„Dramarama“ – eine Jugendserie in halbstündigen Episoden – kam nie nach Deutschland, weil sie im Kern häufig stark vom britischen TV und britischen Gewohnheiten beeinflusst war. Auf der Insel lief sie jedoch sieben Jahre lang (1983-89), praktisch die gesamten 80er hindurch, wobei die verschiedenen Sendeanstalten Großbritanniens (und es gab ein Dutzend) selbst ihre Beiträge zu dem Format drehen und vorbereiten durften. So kam jedes Jahr ein hübsches Mosaik aus 9 bis 16 Episoden zusammen, die meist in den Sommermonaten liefen – entsprechend etwa dem ZDF-Ferienprogramm.
Die Folgen wurden sowohl auf Film wie auch auf Video gebannt und hatten sichtlich unterschiedliche Produktionsbedingungen und Budgets, waren aber alle kreativ. Im Zentrum standen immer Kinder und Jugendliche, sei es in familiären Dramen und Komödien, in phantastischen kleinen Geschichten oder gruseligen Vignetten. Einige sind sehr ernst und handeln von Trauerverarbeitung und nicht sonderlich intakten Familien, aber das Spielerische war dabei immer sehr wichtig. Die meisten Episoden haben auch eine entsprechende Moral, aber die wurde eben auch nicht mit Getöse eingebaut. Manches war sogar als Pilot für eine mögliche serielle Auswertung geplant und in zwei Fällen geschah das dann auch mit großem Erfolg, so zum Beispiel bei „Children’s Ward“. Was man bekam, war immer eine Wundertüte, aber die Serie hatte viele kleine Juwelen im Gepäck, spätere große Stars in frühen Rollen wie Gary Oldman oder David Tennant und ziemlich beeindruckende Jugenddarsteller, von denen einige beachtliche Karrieren in TV-Serien machten.
„Dramarama“ wurde nur sehr selten mit einzelnen Folgen wiederholt, weswegen die Serie nicht wie andere breitflächig im Netz zu finden ist, sondern teilweise nur in abenteuerlicher Qualität. Die meisten Episoden sind folglich nicht mehr verfügbar, aber ich habe versucht, jede Folge zu sehen, die bspw auf Youtube angeboten wird. Dabei fällt bisweilen eine unterschiedliche Listung auf, weil einige Episoden später zu der Serie gerechnet wurden, sie aber separat gedreht und versendet waren. Daher schwankt die Episodenzahl zwischen 91 und 93. Sieben weitere Folgen wurden (vor der eigentlichen Serie) in der eigenen Serie „Spooky“ 1982 veröffentlicht, eine reine Gruselserie, die dann später auch dieses Etikett trug. Ferner gab sogar noch einen Vorläufer in sechs Folgen unter dem Titel „Theatre Box“ im Jahr 1981, die leider auch im Web einfach mit Dramarama betitelt werden.
Insgesamt konnte ich 25 der 93 Folgen sichten, steht zu hoffen, dass sich jemand mit VHS-Schätzen noch mal erbarmt und ergänzt. Ich liste hier mal meine Eindrücke und Empfehlungen für alle Episoden auf.
2.10 On Your Tod
Kaum erwachsen, aber finanziell ausgesorgt, Ben hat nicht viel außer reichlich Kohle, seiner Haushälterin und jeder Menge Parties, aber Unsicherheiten bezüglich echten Freunden. Als ein Freund ins Kloster geht und ihn ausgerechnet ein Punkgast des Parasitentums bezichtigt, trifft er endlich Entscheidungen, um sein Leben und sein Haus zu füllen. Ein sehr junger Gary Oldman beweist in dieser sympathischen Geschichte (die ebenfalls ein Pilotfilm hätte sein können) sehr viel Schwung zum Thema „erfülltes Leben“.
3.01 Easy
Neil ist ein guter Fußballer, aber er spielt auch Violine. Allerdings setzt sein Vater voll und ganz auf die Musik, so dass der Junge seinem Verein (der genau vor seinem Fenster spielt) hinterher trauert. Als ein berühmter Violonist in der Stadt ein Konzert gibt, schreibt Neil ihm einen Brief mit seinem Problem – mit überraschenden Folgen. Eine amüsante Geschichte, die auf überambitionierte Eltern zielt und sich nicht auf ein „entweder-oder“ einschießt.
3.06. The Universe Downstairs
Der belesene Vincent fragt sich, was hinter dem „Schwarzen Loch“ wohl steckt, von dem seine Eltern sprechen, wenn es um die abgeschlossene Kellertreppe geht. Tatsächlich findet und fällt er in einen interdimensionären Übergang, der ihn auf den Dachboden einer absonderlichen Familie schickt. Auch diese Familie haben in der schrägen „Dollbaby“ ein Kind, das ganz begeistert von dem Besucher und seinem Universum ist. Eine kleine kuriose Satire, die man in der Kürze der Zeit aber nicht zu ende bringen konnte, mehr ein witziges Spiel mit Ideen.
