Akuter Zeit- und Kraftmangel haben mich lange von meinem Herzensprojekt, Filmrezensionen, ferngehalten. Aber zu Weihnachten sollte ich mich mal wieder aufraffen und da am Neujahrstag die neue Staffel beginnt, kommen hier meine 5 Cent zur elften Staffel:
Season 11
Unter Capaldi waren die Zuschauerzahlen zurückgegangen, außerdem waren die Rufe nach einem Doctor, der nicht gesund, weiß und männlich ist, immer lauter geworden. Also entschied man sich, den Doctor in eine Frau regenerieren zu lassen, was zu wilden Diskussionen führte. Einerseits gibt es keinen Grund, warum der Doctor keine Frau sein sollte, andererseits ist es durchaus problematisch, wenn man Traditionen bricht, nur um Traditionen zu brechen. Ich kann beide Seiten verstehen und hoffe einfach auf gute Geschichten um den Doctor.
Jodie Whitaker ist also der Doctor. In ihrem Debüt wirkt sie recht überdreht, wie wir es vom Doctor nach der Regeneration seit Tom Baker gewohnt sind. Sie bekommt eine konventionelle aber recht spannende Geschichte zum Auftakt, die an Resident Evil Zero (die Sache mit dem Zug) und Predator erinnert. Dabei werden auch gleich Companions eingeführt, da Bill ja leider das Zeitliche gesegnet hat. Ryan ist ein junger Lagerarbeiter, der Mechaniker werden will. Seine Großmutter ist mit Graham verheiratet, der gerne Großvater genannt würde. In den Mix wird noch eine junge Polizistin (leider kein Kissogram wie Amy…) geworfen, Yaz. Eine Frau als Doctor, ein junger Afro-Engländer, ein alter Weißer und eine junge indischstämmige Frau – das ist natürlich schön divers, wirkt aber „ein wenig“ bemüht. Daraus lassen sich sicher ordentliche Geschichten stricken, man wird abwarten müssen, was die Staffel bringt. Der Auftakt ist etwas überladen, funktioniert aber ganz gut. Nicht der beste Auftakt eines neuen Doctors, aber auch keine Katastrophe wie The Twin Dilemma oder McCoys erstes Abenteuer.
Nach Predator bedient sich die zweite Folge ein wenig bei Screamers, um den Doctor auf die TARDIS zurück zu bringen. Auch diese Folge ist temporeich und einigermaßen spannend, und das Ende, als wir endlich wieder im Inneren der TARDIS sind, ist ein Gänsehaautmoment.
Danach wird es historisch – und extrem politisch korrekt. Das Team landet im Alabama des Jahres 1955, gerade als eine Afroamerikanerin sich weigert, sich in den anderen Teil des Busses zu bewegen und damit die Bürgerrechtsbewegung in den nächsten Gang schaltet. Das kann guter Stoff sein, birgt aber mit der viel zu offensichtlichen Diverstätsoffensive die Gefahr, ziemlich platt zu werden. Der offensichtliche Rassismus kommt dann auch wirklich sehr offensichtlich daher, sodass er sehr offensichtlich ist. Auch hier traut man sich nicht, einfach mal eine historische Geschichte ohne Aliens zu erzählen. Eines der typischen Zeitreisealiens bringt Unruhe in den Ablauf der Geschichte und der Doctor muss es aufhalten, während Yaz und Ryan ständig rassistisch angegangen werden, was sehr offensichtlich geschieht. Eine Tendenz der ersten beiden Folgen setzt sich hier fort – wenig Vertrauen in die Geschichten. Viel zu viel wird erklärt, viel bleibt an der Oberfläche. Jodie Whitakers Doctor überspielt das mit Tempo und Humor, die Handlung ist aber erschreckend unsubtil. Dafür funktionieren die lustigen Momente recht gut, vor allem, als sich das Ganze in eine Art „Zurück in die Zukunft“ entwickelt. Am Ende drückt die Folge dann brutal auf die Tränendrüse, zwar aus den richtigen Gründen, aber leider ein wenig zu offensichtlich.
Danach besinnt sich die Serie auf ihre Qualitäten und erzählt eine gruselige Science-Fiction-Geschichte um ein von Riesenspinnen überranntes Hotel. Jodie Whitakers Doctor ist mittlerweile recht nahe an Matt Smiths Darstellung, was natürlich nicht verkehrt ist (Smith ist mein zweitliebster Doctor nach Hartnell), aber jetzt keinen Originalitätspreis gewinnt. Dafür sind die Dialoge herrlich absurd, wenn Jodie eine Figur ständig als „Yaz’s mum“ bezeichnet oder Ed Sheeran sucht. Die unambitionierste, aber bisher rundeste Folge der Staffel.
Darauf folgt eine ungemein spannende Alienvariante, die allerdings damit beginnt, dass der Doctor zum zweiten Mal in dieser Staffel ihre TARDIS verliert. Mit den Pting bekommen wir einen neuen, ziemlich fiesen Gegner. Der Nebenplot um Ryans Vaterkomplex wird recht geschickt eingeflochten und insgesamt ergibt das eine gute, klassische Folge.
Danach geht es ins Pakistan des Jahres 1947, kurz vor der Teilung der ehemaligen Kronkolonie Indien in die heutigen Länder Indien und Pakistan, eine Zeit, die für viele Menschen zu Vertreibung und großem Leid geführt hat – und letztlich Gandhi das Leben kostete. Genug Stoff für Konflikt also, aber auch hier werden noch Aliens dazu gemischt. Allerdings funktioniert der historische Teil hier besser als bei Rosa Parks, weil er weniger moralinsauer präsentiert wird und auch die Aliens fügen sich organischer in das Geschehen ein, als man erwartet hätte, auch wenn ihre Anwesenheit nicht wirklich Sinne ergibt und auch der Schluss ein wenig zu süß.
