Als Assistent von Italiens Vorzeige-Dschungelkämpfer Antonio Margheriti verdiente sich Ignazio Dolce („Leathernecks“, „The Last American Soldier“) ab Mitte der Siebziger seine Sporen und lernte in dieser Zeit von einem der wenigen Italo-Regisseure von internationalem Format. Darüber hinaus war Margheriti bekanntermaßen eine nicht unumstrittene Autorität, wenn es daran ging auf den Philippinen den Vietnamkrieg mittels hinlänglich bekannter Exploitation-Elemente neu zu entfachen.
Ende der Achtziger, als Italiens Filmwirtschaft die Folgen der jahrelangen Misswirtschaft aufgrund immer einfallsloserer Plagiate in Form stark rückläufiger Umsätze zu spüren bekam, erhielt Dolce schließlich doch noch selbst ein paar Gelegenheiten auf dem Regiestuhl Platz zu nehmen und versuchte das Optimum aus den sinkenden Budgets zu destillieren. In dieser Zeit entstanden auch drei Kriegsfilme, die sich natürlich nicht mit Margheritis Klassikern messen können, aber durchaus ihren Charme besitzen und immerhin indirekt dessen Filmreihe fortsetzen.
Denn „Bye Bye Vietnam“ entstand ebenfalls unter der Ägide von Gianfranco Couyoumdjian, der bereits die meisten Margheriti-Filme der Vorjahre produziert hatte, aber inzwischen nicht mehr die selben Budgets auftreiben konnte und Dolce für aufwendigere Szenen zum Einsatz von Stock Footage zwang. Deswegen fleddert Dolce auf der Suche nach passendem Material auch ziemlich ungeniert wie fleißig den Fundus seines Mentors.
Die finanziellen Einschränkungen haben zur Folge, dass der erfahrene Genrefan hier leider ein unliebsames Wiedersehen mit diversen Helikopter-Szenen aus „Jäger der Apokalypse“, der Brückensprengung aus „Höllenkommando zur Ewigkeit“, ein paar Actionszenen aus „Geheimcode:Wildgänse“ und etlichen Zerstörungsorgien feiert, die dank ihrer Miniaturmodelle die unverkennbare Handschrift Margheritis tragen, aber immerhin ziemlich geschickt integriert worden sind.
Die innovationslose Handlung bewegt sich genretypisch einmal mehr in den üblichen Bahnen, zumal sie Fließbandarbeiter Tito Carpi vermutlich innerhalb weniger Tage hastig heruntergerissen hat und sich einen Dreck um die Story geschert hat.
TV-Darsteller Richard Hatch, der über „Battlestar Galactica“ nie hinauskam, sich aber zwischenzeitlich nach Italien verirrte und hier eine solide Performance abliefert, mimt mit stoischer Mimik den einigermaßen abgebrühten Sergeant Costa, der als vorbildhafte Kampfsau ein Problem mit Menschenmaterial verschleißenden Autoritäten hat. Sein letzter Rettungseinsatz hinter den feindlichen Linien war auch nicht gerade das Gelbe vom Ei, weswegen nach seiner Rückkehr eine kühle Dusche und das anschließende Matratzengefecht mit seiner vietnamesischen Spielgefährtin kurzfristige Erholung bieten. Am nächsten Morgen wartet aber nicht seine Bückeule mit einer frisch gebrühten Tasse Arabica-Kaffee auf ihn, sondern ein spartanischer Abschiedsbrief via Notizblock. Zwei bullige MPs vom Typ Wandschrank poltern wenig später in sein Zimmer, um die vermeintliche Kollaborateurin einzukerkern, beziehen stattdessen aber Dresche. Wenig später brennen Costa in einem Lokal während einer wüsten Schlägerei endgültig alle Sicherungen durch und er landet im Bau, nur um anschließend von seinem verständnisvollen Vorgesetzten (Gönnt sich mal wieder einen Ausflug in die Niveaulosigkeit: Donald Pleasence, „Halloween“, „Escape from New York“) die Chance zu erhalten auf ein Höllenkommando ohne Rückfahrtschein geschickt zu werden. Weil als Alternative nur das Kriegsgericht auf ihn wartet, braucht er nicht viel Zeit zum Nachdenken. Da alle Kompetenzen und verlässlichen Kameraden schon längst den Löffel abgegeben haben, würfelt er sich eine Truppe aus nervenschwachem Frischfleich und schlecht gelaunten Deserteuren, die ihm zwecks Fahnenflucht bei erster Gelegenheit die Gurgel durchschneiden wollen oder sich gegenseitig über den Haufen schießen, zusammen und macht sich in den Dschungel auf...
