Kleine, nicht gleich knifflige, aber gut besetzte Fingerübung von Richard Yeung Kuen, der ein Jahr darauf seinen Paukenschlag Seeding of a Ghost abliefern sollte und hierbei schon vorbereitend alle Zutaten kredenzt. Ein Köcheln noch weitgehend für den privaten Testbereich, das Pochieren mit Maden, Schleim, Spülwasser und Erbrochenem im urangrün getöntem Licht, dass mal nicht die Farbe des Lebens, sondern der Gefahr bis hin zum Tode symbolisiert. Ein halluzinatorisches Traumwandern in die Zwischenwelt der Geister und Dämonen, die ihre unglückselige Existenz bedrohlich in die nur scheinbar harmlose Realität überlagern oder gleich die Opfer in ihren Machtbereich saugen. Ein negativ besetztes Wachsen und Gedeihen, ein wenig beruhigendes und schon gar nicht harmonisierendes Sinnbild für die Verschiebung der heilen Welt in das folgenschwer ausschwingende Schattenreich des Karma, in dessen Kreislauf der Wiedergeburten Gleiches erneut Gleiches erzeugen muss.
Hell has No Boundary ist ein mehrfach geschnürtes Paket, dass seine Konzentration auf das Wesentliche durch eine weitreichend facettierte Erzählführung und täuschende Ornamente an der oberflächlichen Wandung lange Zeit verbergen möchte und dies auch kann. Ein kombinatorisches EC Comic mit Mehrdimensionalität und Tiefenstruktur. Die Handlung entwickelt sich schnell, aber eben nicht eindeutig und schon gar nicht mit Erklärung und Motivation, sondern vielmehr allseitig befähigtem Erfahrungs-, Deutungs- und Verständnismuster, in dem Erinnerungsspuren in neue Sinnzusammenhänge gebracht werden. Ein alogisch polymorphes Stochern im Genre des Okkulten, zwischen Der Exorzist und Das Omen schwankend und gleichzeitig die aktuelle soziale Komponente, die sexual subversion und ein seelisches Niemandsland ansprechend. Aber eigentlich geht es um das Wissen von Reinkarnation und Karma. Darum, dass man sich immer zweimal im Leben sieht. Eine Redensart, die viel drohendes Versprechen und Andeutung für eine späte Revanche und so das Kosmische Prinzip von Ursache und Wirkung bereithält. Aktion gleich Reaktion. Ein Energiefluss, der mit selber Intensität zum Ausgangspunkt zurückkehrt, auch wenn dazwischen mehrere Jahre auseinander liegen können:
Wenn Cheung [ Derek Yee ] vorher geahnt hätte, was sein Geburtstagsgeschenk für Freundin May Wong [ Lau Suet Wah ] alles auslösen wird, hätte er sie sicher nicht auf eine schroffe Felseninsel zum Camping eingeladen. Schon bei der Ankunft hat sie seltsame Erlebnisse, am Ende des Tagesausfluges jagt, quält und ertränkt sie beinahe ein Kind. Dafür läuft es im Büro besser; Polizistin May kann ihre beiden Konkurrentinnen für die Beförderung ausbooten und steigt trotz des Einspruchs ihres direkten Vorgesetzten Inspector Wang [ Yueh Hua ] die Karriereleiter hinauf. Dass sich die Unglücksfälle in ihrer Umgebung schlagartig häufen, fällt dabei nicht nur dem Reporter Koo [ Ken Tong ] auf. May scheint besessen und mit übernatürlichen Kräften ausgestattet zu sein.
Dem wenigen Vorlauf sei Dank wird auch die etwaige Idylle im Leben des Paares derartig kurz gehalten, dass man sich abseits einer gemeinsamer Bootstour samt anschließendem Grillabend gleich auf die weitreichend verzwickte Geschichte zwischen suggestiver und autoritärer Welt verlagern kann. Statt der Abbildung des Glücks wird ein rascher Blick auf die urban modern-day Wirklichkeit geworfen, dort aber dem Grauen ein Gesicht mit anmutiger Maske und dem baldigen Chaos des Schaudern eine feste Form verliehen.
