Die Erwartungen waren groß als ich mir den Film angesehen habe und in der ersten halben Stunde wurde ich sogar teils versöhnlich gestimmt und konnte mich mit diesem Schlachten-Epos, voll pathetischem Heldentums und großer Taten anfreunden. Doch je mehr sich der Film zum Ende hin bewegt, desto mehr wurden meine schlimmsten Befürchtungen wahr. Habe ich mir gerade „Troja 2“ angesehen? Zwar marginal verbessert als der Vorgänger, jedoch die immer selbe Leier vom gebrochenem Helden, seiner verbotenen Liebe und den exzessiven Schlachten.
Historische Authenzität wird ja seit jeher bei „Hollywood“-Produktionen nicht groß geschriebenen, weswegen ich mich mit diesem Thema bezüglich dieses Films auch gar nicht beschäftigen will. Viel mehr will ich diese als das ansehen was es ist, einem Film!
Großartige Schauspieler, tolle Szenarien, grandiose Sets und Dekors. Dramaturgisch gesehen ist der Film genauso gut wie jede andere Blockbuster, die uns mittlerweile überfluten. Aber hält auch alles andere bei näherem Ansehen stand? Oder bricht das Gerüst auseinander?
Der Film beginnt mit einem atmosphärisch starken Setdesign Europas. Flache Landstriche, kalte Blau-Töne, Scott hat sein Handwerk keinesfalls verlernt. Auftritt Liam Neeson, der zu einem verlängerten Cameo antanzt und nur dazu da ist abzukratzen und somit Orlando Bloom die Krone über sein Reich zu vererben. Nach einem sehr kurzen Schiffsausflug erleidet Bloom gemeinsam mit seinen Kameraden, Schiffbruch und bleibt der einzige Überlebende. Er wandert durch die Wüsten bis er schließlich in Jerusalem ankommt und einem lächerlichen Test unterzogen wird, damit sich die Kreuzritter auch ganz sicher sind, dass es sich hierbei um Neesons Sohn handelt.
Nun trifft er auf die mystisch angehauchte Sibylla, die auf dem Papier eine sehr blasse Figur sein muss und erst durch Eva Greens natürlicher Schönheit ein wenig facettenreicher wird. Er lernt auch den leprakranken König Jerusalems kennen, dargestellt von Edward Norton versteckt er sich unter einer Metallmaske, damit man sein entstelltes Antlitz nicht zu Gesicht bekommt.
Auch einige andere sehr gute Leistungen werden in diesem Film verbraten. Jeremy Irons stellt den wohl rationalsten und somit klügsten Charakter des kompletten Films dar, Brendan Gleeson wiederholt seine Rolle des Arschlochs aus „Troja“ und Marton Csokas macht einen auf Tucke, bloß weil sein Name französischer Herkunft ist.
Genau diese beiden Charaktere sind auch die größten Schwachpunkte des Films, die ein wenig mehr Hintergrund benötigt hätten. Behaftet mit Klischees und wie vom Reißbrett wirken sie, so dass man ihnen auch nichts anderes als einen qualvollen Tod wünschen kann.
Zwiespältig ist auch der Hauptcharakter des Films, den des Balian verkörpert von Orlando Bloom. Er ist ein weitaus sympathischerer Zeitgenosse als beispielsweise Guy de Lusignan, trotzdem ist er in der ersten Hälfte des Films seltsam unnahbar, sogar noch unnahbarer als Sibylla. Doch sein Charakter nimmt eine abstoßende Seite an, als er sich ziert der Herrscher über Jerusalem zu werden und somit das Leben abertausender Menschen zu retten im Gegenzug zu dem Leben einiger widerlicher und fanatischer Herrscher.
Nachdem Guy der König Jerusalems wird, seiner Hybris erliegt und einen aussichtslosen Kampf gegen die Moslems führt bei dem er nur verlieren kann, sterben alle Ritter Jerusalems und die große Schlacht um diesen „heiligen Ort“ kann nun beginnen. Jetzt muss Balian, den Dreck den er selber angerichtet hat aufräumen und das tut er mit unglaublich kaltblütiger Arroganz und Klischeebeladenem Heldentum, der einfach nicht in diesen Film gepasst hat. Seine heldenhafte Rede ist eine Zumutung, ebenso wie die Schlachtszenen, die darauf folgen. Die unglaublich choreografieren und wunderschönen aber dilettantisch geschnittenen Schlachtszenen sollen eine Zumutung sein?!
Ebenso wie bei anderen großen Schlacht-Epen bin ich wohl der Einzige, der überlange und ebenso belanglose Szenarien nicht ausstehen kann. Müssen wir wirklich 45 Minuten lang, diese sich immer wiederholenden Szenen-Abfolgen erleben?
Schlacht – Belangloses Blabla – Schlacht – Versorgung der Verletzten – Schlacht – Stümperhaftes taktisch unkluges Gerede und wieder eine Schlacht.
So etwas bringt weder die in diesem letzten Drittel fast kaum vorhandene Handlung weiter voran, noch entfalten sich die Charaktere besonders, obwohl sie gerade in solch einer Situation meist ihr „wahres Gesicht“ zeigen würden.
Zum Glück hat jede Schlacht auch ihr Ende und der Film nimmt in den letzten 10 Minuten ein versöhnliches Ende, was den filmischen Schaden zwar nur marginal aber dennoch begrenzen kann.
Sir Ridley Scott, dass können sie besser!
06 von 10 Punkten