3.13 Purple Passion Video
Eine hübsch bizarre 80er-Pop-Kiste, in der zwei Teenager unbedingt Kontakt zu dem Popstar Kid aufnehmen wollen, aber ständig von dessen Leibwächter aufgehalten werden. Sie stranden schließlich in einer aufwändigen PopVideo-Umgebung, in der sie erst selbst zum Medium mutieren und dann die Rollen auf den Kopf gestellt werden. Dramaturgisch uneben, visuell aber eindrucksvoll, dazu mit Bobby Gee, einem der Köpfe hinter der Popband „Bucks Fizz“, der sich hier als frisch geföntes Kunstgeschöpf entpuppt. Die Episode liegt auf YT nur in drei Teilen vor und ist von einem horriblen VHS-Band kopiert.
4.01 The Come-Uppance of Captain Katt
Der Produktionsstab einer erfolgreichen Sci-Fi-TV-Serie leidet sehr unter den Marotten und Egozentriken seines Captains – bis jemand offenbar beginnt, Sabotageakte zu vollziehen, die tödlich enden könnten. Wunderbar britischer Humor mit einem großen Cast, der sich durch die unerträglichen Produktionsbedingungen ätzt. Ist so vielschichtig durch den zahlreichen Cast, hätte als Pilotfilm für eine Serie funktionieren können. Eine der wenigen Folgen ohne Kinder oder Jugendliche.
4.07 Flashback
Zwei Schüler sichten ein Filmarchiv und bekommen einen Film zugespielt, der Aufnahmen aus dem 2.Weltkrieg zeigt, darunter einen Schüler einer Gruppe, der deutlich anzeigt, nicht dorthin zu gehören. Angeregt von einem alten Mann, versuchen sie den Jungen zu identifizieren und zu erklären, wie das geschehen konnte – oder noch geschehen wird. Eine knackige kleine Zeitreisegeschichte in tollen Kulissen (u.a. ein Bahnhof, der auch in 5.12 noch mal vorkommt) und mit beachtlichen TV-Tricks, der den begabten Darstellern auch was zu tun gibt.
4.11 Flyaway Friend
Eine einsame Schülerin ohne Vater und ohne Freunde an einer neuen Schule hat einen imaginären Freund, der ähnliche Probleme hat. Oder ist er vielleicht doch nicht eingebildet, sondern ein Geist? Eine dialoglastige Episode, die fast ausschließlich in dem Klassenzimmer spielt und Kindern offenbar die Schrecken des Bombenkriegs noch einmal verdeutlichen sollte. Etwas statisch, aber wirksam. Die Episode hat auf YT für einige Minuten im ersten Drittel einen Tonschaden.
4.12 Pig Ignorance
Ein kleinkrimineller Jugendlicher, der Sozialstunden auf einer klammen „City Farm“ ableistet und ein Schwein, dass sich niemand mehr leisten kann. Ziemlich realistische Sozialstudie mit einem sehr jungen Dexter Fletcher, die ausnahmsweise mal offen und nicht auf einer zwingend positiven Note endet.
5.02 Snap
Peter ist mit seinem Vater unterwegs und soll im Marschland an der Küste Fotos für ein Schulprojekt machen. Der Vater setzt ihn ab, doch Peter wird offensichtlich von einem geheimnisvollen Anhalter verfolgt, der u.U. auch für seine Pechsträhne verantwortlich sein könnte. Entscheidend wird bald eine abgelegene Kirche, die gerade restauriert wird. Klassischer Doppelgängerhorror, der zwar ein wenig vage bleibt, für Kids aber ausnehmend horribel ausfällt. Eine der besten Episoden.
5.03 The Horrible Story
Zwei Brüder bekommen von ihrem Onkel ein altes Zelt geschenkt. Aufgeregt wollen sie mit einem Freund im Garten zelten, doch die beiden Älteren wollen den jüngeren Bruder für die Nacht gern loswerden, weswegen sie Gruselgeschichten erzählen. Tja, jüngere Brüder sollte man nicht unterschätzen, aber das Ergebnis ist doch sehr brav geraten und das letzte Drittel besteht fast nur aus Nahaufnahmen des kleinen Bruders, der seine (wahrlich nicht horrible) Story in die Kamera nuschelt. Nichts, was hängen bleibt, außer dem offensichtlichen Ende.
