativen PG-13 Ratings, eine einzige Katastrophe. Unübersichtliche, hektische Close-Ups knüpfen an Schnittstakkatos, dass man Kopfschmerzen bekommt. Nolan musste sich in seinen vorherigen Filmen nie mit Actionszenen beschäftigen und offenbart nun überdeutliche Defizite, weil er die inzwischen in Hollywood-Produktionen scheinbar nicht mehr wegzudenkende Unart übernimmt, mit der Verschleierung von Details, der Action die Härte und Intensität zu nehmen.
Den Kopf rettet ihm hierbei das Drehbuch, weil es eben lange nur sporadisch auf Actionszenen Wert legt und sich immer wieder dem Charakter Bruce Wayne verschreibt. Der wird im übrigen von Christian Bale, der inzwischen längst zu meinen Lieblingsdarstellern zählt, überzeugend gegeben. Ein Michael Keaton ist er nicht, wohl aber glaubwürdiger als Val Kilmer („The Saint“, „Mindhunters“) und George Clooney („From Dusk Till Dawn“, „Three Kings“). Ernst, überzeugend und mit der wichtigen, inneren Zerrissenheit, seinem Kindheitstrauma und der aus diesen Elementen resultierenden Scheu Menschen nah an sich heranzulassen, gibt er den Bruce Wayne. Der sich zwischen Rache, Hass und dem Sinn für Gerechtigkeit entscheidende Held erhält mehr Glaubwürdigkeit und Tiefe als vielen verwandten Comicverfilmungen in mehreren Filmen zugestanden wird. Dabei erlangt er hier noch nicht das Stadium, in dem sich Keaton seinerzeit befand, sondern entwickelt sich erst noch dahin. Die Transformation schließt hier noch nicht ab.
Genau diese Auseinandersetzungen mit dem Charakter sind ja im übrigen Nolans Asse und er spielt sie gekonnt.
Erlesen dabei, wer ihn alles unterstützt. Man griff hier auf eine Riege altgedienter Recken zurück, die auch aufgrund ihres Alters, sich im Kino rarer machen, hier jedoch mit sichtlichem Spaß und folgerichtig auch Einsatz bei der Sache waren. Michael Caine („The Italian Job“, „Get Carter“) interpretiert den Butler Alfred anders als Michael Gough, kritisiert energischer, gestaltet seine Rolle nicht nur väterlich, sondern auch freundschaftlich und hat einige auf Sarkasmus beruhende Lacher auf seiner Seite. Vor allem in Bezug auf den Ausbau der zukünftigen Bat-Höhle und der Kreierung des Anzugs weiß er zu gefallen.
Rutger Hauer („Blade Runner“, „The Hitcher“), der ja nun auch seit langem im B-Milieu zu oft unter Wert verkauft, ist als Chefmanager von Wayne Enterprises zwar nicht so oft im Bild, genießt es allerdings sichtlich mal wieder Kinoformat schnuppern zu dürfen und wird von dem bei ihm in Ungnade gefallenen, enorm sympathischen und humorigen Morgan Freeman, der hier die Ausrüstung von Batman verantwortet, getoppt.
Auch Gary Oldman („Léon“, The Fifth Element“), der, nachdem er alle Schurkenrollen Hollywoods durchhatte, auf das Abstellgleis verfrachtet wurde, zeigt sich mit einer nuancierten Leistung als hier noch längst nicht zum Commissioner beförderter, machtloser und unbestechlicher Cop Gordon dankbar.
Ergänzend sei noch Katie Holmes („Dawson's Creek“, „The Gift“) erwähnt, die als Staatsanwältin über die Rolle der einfältigen Love Interest hinaus schauspielern darf, nur leider zu wenige Szenen erhält.
Ein schaler Beigeschmack bleibt dennoch unverkennbar. Auch weil Batman hier der ebenbürtige und vor allem charismatische Gegenspieler fehlt. Nun man könnte argumentieren, dass der noch etliche Blessuren, Vergiftungen davon tragende und sich längst noch nicht so elegant durch die Lüfte schwingende Ritter einem ausgewachsenen Gegner nicht gewachsen sei, trotzdem mangelt es an charismatischen Gegenpolen. Scarecrow beispielsweise wird auf eine unwesentliche Rolle degradiert, die Batman mit etwas Geschick auch beim ersten Zusammentreffen schlagen hätte können und Ra's Al Ghul, dem eigentlichen Hauptgegner, fehlt, vielleicht gerade wegen seiner rationalen Ziele eine ordentliche Portion schillernder Exzentrik.
Die Besinnung auf eine größtenteils reale Welt und damit Abkehr von bunter Fantasy war zwar ein Hauptanliegen von Nolan. Ein typischer Franchisepsycho, der dann für die nach den zufriedenstellenden Einspielergebnissen wohl zu erwartende Fortsetzung zum Schluss auch versprochen wird, hätte „Batman Begins“ jedoch attraktiver gestaltet.
Denn im zweiten Drittel kippt die Charakterisierung Batmans Zugunsten überbordernder Actioneinlagen. Die Ansprüche werden geradezu ausradiert und „Batman Begins“ eröffnet eine bis zum Ende nicht mehr abnehmen wollende, düstere Dauerschlacht mit Ra's Al Ghul und dessen Henchmen. Die Verfolgungsjagd mit dem Bat-Mobil zeigt sich dabei von zwei Seiten, da die Jagd über die Dächer, fern jeglichem, bis dahin doch so wichtigen Realismus (alle Batman-Gimmicks entsprechen den derzeitigen Möglichkeiten oder sind an sie angelehnt), deutlich over the top geriet, da mit Goyer die Pferde durchgingen. Auf der anderen Seite erfüllt die brachiale Raserei durch Betonmauern und Absperrungen dank schrottreifer Polizeiwagen im Dutzend genau die Erwartungen, die beim ersten Sichten des beräderten Panzers erstmals auftraten.
Geradlinig fährt Nolan alles zu einem großen Showdown auf, der einmal mehr zu der Zerstörung von Gotham führen soll. In Hinblick auf den tollen Beginn eine Enttäuschung, weil nur noch das übliche CGI-Standardgewitter, das möglichst spektakulär und laut in die End Credits führen soll, zum Einsatz kommt. Typisches Hollywood-Kino der Neuzeit eben, ganz ohne eigenen Charakter. Das Publikum will es wohl so. Ein deutliches Zugeständnis sind in dieser Hinsicht auch die auf die Dauer nervenden und regelmäßigen ganz offensichtlich auf Publikumslacher ausgelegten Szene, die so eine düstere und ernsthafte Comicadaption gar nicht nötig haben sollte.
Fazit:
Anfangs überraschend reife Comicverfilmung, die später leider zu einem unübersichtlichen, in meinen Augen auch nur durchschnittlich attraktiven Actionspektakel verkommt und seine Charaktere fast gänzlich aufgibt. Nichtsdestotrotz widmet sich „Batman Begins“ als erster Teil der Reihe ganz ausführlich dem Titelgeber, schildert seinen Werdegang und die Gründe dafür. Dank der spielfreudigen Top-Besetzung, der pessimistisch-düsteren Optik und der lange bodenständigen, realitätsnahen Inszenierung reicht es damit für das Prädikat „Gut“. Die Wandlung wurde vollzogen, aber wohl erst mit der Fortsetzung auch beendet. Dann jedoch bitte mit einem präsentem Score (Das Komponisten-Duo Hans Zimmer und James Newton Howard bekleckert sich wahrlich nicht mit Ruhm) und einem Drehbuch, das Nolan allein schreibt.