kurz angerissen*
So wie sich der englische („Damage“), französische („Fatale“) und deutsche („Verhängnis“) Filmtitel allenfalls darüber einig sind, dass etwas Irreversibles zu betrachten ist, nicht aber, welchen Aspekt davon man betonen soll (Eskalation oder Folgewirkung), arbeitet Louis Malle in seine Demontage des gehobenen Bürgertums und dessen zivilisierter Fassade eine breite Interpretationsfläche ein. Diese mag an den Fakten nichts ändern, provoziert jedoch eine Vielfalt an Werturteilen in der Frage um die Schuld des von Jeremy Irons gespielten Staatssekretärs und Familienvaters: Ist er tatsächlich Schuldiger oder vielmehr Opfer? Ist er es aus individuellen Zügen heraus oder wird er durch gesellschaftliche Verpflichtungen in die jeweilige Rolle gedrängt? Und sollte man die Femme Fatale im Spiel gemäß der eiskalten Ausstrahlung Juliette Binoches ausschließlich als Strippenzieherin betrachten, die nur als passive Variable zu berücksichtigen ist, oder sollte man sie in das Werturteil nicht viel eher mit einbeziehen: Entgegen der klassischen Dominanzverteilung der Geschlechter müsste doch gerade sie zur Rechenschaft gezogen werden... sofern man der Auffassung ist, dass ihr Handeln vom Egoismus bestimmt ist. Denn ebenso gut lässt sich argumentieren, dass sie eine liberale Auffassung vertritt, die sich nur nicht mit der Welt verträgt, in der sie ausgelebt wird.
Sein inhaltliches Denken scheint Malle mit den Jahren fortentwickelt zu haben, doch die strukturellen Ansätze sind seit seinen Anfängen als Regisseur gleich geblieben. Das Szenenbild spielt nach wie vor eine wichtige Rolle. In warmen Farben wird das Heim der anfangs noch intakten Kleinfamilie gezeigt, doch je nach Anlass der jeweiligen Zusammentreffen verändert sich der Charakter der Schauplätze: Die Hotelzimmer strahlen Unverbindlichkeit aus, die die berufsbezogenen Orte entweder Anonymität (Vater) oder Hektik (Sohn). Dinge bleiben in jeder Konversation unausgesprochen, Implikationen schwingen mit und werden entweder ignoriert oder auf fatale Weise fehlinterpretiert. Ausgerechnet in dieser verbitterten Atmosphäre schafft Malle Platz für Erotik, lässt die Hauptfiguren in mehreren Szenen miteinander schlafen, immer jedoch so, als säße der Teufel den Liebenden bereits im Nacken. Echte Romantik darf nicht einmal aufkeimen, wenn man eigens für ein Treffen in eine fremden Stadt reist.
Die vermeintlichen Zufälle, mit denen das Schicksal aller Beteiligten im letzten Akt besiegelt wird, sind eigentlich der Schlusspunkt einer langen Kausalkette. Diese zu planen, lässt den Regisseur manchmal notgedrungen zu Routinen greifen. Das lässt seine Arbeit stilistisch wie einen typischen Erotikthriller der 90er Jahre aussehen und hebt ihn von seinen Zeitgenossen durch kaum einen optischen Einfall hervor. Die Subtexte, die er aus Josephine Harts Debütroman zieht, sind das alles jedoch wert; sie entfachen auch Tage und Wochen nach der Sichtung noch Diskussionen.
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