5.11 Peter
Paul hat seinen Vater im Falklandkrieg verloren und kapselt sich zunehmend ab. Beim Angeln trifft er einen seltsamen Jungen mit einem Galeerenmodellboot, der viel mit ihm gemeinsam zu haben scheint. Erst mysteriös, dann im Mittelteil verzweifelt auf übernatürlich machend, um zum Schluss eine menschliche Note zu gewinnen, die das Rätsel für den Zuschauer auflöst. Unausgegoren, aber optisch interessant.
5.12. The Halt
Vier junge Fußballfans (drei männlich, eine weiblich) terrorisieren und beschmutzen einen Nahverkehrszug, ehe eine Tunneldurchfahrt sie dazu bringt, an einem leeren – und wie sich herausstellt – vollkommen verlassenen Bahnhof auszusteigen. Der wiederum scheint sich in Teilen immer wieder merkwürdig zu verändern – und die vier sind in ihrer Verantwortung gefordert, wenn sie da wieder rauswollen. Knackige Twilight-Zone-Episode für Kids, allerdings sind die Akzente fast unverständlich, aber die Stimmung ist hervorragend.
5.13. Mr. Magus is waiting for you
Vier Freunde wollen einen Ball suchen, geraten aber auf dem fremden Grundstück in den Bann eines Magus, der dringend frische Lebenskraft von den Kindern benötigt. Mal zauberhafte, mal schludrige Verfilmung eines Kinderbuchs, die offiziell gar nicht zu „Dramarama“ gehörte (eher ein TV-Special), aber später bei den Episoden mit geführt wurde. Geoffrey Whitehead als Magier hat leider zu wenig zu tun und einige Effekte sind sogar unter dem TV-Standard. Aber die Kinder sind pfiffig.
5.15 A Spirited Performance
Zwei Jungen stolpern in eine chaotische Ritterfilmproduktion und freunden sich mit dem Continuity-Girl an – doch dann kommen sie in Kontakt mit einer Legende über einen Mönch und ein Drachenschwert. Arm an Plot, dafür voller Comedy-Bits, mit einer erwartbar übernatürlichen Pointe.
6.03 The Wrong Button
Ein Schulausflug zwecks Kunst und Zeichnen führt eine Schulklasse auf das Landgut eines Adeligen, der nebenbei auch einen inaktiven Jahrmarkt auf dem Gelände hat. Ein Unruhestifter und seine zwei Freunde kommen aber während des Aufenthalts mit einem schwarzhumorigen Herrn in Kontakt, der direkt aus der Hölle zu kommen scheint. Verderbt den Kindern nicht den Spaß, könnte die Moral heißen, aber grundsätzlich einfach nur eine kleine Alberei mit ein paar neckischen Einfällen
6.05. Blackbird Singing in the Dead of Night
Die Erlebnisse und Schicksale einiger kindlicher Patienten auf einer Kinderstation im Krankenhaus, speziell eines Mädchens, welches nach einer Explosion nicht mehr richtig hören kann. Ohne Übernatürliches diesmal, dafür sehr natürlich gespielt, was eine zehn Jahre laufende Serie namens „Childrens Ward“ zur Folge hatte.
6.06 Big T for Trouble
Jackie Taylor ist eine schon fast geschäftsmäßige Lügnerin, aber nun muss sie in einem pinkfarbenen Alptraum als Brautjungfer für eine Verwandte herhalten, die sie nicht mag. Ein softer, aber realistischer Spaß, der sichtlich am Charme seiner Darstellerin profitiert.
6.11. Bogeymen
Vier Kinder stacheln sich gegenseitig mit Horrorgeschichten über die neuen Nachbarn hoch. Die entstammen der Karibik, machen ungewöhnliche Musik und haben eine Ziege, sind aber sehr freundlich. Während die Eltern versuchen, den Kindern klarzumachen, dass sie Gespenster sehen, bricht das Quartett aus Neugier ein. Kleine Moritat über Fremdenfeindlichkeit mit umgekehrten Vorzeichen, die Erwachsenen sind aufgeklärt und vorurteilsfrei, während die Kinder Obskures in alles hinein projezieren. Sympathisch.
6.13 The Secret of Croftsmore.
Weil das Kunstgewerbe der Mutter nicht läuft, droht ihr und ihrem in die schottische Küste verliebten Sohn die Rückkehr in die Stadt, weswegen der Onkel und zwei Cousins anreisen. Zunächst sind die Jugendlichen sich nicht ganz grün, aber dann zeigt ihr Cousin ihnen, dass der Küstenhof noch andere „Bewohner“ hat. Durch die schottischen Akzente muss man erstmal durch, aber David Tennant als moseriger Teenager ist die Sache schon wieder wert. Charmant mystische Geschichte!