Die nächste Folge übertreibt es dann wieder mit der „sozialen Relevanz“ und liefert eine Science-Fiction-Variante der Arbeitsbedingungen von Amazon, eine Parodiefolge wie aus der RTD-Ära, die wieder ein wenig platt daher kommt.
A propos platt, so geht es dann auch weiter. Auch hier bleibt eine gute Idee hinter ihren Möglichkeiten. Es verschlägt das Team in de Regentschaft von James I (leider ohne Shakespeare) und in seine (historisch verbürgte) Hexenhysterie. Es gibt Hexenjagden und Schlammzombies in einer eigentlich spannenden Handlung, die aber von Chibnalls Tendenz zu moralisierenden Dialogen gebremst wird.
Die daran anschließende Folge führt uns in eine Welt hinter den Spiegeln, in der Grahams Frau wieder auftaucht und die den Storyarc zwischen diesem und Ryan abschließt, indem Ryan ihn endlich Grandpa nennt.
Die letzte Folge schlägt dann den Bogen zum Beginn der Staffel, indem der Bösewicht der ersten Folge wieder auftaucht. Grahams Rachegelüste sorgen für einen Konflikt mit dem Doctor (was die Frage aufwirft, wie sich das wohl entwickelt hätte, wenn Grahams Frau von den Daleks getötet worden wäre). Daraus wird eine überladene aber spannende Story um Kampfroboter und Religionsmissbrauch (mal wieder….) gesponnen, bei dem auch wieder moralisiert wird. Leider wird der Konflikt recht einfach aufgelöst, ohne bleibende Folgen.
Die Staffel versteht sich als totalen Neuanfang. Vor und hinter den Kulissen wurde praktisch das gesamte Personal ausgetauscht und die Bezüge zu den vorhergehenden Staffeln sind kaum vorhanden (abgesehen von ein paar hingeworfenen Bemerkungen). Auch einen Storyarc findet man nur im Ansatz (Graham-Ryan, Tim Shaws Rückkehr). Drei Companions sind auch ungewohnt viel, aber das hat früher auch schon funktioniert. Die Staffel ist sicher nicht perfekt, recht viel Erklärungen und offensichtlich moralisierend, aber es gibt auch viel spannende und gut gemachte Unterhaltung. Jodie Whitaker als Doctor funktioniert dabei wirklich gut, auch wenn sie oft an den elften Doctor erinnert, mit ein wenig drittem und viertem zur Auflockerung. Insgesamt eine ordentliche, wenn auch nicht besonders aufregende Staffel.
Nachtrag: New Years Special
Seit der ersten Staffel hatte das Weihnachtsspecial bei der neuen Serie Tradition, selbst in den Jahren, in denen es keine volle Staffel gab. Letztes Jahr verschob man es auf Neujahr, was die Fans mit sinkenden Einschaltquoten quittierten.
Die Specials waren immer ein wenig Hit and Miss für mich, es gab gute (The Husbands of River Song dürfte mein Favorit sein), schlechte (The Runaway Bride mit dem ersten Auftritt von Donna Kreisch Noble) und viel dazwischen. Dieses gehört zu denen dazwischen. Nachdem die Staffel ganz bewusst auf bekannte Gegner verzichtet hatte, kehrten hier die Daleks zurück (mal wieder…). Auch wenn die Hörspiele mich wieder mit denen versöhnt haben (da gibt es eine Reihe von verdammt gefährlichen Auftritten), finde ich sie im TV recht abgegriffen. Hier haben wir es nur mit einem von ihnen zu tun, der aber gleich mal die Welt übernehmen möchte. Positiv ist der etwas andere Ansatz – über weite Strecken steht mal nicht die eiserne Rüstung sondern die genetisch veränderte Qualle drinnen im Zentrum, die seit 1100 Jahren auf ihre Chance wartet. In den Mix wirft man dann noch eine verantwortungslose Vaterfigur, weil uns Chibnall ja ständig mit solchen menschelnden Stories nervt (okay, das konnten die ersten vier Staffeln auch). Das Ganze funktioniert auch ganz gut über die eine Stunde Laufzeit, da Jodie Whitaker sich mittlerweile recht gut gefunden hat und eine Doktor irgendwo zwischen dem zweiten, zehnten und elften spielt, die durchaus unterhaltsam ist. Auch ihre Companions (die sie mit nerviger Penetranz als „ihre besten Freunde“ bezeichnet – dieses Privileg hätten meiner Meinung nach nur Sarah Jane, Ace und Amy verdient, nicht nur, weil ich die besonders mag, sondern weil die wirklich ein recht freundschaftlich-vertrauensvolles Verhältnis zum Doctor hatten, während die drei ihr bisher eher hinterher laufen) funktionieren ganz gut, vor allem Graham, der hier auch wieder die Schau stiehlt. Die Geschichte selbst ist einigermaßen spannend, wenn auch nicht herausragend, so dass unterm Strich eine gefällige Geschichte herauskommt, die man sich gut anschauen kann. Mittlerweile bin ich tatsächlich komplett mit den Fernsehabenteuern des Doctors durch, so dass die Pause bis zur nächsten Staffel echt lang werden wird…