Review

Schwüles SemiFaktenkino


Spike Lee, genialer Filmemmacher von Werken wie "Oldboy" und "Malcom X", versteht es, Fakten mit Fiktion zu vermischen und daraus anspruchsvolles Gesellschaftskritikkino zu zaubern. Hegte Lee eher seinen zentralen Fokus auf afroamerikanische Kultur, inszenierte er mit "Son of Sam" eines seiner "weissesten Filme".
New York anno 1977,die Stadt brütet vor Hitze; es wird der heisseste Sommer in der Geschichte sein, nahe dem Kollaps; nebenher wütet der berüchtigte Serienkiller David Berkowitz, genannt "Son of Sam", der bevorzugt brünnette junge Frauen erschiesst und mittendrin agieren der Italo Amerikaner Vinnie (genial gespielt von John Leguizamo), Richie (ebenfalls klasse Adrien Brody), die Ihre eigenen Probleme um Affären, gesellschaftliche Ausgrenzung und Vorurteilungen kämpfen. Am Ende sind sich alle einig, das der Serienkiller gestellt werden muss, das wieder Frieden in die Stadt einkehrt.
Spike Lee's Gratwanderung zwischen Authentizität und fiktiver Geschichte funktioniert reibungslos und wirkt wie eine Mischung aus Thriller, Drama und Seifenoper. Er bettet die Kerngeschichte um die Italoamerikanischen Freunde und Familien, wie von einem Filmmeister eben erwartet, fugenlos in die Faktenreiche Rahmenhandlung um Berkowitz und die Plünderungen nach dem Blackout ein, wirkt selbst als Reporter in der semidokumentarischen Reportage mit, um dem ganzen noch mehr authentischen Anstrich zu geben, lässt aber den Hauptdarstellern genügend Zeit, sich zu entfalten, wobei Tiefe verliehen wird. Leguizamo als notorischer Fremdgeher, der seine Frau trotz allem nicht verlassen will, Brody als charismatischer Aussenseiter, der von allen wegen seinem Äusseren aufs Abstellgleis gestellt wird, Sorvino als gehörnte Ehefrau, Gazzara als Mafiaboss, Mike Starr als Stiefvater, der gerne mal durchdreht und nicht zuletzt Michael Badalucco, als psychisch gestörter Serienkiller, der immer wieder dosiert zwischengeschalten wird und von einem imaginären sprechenden Teufelshund zum Töten angetrieben wird.
Knapp 2 1/2Stunden Spielzeit fallen kaum ins Gewicht, da dieses Zeitkolorit, das die schwüle und dreckige Atmosphäre und andere Seite der Discoära zeigt und auch als Zeigefinger gegen das negative Sittenbild der goldenen 70er dient (nicht so streng wie bei Studio 54 oder Boogie Nights) ebenso mit seinem für die Zeit geprägte Soundtrack unterhält und parallel noch mit einem düsteren Score aufwartet.
Das alles zusammen macht "Summer of Sam" zu einer bestens unterhaltsamen und anspruchsvollen Autorenkinoperle. "Ich bin der Son of Sam".
Kein Popcornkino, aber dafür Thrillerdrama mit Anspruch, der Wissenslücken amerikanischer Gesellschaftsgeschichte etwas weiterauffüllt.

8,5 / 10

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