Für die Story von „Bye Bye Vietnam“ bediente sich Tito Carpi ziemlich offensichtlich bei Robert Aldrichs Klassiker „The Dirty Dozen“, sympathische Charaktere sind ihm allerdings durchweg fremd, so dass er nonchalant ziemlich schnell damit beginnt einen nach dem anderen in Form tödlicher Vietcong-Giftfallen über die Klinge springen zu lassen.
Ignazio Dolce solide Regie entfacht dabei keinen Enthusiasmus, die in diesen Kreisen unabdingbare Schmuddel-Atmosphäre im schwülen Dschungeldickicht oder vernebelten Spelunken beherrscht er allerdings ganz vorzüglich und einen ganzen Haufen blutiger Schussgefechte mit hohem Bodycount noch dazu, ohne den typischen Gräueltaten (Selbstmordattentate etc.) auszuweichen und zu vergessen, auf die suppenden Wunden in aller Detailfreudigkeit draufzuhalten. Vom seinem Charakter her weisst sich „Bye Bye Vietnam“ also als glasklare Exploitationware aus.
Da sich der Großteil der Handlung im Dschungel abspielt und der Zuschauer schon fast die Uhr danach stellen kann, dass Charlie auf der Lauer liegt oder der nächste Soldat aus Costas Team nach einem schmerzhaften Todeskampf abdankt, kann man sich über mangelndes Tempo kaum beklagen. Allerdings enttäuscht der begleitende Score Stefano Mainettis („The Shooter“, „Silent Trigger“) über weite Strecken, nutzt er die elementaren Synthesizerklänge lange Zeit doch nur äußerst sparsam, bekommt aber zum Finale hin noch die Kurve.
Unfähiges Personal auf Seiten des Gegners, das sich als Kanonenfutter prima eignet, unfreiwillig komische Dialoge, die so ziemlich jedes bekannte Klischee hinreichend erfüllen und eine lächerlich herbeigeschriebene Lovestory amüsieren bisweilen, radieren den harten Ton Ignazio Dolces allerdings nicht völlig aus, kommen dem ansonsten sich sehr ernst nehmenden Geschehen als Auflockerung aber sehr entgegen. Dazu trägt auch ein völlig verwirrter Donald Pleasence seinen Teil bei, der auf der Basis ein Dosenbier nach dem anderen aus seinem Kühlschrank zaubert und meist einen geistig abwesenden Eindruck hinterlässt, während er sich den Blödsinn lustig säuft.
Überraschungen fehlen angesichts des schematischen Szenarios natürlich, wenn man mal davon absieht, dass der Film nicht gerade zimperlich mit seinen Figuren umgeht und die ohnehin überschaubare Einheit auf ein paar wenige Charaktere zusammenkürzt, die zum krönenden Abschluss in einer komplett hirnrissigen Aktion einen ganzen Stützpunkt dem Erdboden gleich machen und selbst kaum Verluste zu beklagen haben. Erst hinterher wird in genretypischer Manier noch aller Ballast über den Jordan geschickt, um eine erschütternde Endsequenz zu generieren, die ihre Wirkung aufgrund des vorangegangenen Szenarios völlig verfehlt. „Im Wendekreis des Söldners“ löste man diese Situation beispielsweise wesentlich geschickter.
Fazit:
Ignazio Dolce wandelt auf den Spuren seines einstigen Lehrmeisters ohne dessen Niveau zu erreichen, auch wenn er viel Material aus dessen Filmen recycelt. Im Grunde stammt jede mehr oder weniger spektakuläre Szene aus Margheritis Filmen der Jahren davor.
„Bye Bye Vietnam“ besitzt alle typischen Merkmale eines italienischen Vietnamkriegfilms jener Zeit und wird damit nur für Genrefans goutierbar sein. Angesichts des latenten Rassismus', plakativer Gewaltdarstellungen, schlechter Dialoge und der funktionell angelegten 08/15-Story wird sich der Otto-Normal-Verbraucher kaum auf dieses Machwerk einlassen wollen. Aufgrund der sich häufenden Feuergefechte und der essentiellen Dschungelatmosphäre reicht es gerade noch für eine durchschnittliche Bewertung. Denn Kurzweiligkeit kann man „Bye Bye Vietnam“ als Genrefan kaum absprechen und die Locations überzeugen auch hier wieder einmal.