Vive México!
Me late mucho México.
Natürlich, warum auch nicht? Du bist Mexikaner. Aber so langsam fängt die ganze Filmwelt an, Mexiko zu lieben. Ja, gut, zum ganz großen Wurf hat es bei den Oscars dann doch nicht gereicht.
Alemán! Partiron la madre.
Ich weiß, alter pachuco, ich weiß. Aber hey - was sagt denn schon so ein Oscarsieg aus? Del Toros Niederlage hindert die mexikanische Filmindustrie jedenfalls nicht daran, die Welt im Sturm zu erobern.
Ich meine - schau dir mal “Matando Cabos” an. Glaubst du etwa, der sei nach dem Oscarabend nicht mehr gedreht worden?
Also, was haben wir da... na klar, einen weiteren Tarantino-Parasiten. Muss ich zunächst mal so böswillig konstatieren, denn mal ehrlich, schon wieder eine Verwechslungsgeschichte? Schon wieder allerhand schräge Figuren, die sich gegenseitig auf den Füßen stehen und am Ende eine dicke Pointe, als sich der Knoten löst? Also, in den USA und in Großbritannien ist man da inzwischen schon weiter. Sag mal, charro, weißt du, was Nu Metal ist?
Pues yo no sé, a la mera y si.
Das ist eine Musikrichtung, die Ende der Neunziger total angesagt war. Ungefähr zur gleichen Zeit wie Post-Tarantino-Gangsterfilme. Aber weißt du, wer heute noch Nu Metal hört? Keiner. Der Zug ist abgefahren, Mann. Und irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass dem Gangsterflick ein ähnliches Schicksal bevorsteht. Glaubt man den Kritiken, hat “Smokin’ Aces” gerade erst im Kino auf dem High Level ziemlich abgestunken. Wozu dann also noch importieren, wenn die Scheiße schon hausgemacht bis zum Himmel stinkt? Denn eines steht mal fest: euer “Matando Cabos” ist dermaßen oldschool, ein solcher lupenreiner Mix aus “Pulp Fiction”, “Snatch” und “In China essen sie Hunde”, dass höchstens ein paar Nostalgiker und Nerds beim Gedanken an den Plot eures Streifens einen Steifen kriegen.
Ey, pendejo! No me caigas en los huevos, güey.
Reg dich ab, Kumpel, du hast ja Recht. Warum soll ich dir mit Grundsätzen auf die Eier gehen, wenn ich nichts Ordentliches zu sagen habe? Also, zur Ehrenrettung deiner Landsmänner: Was ich da gesehen habe, hat zwar nichts mit del Toros Originalität zu tun, die er der mexikanischen Zelluloidindustrie (zu schade, dass man diesen schönen Begriff wegen der Digitalisierung des Films zunehmend nur noch der Gewohnheit wegen sagen darf) seit “Pan’s Labyrinth” als positive Eigenschaft auferlegt hat. Aber ich muss zumindest eingestehen, dass das leicht schmuddelige Gesamtwerk sehr abwechslungsreich ist und damit ordentlich Laune gemacht hat. Keine Frage.
Was schon seltsam ist, denn es geht ganz schön dreist kopiert los, wenn die beiden Hauptfiguren auf der Toilette sitzen und sich Stories über einen Gangsterboss erzählen. Hatten wir tratschende Gangster und deren bebilderte Fantasie nicht schon in der Fußmassagen-Angelegenheit zwischen Jules und Vincent? Aber gut, es ist zumindest schön geschnitten und führt einige wichtige Charaktere mitsamt deren Hintergründen, auf die immer sehr viel Wert gelegt wird, ein. Ohne zu beanspruchen, dass diese Hintergründe den Fakten entsprechen, denn sie könnten auch eine Erfindung des Erzählers sein - das lässt Platz für spätere Plottwists und andere Überraschungen.
Und weißt du was, charro?
Te chingaron?
Nein Mann, die haben mich nicht übers Ohr gehauen. Ich war zufrieden damit. Wirklich! Obwohl ich jeden Dialog schon mal irgendwo vernommen, jede Kameraperspektive irgendwo mal gesehen habe. Lediglich der Trunk Shot fehlt, dafür gibt’s aber eine im-hinteren-Teil-eines-Vans-sitz-Perspektive, wie in “Jackie Brown”.
Tatsache ist nur, ich mochte die Charaktere. Ein Kunststück, das Genrebeiträge wie “51st State” oder “Layer Cake” bei mir nicht fertiggebracht haben. Sie sind interessant, weil sie nicht ganz so selbstzweckhaft kurios wirken, obwohl sie es manchmal sind. Besonders der Wrestler Mascarita / Ruben hat es mir angetan, er mit den ihm innewohnenden zwei Seelen. Der arme Tor. Er, dessen (verjährte) Karriere so schön mit bewusst verschmutzten TV-Berichten vergangener Tage erklärt wird. Er, der “Nacho Libre” quasi überflüssig macht. Man könnte sagen, “Mantando Cabos” beinhalte “Nacho Libre” und noch viel, viel mehr.
Denn Ruben ist freilich nur eine Figur in dem sich einmal mehr entfaltenden Netz von Figuren. Er nimmt zunächst die “Mr. Wolfe”-Position ein, da er zwei unfähigen Gangstern - den Hauptfiguren - bei einem Problem mit einem Wagen zur Hilfe kommt und sich von einem von ihnen dann auch noch anhören muss: “Das hätte ich auch noch geschafft”. Woher kenne ich noch gleich diese Respektlosigkeit?
Eres una verdadera lata.
Wieso, soll ich diese allgegenwärtigen Parallelen etwa verdrängen? Sie sind nun mal da, jederzeit. Was ich Alejandro Lozano aber zugute halte, ist, dass er nie stagniert oder linear vorgeht, sondern im Zickzack von einer Situation zur nächsten springt. Seine Regie ist dabei recht abwechslungsreich, genau wie die Charaktere - nie den Bogen überspannend übertrieben, aber eben auch nie konventionell; schräg, aber nicht bescheuert.
Ach übrigens, pachuco... sag mal was Lustiges!
Andaba en las nubes.
Siehst du, genauso läuft das auch in “Mantando Cabos”. Da sind keine oder nur schwache Pointen, und dann ist da noch diese hilflose Bemühung, philosophische Nichtigkeiten in die Sprechblasen zu legen, was komplett misslingt. Aber trotzdem gibt es dezente Komik zwischen den Figuren, eine unterschwellige Lakonie, die dem hysterischen Gesabber mancher Genrekollegen mit viel Persönlichkeit entgegnet.
Weißt du, Kumpel... ich werde mich dann in Zukunft doch eher an Guillermo del Toro heften, wenn es um sehenswerte Filme aus mexikanischer Hand geht. Oder an Alfonso Cuarón, oder Alejandro González Iñárritu. Was Lozano hier bringt, ist möglicherweise potenzieller Kult, vielleicht aber auch nur das in unsere Breitengrade überschwappende Nebenprodukt, das von dem momentanen Boom mexikanischer Filme profitiert. Es ist Nu Metal aus dem Jahr 2004, und 2004 ist er halt nicht mehr Nu, sondern Old. Aber das geht in Ordnung, denn hin und wieder rockt auch der alte Scheiß noch.
Entendi ni madre, alemán!
Macht nichts. Hauptsache, ich habe dich verstanden.