Review
von Cineast18
Sabrina, die früher Stanley hieß, steht kurz vor ihrer Geschlechtsumwandlungs-Operation. Da ereilt sie ein Anruf, der all ihre Träume noch einmal ins Wanken bringt: Sie hat einen 17-jährigen Sohn! Und der sitzt in New York im Gefängnis. Auf Bedrängen ihrer Therapeutin reist sie nach New York, bezahlt seine Kaution und macht sich mit ihm auf eine Reise quer durch Amerika. Eine Reise, bei der sie sich trotz anfänglicher Schwierigkeiten zögerlich näher kommen.
Das Independent-Roadmovie dürfte einer der sensibelsten und wichtigsten Beiträge der vergangenen Kinojahre zum Thema Toleranz und freier Entfaltung der Persönlichkeit sein. Nicht nur, dass am Anfang wie nebenbei die behördlichen Stolpersteine bloßgestellt werden, die Menschen von Seiten des Gesetzes als psychisch krank einstufen, wenn sie ihr Geschlecht umwandeln wollen. Auch die Begegnungen mit vielen verschiedenen Charakteren während der tagelangen Autofahrt erzeugen ein ausdrucksstarkes Bild des gesellschaftlichen Umgangs mit diesem Thema. Hierbei nimmt der Film vor allem keine düstere Perspektive ein, indem er die unumgänglichen Anfeindungen übermäßig darstellt, sondern er macht viel eher Hoffnung, indem er tolerante und offene Reaktionen überwiegen lässt.
Dadurch passt sich die Figurenzeichnung sehr überzeugend dem filmischen Tempo an. In gemächlichen, aber niemals langweiligen Einstellungen wird die Reise der beiden Hauptfiguren inszeniert, die sich mit ähnlicher Geschwindigkeit fortbewegen wie sie sich kennen lernen. In Verbindung mit der gefühlvollen Country-Musik, die den Großteil des Soundtracks einnimmt, wird so eine nachdenkliche, aber stets lockere Atmosphäre erzeugt, in der Themen wie Geschlechtsumwandlung, Kindesmissbrauch und Prostitution mit einer Selbstverständlichkeit behandelt werden, die ihresgleichen sucht. Hier wird kein Fingerzeig auf Freaks gerichtet, mit der Bitte, sie doch auch als Menschen anzusehen; nein, hier werden einfach Menschen gezeigt, die auf ihre Art und Weise versuchen, aus den Konventionen der sie umgebenden Gesellschaft auszubrechen.
Dass dabei auch der Humor nie zu kurz kommt, trägt zur stimmungsvollen Heiterkeit des Films bei. Selbst in den schwersten Momenten bleibt stets ein Funken Hoffnung und selbst die uneinsichtigsten Menschen, wie Sabrinas Mutter, stehen ihren Geliebten in Zeiten der Not bei. So ergibt sich aus der Mischung aus sensibler Figurencharakterisierung, leisem Humor und zurückhaltend agierender Kamera einer der einfühlsamsten und schönsten Beiträge des amerikanischen Independent-Kinos der letzten Jahre.