7.01 Codsmorf
Ein Haus voll exotischer Tiere wird für zwei Jungs zu einem aufregenden Nachmittag, denn der Vater experimentiert mit einem magischen Buch und verwandelt Alltagsgegenstände in Lebewesen. Allerdings verwandelt er sich auch selbst in ein qualliges, blauen Stielaugenmonster, doch just da hat die Mutter der Familie das Buch an den Verkäufer zurück gegeben. Ein kleiner chaotischer Spaß, der leider etwas unter den mittelmäßigen Jugenddarstellern leidet.
7.04 Back to Front
Als sein Vater ihm einen alten Art-Deco-Spiegel von einem seltsamen Antiqitätenhändler kauft, ist der junge David, der auf schräge Sachen steht, auf seltsame Weise irritiert. Das steigert sich, als sein Ebenbild im Spiegel gewisse Dinge eben nicht zeigt. Gemeinsam mit einem Freund will er der Sache auf den Grund gehen, ehe sein Gegenüber für ihn zur Gefahr wird. Ein hübsches Stück, gebastelt aus „Traum ohne Ende“ und netten Paranoia-Ideen – angemacht mit ein paar wirklich schrägen Einfällen. Wirklich etwas creepy.
7.05 Monstrous
Auf dem Rummel gibt es eine Geisterbahn, in der auch die größten Rüpel die Hosen voll haben. Das liegt an den echten Monstern und Hexen, die darin wohnen. Als eins der Monster einen Ausflug macht, müssen die anderen suchen. Just in diesem Moment versucht ein Amt, den Rummelplatz aus vagen Gründen zu schließen und schickt seine Leute. Ganz klar bei den „Munsters“ abgeschaut (oder bei „Frankensteins Tante“) eine alberne Comedy-Episode mit ein paar gelungenen Momenten, aber mehr wie ein unausgereifter Pilotfilm.
7.06 The Pisces Connection
Peter hat sich für ein nächtliches Wildern mit dem halbverrückten „Fishman“ davongeschlichen. Er bereut die Geschichte, aber dann verschwindet der Zausel und auf der Fischfarm gehen seltsame Dinge vor. Gemeinsam mit seiner Schwester und Freunden stößt er auf Drogenschmuggler. Klassische Abenteuerware von der Stange, bei der „Catweazle“ Geoffrey Bayldon noch mal in seine Trickkiste schräger Figuren greifen kann.
7.08 Snakes and Loofas
Drei Teenagerinnen wollen eine Nachbarschaftswache gründen und gehen den örtlichen Polizisten mit versehentlichen Falschmeldungen auf den Keks. Als sie eine Würgeschlange entdecken, glaubt ihnen natürlich keiner – dabei sind sie einem illegalen Tierhändler versehentlich auf der Spur. Nette Abenteuerstory mit guten Darstellerinnen und sogar etwas Action.
7.10 Mitchin‘
Zwei Jungen auf der Flucht finden zusammen – einer flieht vor der wütenden Schwester, der nach einem Zwischenfall im Hafen. Aber beide haben ein ähnliches Familienproblem. Erneut die Problematik des fehlenden Vaters, dass in einem Kanuklau und Ausflug kulminiert. Solider Stoff.
Von „Dramarama“ existiert eine einzelne DVD-Box, die aber – gemessen an der Lauflänge – wohl nur 13 Folgen enthält. Gemäß den Plot Outlines der Imdb könnte sie (eine Episodenliste liegt mir nicht vor) noch die Folgen 1.05 (Because I say so), 1.08 (The Young Person’s Guide to getting your ball back), 2.03 (Dodger, Bonzo and the Rest / ebenfalls ein Pilot), 2.06 (Snoop!), 2.07 (Mr.Stabs/ Rückgriff auf eine Figur aus „Ace of Wands“), 4.13 (Jessie’s Place), 4.14. (Frankies Hat), 5.04 (My Friend Julie), 5.09. (Stan’s First Night / über Stan Laurel), 6.09 (Just a normal Girl), 7.2 (Ghost Story) und 7.07 (Rosie the Great / mit Peter Capaldi) enthalten haben.
Insgesamt hat mir dieser Ausflug in die (teils muffig-realistischen, teils schrillen) 80er mit seinen schrägen Klamotten und der Musik (und ein paar mörderischen Akzenten) viel Spaß gemacht. Fast jede Episode hatte ihre ganz eigene Persönlichkeit. Funktioniert natürlich um so besser, wenn man mit den Kinder- und Jugendprogrammen dieser Zeit aus Deutschland aufgewachsen ist (die durchaus britische Importe beinhalteten) und einen gewissen Vergleich ziehen kann.
Sollte ich jetzt ansatzweise Neugier geweckt haben, empfehle ich allen, die ihren kleinen Zeh mal 25 Minuten riskieren wollen, zu den Episoden „Snap“, „Flashback“ oder „The Halt“ zu greifen. Falls jemand weitere Episoden im Netz entdeckt, würde ich mich über einen Hinweis freuen. (7,5/10)