Review

Südafrika 1974.
Der intellektuelle Bantu Shack Twala [ Sidney Poitier ] wird nach zehnjähriger Haft in einem aufbereiteten Gerichtsverfahren aus taktischen Gründen freigesprochen, allerdings kurz darauf in Begleitung seiner Anwältin Rina Van Nierkirk [ Prunella Gee ] und ihrem Freund, dem englischen Bergbauingenieur Jim Keogh [ Michael Caine ], erneut von Polizisten misshandelt. Gemeinsam flüchten sie Richtung Botswana, wo sie mit Wilby, dem Führer einer Freiheitsbewegung, zusammentreffen wollen. Das Amt für Staatssicherheit immer auf den Fersen...

Britischer Abenteuerfilm, der wie bei Regisseur Ralph Nelson üblich unter dem Mantel der Unterhaltung die Sozialkritik packt; dadurch diese Themen zwar vereinfacht, aber auf der anderen Seite auch leichter transportieren kann. Die Rassenproblematik erschien ihm dabei öfters als Aufhänger, in ... tick... tick... tick [ 1969 ] muss ein farbiger Sheriff sein neues Amt verteidigen, Duell in Diablo [ 1967 ] kennzeichnet den Kampf einer Kavallerie - Einheit gegen feindliche Indianer und in Lilien auf dem Felde [ 1962 ] hilft ein durchreisender schwarzer Baptist deutschen Ordensschwestern trotz Differenzen, ihren Traum von einer Kapelle erschaffen.
Am bekanntesten unter seinen Werken ist natürlich die damals auch durch seine unverblümte Gewaltdarstellung Aufsehen erregende Vietnamallegorie Das Wiegenlied vom Totschlag [ 1969 ]; welche das Sand Creek Massaker mit dem von My Lai gleichsetzt.

Die Wilby – Verschwörung hält sich bis auf ganz wenige Details zumindest in den Exzessen zurück, wirkt aber vor allem in der Darstellung der Apartheid und des damit verbundenen Lebens in Südafrika in den dargebrachten Zuständen und Dialogen recht gereizt; durch die unverhohlene Rabiatheit und Bedrohung erreicht der Film auch den Grossteil seiner aggressiven Wirkung.
Nach der Verabschiedung der Gesetze zur Rassentrennung 1948 wurde das Volk eingeteilt; den Schwarzen, Indern, Malaien und Mischlingen vorgeschrieben, welche öffentliche Einrichtungen noch für sie erlaubt waren und wo und mit wem sie zusammenleben durften. Geschlechtlicher Umgang und Mischehen zwischen Menschen verschiedener Rassen wurden verboten.
Die ungleiche Aufteilung des Landes stellte den Weissen - die mit nur 13% der Bevölkerung die Minderheit ausmachten - einen Anspruch auf 86% des Landes aus; der wenige Reste war für die Übrigen gedacht. 1974 begann diese diskriminierende Unterdrückung nach Protesten und einer Konvention der UNO erste Risse zu bekommen; Nelson bezieht hier eine bewusst anklagende Haltung voller Kritik gegen die bestehenden Mißstände. Konnte damit natürlich nicht vor Ort drehen, sondern wich auf Kenia aus; wo ihm Präsident Kenyatta persönliche und vollste Unterstützung zusagte.

Die Ursachen und Historie der imperalistisch - kolonialistischen Segregationspolitik werden hierbei nicht erzählt, sondern allein die für die Handlung entscheidenden Resultate in der Gegenwart aufgezeichnet. Die strikte Trennung von Weissen und Nicht – Weissen dabei symbolisch für das politische Anliegen schnell ausgehebelt: Twala und Keough sind nicht nur aufeinander angewiesen und werden gemeinsam gejagt, sondern sind auch absolut gleichberechtigt und ebenbürtig. Vergleichbar ist der Ausgangspunkt der Narration - basierend auf dem Roman von Peter Driscoll - dabei durchaus mit Poitiers eigenem Flucht in Ketten [ 1958 ], allerdings müssen hierbei nicht erst Vorurteile und gegenseitige Verachtung überwunden werden; nur die Paarung und die Situation ähneln sich. Aversionen zwischen beiden Männern bestehen auch nicht, nur später kommt kurz berechtigtes Misstrauen hinzu; da sich die Ziele beider unterscheiden und nicht jeder den anderen sofort in seine kompletten Pläne einweiht.

