Wir befinden uns im Jahre 2127 auf der Raumstation "Minos", die aus unerfindlichen Gründen offensichtlich von ihrer Crew verlassen wurde und nun ziellos in der Erdumlaufbahn treibt. Um der Sache auf den Grund zu gehen, wird eine Einheit Elitesoldaten zur Minos geschickt, wo schließlich doch ein letzter Passagier ausfindig gemacht werden kann: Der Ingenieur Paul Merchant, dessen Vorfahre vor 130 Jahren im Kampf mit den Cenobiten den Tod fand und der nun fest entschlossen ist, sich der letzten Konfrontation mit den Kreaturen der Hölle zu stellen. Zu diesem Zweck hat der Erfinder die Minos als eine einzige, riesige Falle entworfen, die nun kurz davor ist, zuzuschnappen, denn Pinhead und seine dämonischen Schergen befinden sich bereits an Bord. Verzweifelt versucht Merchant, die Offizierin Rimmer von der unvorstellbaren Gefahr zu überzeugen, in der sie alle schweben und erzählt ihr aus diesem Grund die Geschichte seiner Familie, die vor vielen, vielen Jahren einst den legendären Zauberwürfel konstruierte, durch den die Cenobiten seitdem immer wieder Einlass in diese Welt fanden. Doch als die Soldaten erkennen, in was sie da hineingeraten sind, ist es bereits zu spät. Während einer nach dem anderen der Grausamkeit der Cenobiten zum Opfer fällt, bleibt Merchant nicht mehr viel Zeit, das zu beenden, was vor Generationen begonnen hat...
Dass Fortsetzungen innerhalb des Horrorgenres schon längst nicht mehr den besten Ruf innehaben, dürfte für die meisten sicherlich kein Geheimnis mehr sein. Gerade aktuell wird der sich in massenhaft Sequels und Remakes äußernden Ideenarmut der Filmindustrie einmal mehr eine deutliche Antihaltung seitens der Fans entgegengebracht, während Fortsetzungen namenhafter Horrorfilme vor einigen Jahren noch zur natürlichsten Sache des Genres zählten. Zu Zeiten von Jason, Freddy & Co. gehörte eine kaum noch überschaubare Menge an Sequels wie selbstverständlich zum guten Ruf einer solchen Reihe, was auf Dauer natürlich den einen oder anderen filmischen Reinfall nach sich zog, die klingelnden Kassen aber nicht beeinträchtigte. So war man sich bei dem nicht abklingenden Erfolg all dieser Franchises im Hause Dimension eines Tages einig, dass sich auch aus der ebenso erfolgreichen wie beliebten Clive Barker Verfilmung Hellraiser noch einiges an Kapital herauskitzeln ließe. Kurzerhand wurde aus dem Abbild eines einfallsreichen und atmosphärischen Originals in den folgenden Jahren eine Trilogie, die mit Hellraiser III - Hell on Earth vorerst ihren Höhepunkt fand, in dem Pinhead endgültig zum sprücheklopfenden Oberfiesling in der Tradition anderer Slasher-Ikonen stilisiert wurde.
Es sollte daraufhin noch einmal vier weitere Jahre dauern, bis mit Hellraiser: Bloodline schließlich der vierte Teil der populären Reihe angekündigt wurde. Damals war natürlich noch nicht abzusehen, dass sich die Produktion von Hellraiser IV zu einem der katastrophalsten Horrorfilm-Debakel aller Zeiten entwickeln sollte, über das bis heute die wildesten Gerüchte und Spekulation im Umlauf sind. So war das Werk von Drehbuchautor Peter Atkins und Regisseur Kevin Yagher seinerzeit als sicherer Abschluß der Reihe geplant gewesen, der die Saga um Pinhead und seine Cenobiten in 110 visuell und stilistisch eindrucksvollen Minuten zu einem glorreichen Ende führen sollte. Ihr Film stieß bei den Produzenten von Dimension Films jedoch auf wenig Anklang, die sich das Werk weitaus kürzer und mit wesentlich mehr Splatter vorgestellt hätten, zudem wurde Pinhead in Yagher's Vision ihrer Meinung nach kaum berücksichtigt. Intensive Storykürzungen waren die Folge, Gerüchten nach soll Hellraiser IV sogar ganze sieben Mal in den Schneideraum geschickt worden sein, bevor sich die Produzenten mit dem Resultat endlich halbwegs zufrieden zeigten. Kevin Yagher war dem grob abgeänderten Restwerk seines Films dann irgendwann allerdings so abgeneigt, dass er seinen Namen aus den Credits streichen und ihn durch das berühmte Synonym Alan Smithee ersetzen ließ, woraufhin Joe Chappelle (Halloween VI) an Bord geholt wurde, um den vorliegenden Kadaver eines Films mit einer episodenhaft angelegten Weltraum-Story wieder zu flicken. Das Resultat, Hellraiser IV, ist bis heute ein Kuriosum für sich und ohne Frage der dürftigste Beitrag in der Hellraiser-Serie, gegen den selbst die neueren, direkt für den Videomarkt produzierten Sequels noch wie regelrechte Meilensteine des Horrorfilms wirken.
