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Wie der jeweilige "Batman"-Film chronologisch in die Saga einzuordnen ist, darauf weist uns der verbiale Titelappendix hin: War es 1992 Burtons "Batman Returns", ist es nun "Batman Begins". Also die Vorgeschichte vom Flattermann im Ledercape. Und obwohl das Filmfranchise hier losgelöst der anderen Filme zwischen 1966 und 1997 neu gestartet werden soll, muss sich natürlich Christopher Nolans Comicverfilmung, allein wegen der Titelähnlichkeit mit den Vorgängerfilmen messen lassen.

Und im direkten Vergleich mit Burtons "Batman" kommt man natürlich schnell zu dem Schluss, dass Nolans Version ein ganz klares Kind seiner Zeit ist. Hinweg ist Burtons düsterer Gothik-Look und seine eher verhaltene Inszenierung. Dafür gibt's ein glattes und aufwändiges Gotham City, das seine Düsternis nur durch die Elendsviertel repräsentiert weiß und eine zügigere Erzählweise. Das Batmobil ist kein elegantes Auto der Nacht mehr, sondern ein lärmiger Panzer. Dieser Wechsel ist prägend für den ganzen Film: Wo es bei Burton ein exzessives Ausstattungs- und Optikgewitter gab, dominieren in "Batman Begins" die Szenen, die einst in der 60er-Jahre-Serie so lautmalerisch mit "Boom", "Zap" oder "Clap" umschrieben wurden: Actionkrawall. Besonders im letzten Drittel ist von einstiger Fledermaus-Zurückhaltung kaum mehr etwas zu bemerken und die Bedrohung wird zur megalomanistischen CGI-Party, in der alles lärmt, brennt, schreit und explodiert.

Die ruhige Zerrissenheit, die einst Michael Keaton so perfekt verkörperte, eben weil er kein Actionstar und Superheld in den Köpfen des durch Filme wie "Beetlejuice" vorbelasteten Publikums war, geht Christopher Bale größtenteils ab. Zwar hat er auch seinen Konflikt zu bewältigen und seinem Schicksal zu begegnen, jedoch auf erzwungene Art und Weise. Das Drama, das die Figur Bruce Wayne umgibt, wird direkt angesprochen und unmissverständlich auf die Leinwand gebracht: Warum er zu Batman wurde und was ihn dazu angetrieben hat. Und mit welchen Problemen er dadurch zu kämpfen hat. Schwebte dieser ewig währende Konflikt bei Keaton wie ein Damoklesschwert über seiner Darstellung und gab so der Figur eine subtilere Zerrissenheit, ist es hier eben "nur" plumper Inhalt. Das Drehbuch muss sich das in den ersten 40 Seiten erkämpfen, was Keaton mit einem simplen Stirnrunzeln schaffte: Eine Abbildung des zerrissenen Antihelden zu kreieren.

Das ist ja an sich gar nicht so verwerflich, wenn jene Zerrissenheit und Nachdenklichkeit eins zu eins in die Actionszenerie übergehen würde. Doch hier sind die unterschiedlichen Vorstellungen des Thriller-erfahrenen Regisseurs Christopher Nolan, der durch "Memento" bekannt wurde und des Haudrauf-Schreiberlings David S. Goyer, der einst "Blade" verzapfte, zu exakt getrennt. Denn sobald Bale sein Batcape übergestreift hat und es handgreiflich wird, spüren wir keinen Hauch mehr vom Problemsuperhelden. Nein, hier wird Batman sogar ziemlich arg hochstilisiert: Dem Zuschauer bleiben Batmans Tricks stellenweise vorenthalten, warum er ziemlich gewagte Sprünge im buchstäblichen Flug meistert und warum er plötzlich mit verstellter Stimme spricht. Ein Film muss so etwas nicht zwingend erklären, jedoch wirkt Batman dadurch bisweilen wie ein Überwesen und der Zuschauer gerät in die gleiche Situation wie jene Passanten, die mit offenem Mund seinen Rettungsaktionen zuschauen: Wir sind erstaunt von dem Wesen – uns fehlt aber jeglicher persönlicher Bezug zu dem "Batman". Eine Distanz wird – ungewollt – erzeugt, die Keaton und Burton nie zuließen. Und wie es uns jüngst die Sam Raimi "Spider-Man"-Filme lehrten, ist es gerade jene Nähe zum Zuschauer, die den Superheldenfilm erfolgreich macht.