Regisseur Nelson steigt aber prompt ein; die Gerichtsverhandlung zum Verstoss gegen die Terrorismusgesetze ist sichtlich nur Schmierentheater, obwohl Verteidigerin Van Nierkirk mit dem Rückwirkungsverbot sogar das richtige Argument vorbringt. Die anschliessende Polizeikontrolle auf offener Strasse [ “In einem Polizeistaat ist die Polizei immer fleissig” ] läuft dagegen schief, weil die Gesetzeshüter getreu ihrer selbst erstellten Regeln viel zu schnell, zu hart und ohne jede Basis durchgreifen und sofort zu Prügeln anfangen, sobald Widerspruch des “Kaffers” erfolgt. Schliesslich fühlen sie sich auch im Recht; ohne Papiere darf kein Schwarzer auf die Strasse. Auch die einschreitende Frau wird niedergeschlagen; erst durch Keoghs Eingreifen gelingt die Gegenwehr.
Die anschliessende Flucht aus Kapstadt hinaus leitet die Verfolgung durch das “Land überholter Illusionen” ein; Twala gibt die Route 900 Meilen nach Johannesburg vor.

Die formelle Behandlung des Stoffes ist dabei weniger interessant als der materielle Inhalt; sicherlich haben die beiden Flüchtenden auch unterwegs ihre Probleme, bekommen sie aber entweder immer schnell geregelt oder den Weg erst durch das Amt für Staatssicherheit freigeräumt. Denn diese könnten ihre Feinde auf der Stelle erledigen und wissen auch immer, wo sie sich aufhalten; wollen aber unbedingt an vor Twalas Haft versteckte Diamanten im Wert von 750.000 Pfund Sterling heran. Warten also ab, bis dieser und sein neuer Begleiter die Ware geborgen haben und beabsichtigen, sie dann spätestens an der Grenze in Ruhe ausschalten.
In der zweiten Hälfte verlagert sich der Film komplett auf dieses Element der Schatzsuche, was die ursprünglich aufgezeigte Erzählperspektive zwischenzeitlich etwas verwässert. Abseits der gelungenen Wortgefechte sowie einiger ruppiger Details im Auftreten der Staatsgewalt vernachlässigt man dort das Politikum zugunsten einer klassischen Geschichte.

Nelson bringt nun auch Einiges an absichtlichen oder unfreiwilligen Witzen sowie angesichts der Gefahren abstrusen Situationen mit ein; die auch gar nicht so unlustig sind, aber das Geschehen etwas verquer machen:
So heben die Bantus zur Tarnung eines ihrer Häuser an und schieben das gesuchte Auto einfach darunter; was schon etwas amüsant von der Idee ist.
Ein indischer Zahnarzt spielt wie Peter Sellers frisch vom Partyschreck.
Twala vollzieht mit dessen Sprechstundenhilfe zu Zuluklängen eine heisse Nummer im Wandschrank, obwohl gerade die Häscher vor der Tür stehen. Welche übrigens optisch auch sehr an perfide Klischee – Arier erinnern und sich auch so aufführen, was mit zunehmender Laufzeit etwas fratzenhaft wird.

Da war entweder die eigene Prämisse zu brisant und gleichzeitig zu hinderlich für einen Kinoerfolg, oder man übertreibt es in der Wahl der Mittel.
Die Inszenierung der Genregeschichte selber ist gelungen und auch wieder nicht: Man hält zwar die Begebenheiten straff, durchaus spannend und deckt die Ereignisse gekonnt in gelblich – unruhige Bilder ein, aber ist vor allem technisch nicht mehr auf der Höhe der Zeit. So muss man sich permanent mit deutlich sichtbaren Rückprojektionen abfinden, die die filmische Illusion ständig behindern.
Verlassen kann sich der Regisseur dagegen auf seine Schauspieler, besonders die drei Hauptdarsteller machen ihre Sache souverän; werden durch einen Nebenauftritt des jungen Rutger Hauer noch perfekt ergänzt. Auch das Tempo ist durch das ewige in - Bewegung - sein so hoch, dass es reiner Action gar nicht bedarf; hätte auch nicht noch zusätzlich hereingepasst, obwohl das Wenige recht verheissungsvoll aussieht.

Das Endresultat ist zwar nicht auf allen Ebenen gelungen, schafft es aber, den Zuschauer durchaus zum Nachdenken anzuregen; ihm auch ohne dozierenden Zeigefinger ein gewisses Gefühl des Unwohlseins und damit der Teilnahme angesichts der unbequemen Lage einzubläuen. Das ist wohl das Wichtigste.

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