Dabei ist es noch nicht einmal die Tatsache, dass die Story im letzten Anlauf noch kurzerhand in den Weltraum verfrachtet wurde, die den Film einen Großteils seines Charmes kostet, denn mit einigen erzählerischen Mühen und inszenatorischem Geschick hätte sich sicherlich auch aus dieser Konstellation eine würdige Fortsetzung schaffen lassen, die ihren Vorgängern gerecht wird. Genau an diesem Ziel schießt Hellraiser IV jedoch meilenweit vorbei, präsentiert sich das Werk doch als recht zusammengeschustertes Flickwerk voller unmotivierter Zeitsprünge, loser Handlungsfäden und grober, inhaltlicher Lücken, das dem Publikum in dieser Form mehr Rätsel aufgibt, als dass es zu unterhalten weiß. Von der in der Zukunft angesiedelten Ausgangssituation der Handlung erzählt der Protagonist Paul Merchant zunächst die Geschichte seines Vorfahren, des Spielzeugmachers Phillip L'Merchant, woraufhin wir uns plötzlich für lange Zeit im spätbarocken Frankreich des 18. Jahrhunderts wiederfinden. Zwar ist den Verantwortlichen aufgrund der Intention, etwas über die Entstehung des Zauberwürfels zu offenbaren, ein durchaus löblicher Grundgedanke zuzusprechen, doch mag trotz einer gelungenen, technischen Inszenierung bereits zu diesem Zeitpunkt kaum ein tieferes Interesse an der Story des Films aufkommen. Spätestens beim zweiten Segment, das den Charakter des New Yorker Architekten John Merchant ins Zentrum des Geschehens rückt, verheddert sich Hellraiser IV schließlich ganz in einer gewissen Ziellosigkeit, die schließlich auch in einigen merklichen Längen resultiert. Auch das Finale auf der Raumstation, bei dem die Protagonisten nach gängistem Slasher-Regelwerk von den Cenobiten getötet werden, weiß an dem mageren Gesamteindruck nichts mehr zu rütteln.
Doch nicht nur die konstruierte und wenig funktionsfähige Story schadet dem Gelingen des Films, auch will sich zu keinem Zeitpunkt eine wirkliche Hellraiser-Atmosphäre einstellen. Die einstmals noch so erhabene, dämonische Figur des Pinhead verkommt hier zum plappernden Boogeyman, der in seinen vielen Szenen größtenteils nur groben Unfug von sich gibt und den Reiz früherer Auftritte komplett versäumt. Dem negativen Eindruck stehen auch die restlichen Cenobiten in nichts nach, bei denen hier eindeutig gespart wurde, auch wenn die finsteren SM-Outfits der bizarren Schmerzdämonen einmal mehr zu überzeugen wissen. Natürlich finden sich zur Freude der Splatterfans dann noch einige Effekte der blutrünstigeren Sorte in der ungeschnittenen Fassung des Films wieder. So dürfen etwa die berühmten Haken wieder das Fleisch von den Knochen ihrer Opfer reißen oder für blutige Enthauptungen sorgen, doch im direkten Vergleich zu den Vorgängern, insbesondere dem zweiten Teil, wurde der Härtegrad hier um ein ganzes Stück zurückgeschraubt und präsentiert dem geneigten Fan somit nichts, was dieser nicht schon gesehen hätte. Schauspieltechnisch bewegt sich Hellraiser IV dafür auf annehmbaren Niveau und bietet neben einem gut aufgelegten Bruce Ramsay in gleich drei Rollen natürlich einmal mehr einen unvergleichlichen Doug Bradley als zynischen und unbarmherzigen Pinhead. So gibt es an Bradley's Darstellung der Kultfigur nichts auszusetzen, auch wenn sie vom Drehbuch in diesem Film leider beinahe gänzlich ihrer düsteren Faszination beraubt wurde.
Alles in allem dürfte es wohl niemanden überraschen, dass sich das Produktionsfiasko um Hellraiser IV nicht gerade wohlwollend auf den Film ausgewirkt hat. Der vierte Teil der Reihe ist zugleich ihr Tiefpunkt, der mit einer lieb- und ziellos vor sich hinplätschernden Story, einer bestenfalls seichten Atmosphäre und nur ansatzweise brauchbarem Hellraiser-Feeling kaum noch an den Charme der vorherigen Filme erinnert. Tolerante und natürlich schmerzempfindliche Anhänger der Cenobiten werden bei zugedrücktem Auge wohl durchaus noch auf ihre Kosten kommen, doch von einem guten Film ist Hellraiser IV dennoch so weit entfernt wie Pinhead vom ersten Platz in einem Schönheitswettbewerb.
Hellraiser: Bloodline
USA 1996, 82 Min.
Freigabe: Ungeprüft
Regie: Kevin Yagher, Joe Chappelle
Darsteller: Bruce Ramsay, Valentina Vargas, Doug Bradley, Kim Myers, Charlotte Chatton, Adam Scott, Mickey Cottrell, Louis Turenne, Courtland Mead, Louis Mustillo, Jody St. Michael, Paul Perri