Als Gegenspieler gibt sich Liam Neeson als Ra's Al Ghul die Ehre, der zwar ganz charismatisch daherkommt, aber ein paar ganz furchtbare Dialoge aufsagen muss. Zwischenzeitlich hat man das Gefühl, in einem inoffiziellen Prequel zu "Star Wars: Episode I – Die dunke Bedrohung" gelandet zu sein, in dem Liam Neeson seine Rolle als Qui-Gon Jinn wiederholt und eine ziemlich progressive Jedi-Lehre vertritt. Denn all der psychologische Hickhack, den Neeson seinem Schattenkriegeraspiranten, der sich um die persönliche Auseinandersetzung und Kontrolle mit Wut, Zorn und Furcht kümmert, erinnert an das furchtbar nichts sagende Gewäsch aus eben jener "Star Wars"-Initialepisode. Unterstützung erhält Neeson durch den jungen Cillian Murphy, der den Comicvillian Scarecrow alias Jonathan Crane gibt.

Und hier sind wir schon bei dem großen Pluspunkt für Nolans "Batman": Die Besetzung. Dass Schauspieler mit derart wohlklingenden Namen und mehrstelligen Gagen Eindruck auf der Breitbild-Leinwand hinterlassen, dürfte klar sein: Michael Caine gibt Butler Alfred, Obersympath Morgan Freeman tritt als "Q"-Pendant Lucios Fox auf, Gary Oldman spielt den überforderten und gerechten Cop Jim Gordon. Und nebenbei laufen auch noch Rutger Hauer, Mark Boone Junior und Ken Watanabe herum. Nur Katie Holmes kann in ihrer ziemlich eingeschränkten Rolle nie die emotionale Tiefe und Leidenschaft für Job und Batman vermitteln, die man sich von ihr wünschen würde. Insgesamt ist diese Mega-Besetzung Grund genug dafür, sich die Comicverfilmung anzusehen – denn eins ist klar: Diese Damen und Herren machen ihre Sache gut.

Aber dennoch erstickt der Film an seiner Actiondominanz, an seiner überflüssigen Effektverliebtheit (ganz störend sind die visualisierten Wahnvorstellungen, die aus dem Großstadtcomic einen Zombie-Horrorfilm machen) und an seiner enormen Zweigeteiltheit. Nolan, dem es anscheinend um Charaktere und plausible Story ging und deshalb wohl auch so viele bekannte Gesichter castete und Goyer, der ein Actionfeuerwerk losbrennen wollte. Während die erste Stunde des beginnenden Batmans noch ganz gut funktioniert, auch wenn die meisten oben erwähnten Kritikpunkte bereits ins Gewicht fallen, wirkt die zweite Hälfte wie ein vermurkster Actionfilm ohne Flair und Sinn für "Batman"-Atmosphäre. In jeder Actionsequenz wird derart schnell geschnitten und die Handkamera derart dicht ins Geschehen gedrängt, dass dem Zuschauer unweigerlich jegliches räumliche Gefühl und jeder Überblick über die Handlung verloren geht. Es ist fast unglaublich, wie dilettantisch Nolan bei den Actionszenen zu Werke geht. Timing und cleveres Editing vermisst man hier schmerzlich.

"Batman Begins" läutet wohl eine neue Reihe "Batman"-Filme ein, die sich leider grundsätzlich von jenen modernen Meisterwerken des Superheldenfilms unterscheiden – sei es der unvergleichliche und absolut brillante Stil Tim Burtons oder die menschliche Nähe Sam Raimis. Beide Superlative werden nicht erreicht. Wieder bemühe ich den Vergleich der Batmobile, denn sie repräsentieren ihre Filme bestens: War das Automobil in Burtons Filmen ein elegantes, nostalgisches, edles Kunstwerk von einem Auto, das sich durch tricktechnische und logistische Raffinesse durch die Straßen von Gotham wand, ist das Auto in "Batman Begins" wie sein Film: Grob und so roh wie eine Planierraupe.

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