May und Cheung arbeiten zwar unter einem Dach, scheinen dort aber nicht in der selben Einheit integriert zu sein und wohnen auch nicht zusammen; eine Tatsache, die sich beizeiten noch als einschneidender als angenommen erweisen soll. Sowieso wird die gesamte Personenkonstellation auch einschließlich des Inspectors, seiner Schwester – einer Art Hohepriesterin mit Hokuspokusfaible – und auch der beiden zwei weiteren Kandidaten für den ausgeschriebenen Sergeantposten noch einmal unter veränderten Prämissen in Augenschein genommen:
Eine wirkungsstarke Episode aus der dunklen Krise des Zweiten Weltkrieg wird als Rückblende aufgerufen. Ein groteskes, kalkuliert verfremdetes Historienpanorama angefüllt mit Niedertracht, Unmenschlichkeit, Abartigkeit bis zum Exzess, mit japanischen Hitlerbärtchen, sexuellen Belästigungen, Kindstötungen, Kannibalismus, Ausweidungen und Drogenschmuggel per leerem Menschenkörper.
Eine eigentlich universale Transkription des unvorstellbaren Grauens, dem, wenn dies denn in provozierender Allegorie mit destruktivem Impuls gehalten wäre, der heutige Nachklang des Schreckens wenig entgegensetzen vermag. Regisseur Yeung greift zwar bewusst auf die traditionelle Traumsymbolik ebenso zurück wie er an die Urängste des Menschen appelliert – Stürze und Fallen aus großer Höhe, Ertrinken, Feuer, Ersticken etc. –, allerdings ist die hiesige Produktion der Horrorbilder nur eine spekulative, nicht automatisch spektakuläre Simulation der Grausamkeit im trivialem Stil. Statt subversiver Kritik am Bestehenden oder der radikalen Auflösung im Schock mit viel abergläubischen Spiralnebel, ebenso emsig unfreiwilligem Humor und zäsuierenden Kleinszenen umwabert. Ein soweit schon sicheres Auftreten, aber ohne Nachdrücklichkeit in der Rede, offenkundig theatralisch und stark in Richtung exploitivem Trashkino mit überkünstlich knallrotem Gelatineblut. Wie laminiertes Hardcover, dass für die Pulp-Käuferschar eine erneute farbrestaurierte Machkolorierung verpasst bekommt.
Zumindest die materielle Tatsache, dass sich Jeder von Ihnen schon früher über den Weg gelaufen ist und man dort auch in unterschiedlicher Bindung mit speziellem Einfluss zueinander stand, setzt das bisher recht vordergründig gehaltene Geschehen prompt in das Postulat der moralischen Weltordnung und damit in ein neues Licht. In das besagte Grün nämlich.
Grün steht in China auch für das Yin, dem passiven, empfangenden Prinzip. Dem weiblichen Gegenstück des Yang, dass als aktiv und schöpferisch beschrieben wird. Analog zur Frequenz des alles bestimmenden Kismet braucht auch die taoistische Zirkulation das Gleichgewicht in der Natur und damit die richtige Balance. Zwei sich ergänzende, nicht voneinander trennbare Elemente. Cheung und May gehen allerdings verschiedene und auch noch umgekehrte Wege. Während er in seiner Aufgabe versagt, einen extra Rundkurs auf dem Behördenweg einlegt und mit seiner Stelle hell auf zufrieden ist, ergreift sie notgedrungen die freigewordene Initiative der gesellschaftsstabilisierenden Waage; dabei weist sie ein sehr irdisches Begehren für eine eigentlich transzendentale Macht auf: Die berufliche Laufbahn. In der Männerdomäne.
So setzt sie ihre neu erworbenen, des Nachts auf der Insel aufgezwungenen Kräfte und den Vergeltungswillen bevorzugt dafür ein, zielstrebig mißliebige Zeitgenossen aus der Gefahrenlinie zu schaffen. Wobei sie als kühles, zänkisches Karrierebiest nicht nur mit den Waffen der Frauen arbeitet, sondern die Feinde desöfters einem manipulierten Wachbewusstseinserlebnis aussetzt und so geradezu über Leichen geht. Eine sinntäuschende Trugwahrnehmung mit hypnotischer Regression, die die Opfer einer für sie realen Bedrohung freigibt, die von Außenstehenden aber nicht gesehen, auch nicht innerhalb der Grenzen der reinen Vernunft liegen und so als Todesursache ausgeschlossen wird.
Das eiskalte Matriarchat der Gegenwart arbeitet im emanzipatorischen Dreifrontenkrieg auch mit illusorischen Attacken von Kampfhund, Schlange, Krabbe, Würmern usw., die die Durchschlagskraft des cinéma fantastique in der alltäglichen Praxis vorführen. Eine Ausgeburt der Hölle, ein buchstäbliches "Es müsste schon mit dem Teufel sein", wenn die Frau ganz nach oben gelingt.