Review

Der werte Vin Diesel ist schon ein findiger Geschäftsmann. Er hatte das Glück mit gleich drei franchisetauglichen Filmen durchzustarten, um dann mit den jeweiligen Produzenten um die Gage in den längst geplanten Fortsetzungen zu pokern, bis schließlich das Maximum ausgereizt war. Er wollte nur einen Film machen und bevor die Euphorie der Streifen abebbte, musste ein Aufguss nachgeschoben werden. Eine prima Verhandlungsposition für den glatzköpfigen Actionhelden, der sich nur leider tüchtig verzockte. Die Macher von „2 Fast 2 Furious“ stiegen aus den Verhandlungen genauso aus, wie deren Pendants bei „xXx: State of the Union“. 20 Millionen Dollar waren für einen Muskelprotz, der sich noch längst nicht der Kassengarant war, für den er sich offenbar hielt, einfach etwas zu viel. Folgerichtig musste Diesel sich mit knapp 11,5 Millionen und dem bemerkenswert deutlichen Flop „The Chronicles of Riddick“ zufrieden geben.

Ob er mit „xXx: State of the Union“ besser gefahren wäre, ist fraglich. Zumindest mir gefällt das neue Image der wohl mit diesem Teil auch schon ihr Ende findenden Reihe. Regisseur Lee Tamahori („Along Came a Spider”, „Die Another Day”), der als Notnagel für den ebenfalls ausgestiegenen Rob Cohen („Dragonheart“, „The Fast and the Furious“) fungieren musste, macht aus der Not eine Tugend und stellt nun ausgerechnet mit Ice Cube („Anaconda“, „Ghosts of Mars“), in seiner ersten großen Hauptrolle, einen völlig anders gearteten xXx - Agenten vor. Ich bin ohnehin kein Verfechter des Originals, aber insbesondere Vin Diesels Prollgehabe, so ganz ohne eine Portion Selbstironie, ging mir da gewaltig auf den Sender.
Ice Cube ist da ganz anders. Er spielt zwar auch ernst und hat eine Mimik, als würde er ständig auf einer Zitrone herumkauen, nimmt sich und seine Rolle jedoch nicht ernst, transportiert so ganz nebenher die nötige Selbstironie mit und stapelt so überspitzt die Klischees, als wäre das hier eine James Bond-Parodie – was „xXx: State of the Union“ im Grunde auch ist. Wohl deshalb hatte man ja auch mit Tamahori und Kameramann David Tattersall („Vertical Limit“, die komplette „neue“ Star – Wars - Trilogie) die Macher des aktuellsten Bond-Abenteuers verpflichtet?
Cube schaufelt Fastfood in sich hinein, trinkt keinen gerührten Wodka-Martini, sondern schüttet sich Millionärsbrause im Vorbeigehen in den Hals und hat es auch gar nicht nötig Frauen zu umgarnen. Als Kind der Straße sieht er nicht besonders aus, hat eine leichte Plauze und guckt ständig verdrießlich-angepisst aus der Wäsche. Gute Laune ist bei ihm eine Momentaufnahme. Seine Zitate beruhen nicht auf historischen Persönlichkeiten, sondern auf Tupac. Die Oneliner rühren aus seiner kriminellen Vergangenheit her und wurzeln in den üblichen Klischees von Getto-Schwarzen. Immer wieder finden sich obszöne Ausdrucksweisen ein, die ein smarter Bond so nie wagen würde und in einem eleganten Zwirn fühlt er sich so gar nicht wohl, sondern wird zur Lachnummer. Zudem sind technische Gimmicks gar nicht sein Ding, er erledigt seine Jobs auf die althergebrachte Art und pfeift auch hochgerüstete Karren, Uhren mit eingebauten Laserkanonen oder was weiß ich...

Bei einem stattlichen Budget von 118 Millionen Dollar kann Lee Tamahori natürlich aus dem Vollen schöpfen und er tut es völlig over the top. „xXx: State of the Union“ ist wahrscheinlich das teuerste B-Movie aller Zeiten. Sehr rasant, vollgestopft mit Schießereien, Verfolgungsjagden, Zerstörungsorgien, Frauen und schicken Wagen. Wohin das Geld floss, sieht man dem Film in jedem Frame an. Durchgestylt und auf Hochglanz poliert bis in die letzte Einstellung präsentiert sich der Film. Sofern man sich darauf einlässt und nicht mehr als ein hirnloses Actionfeuerwerk erwartet, wählt man hier goldrichtig. Lediglich das ausgedehnte Finale, in dem Tamahori dann viel zu hoch hinaus will und sich mit der überforderten CGI-Crew überwirft, enttäuscht. Ähnlich wie der Schluss in „Die Another Day“ möchte er den vorangegangenen Film in den letzten Minuten nochmal steigern und fährt deswegen mit Vollgas gegen die Wand. Etwas weniger spektakulär und dafür realistischer und besser getrickst, hätte es dann schon sein dürfen. Die Niederungen von „Torque“ werden nicht erreicht, aber man fühlt sich schon negativ daran erinnert.

Sei es drum, der Rest stimmt dafür. Angefangen mit einer Zerstörung von Augustus Gibbons (Samuel L. Jackson, „The Long Kiss Goodnight“, „Basic“) Hauptquartier fackelt Tamahori nicht lange. Die Action ist zwar stets auf das zu beachtende PG-13-Rating runtergeregelt (Ausdrücke, wie Fuck und Bitch wundern da schon...), harmoniert dafür jedoch wunderbar mit der kunterbunten Welt, in der sich Darius Stone, der erst mal aus Knast ausbrechen muss, um Gibbons, der nun auf sich und Tüftelexperte Toby Lee Shavers (Michael Roof, „xXx“, „The Dukes of Hazzard“) gestellt, auf eigene Faust herausfinden will, wer den Verrat beging, zurechtfinden muss.

Ohne viel Zeit zum Durchatmen zu lassen, montiert Tamahori Actionszene an Actionszene. Eine zeitgenaue (*hüstel*) Flucht aus dem Gefängnis per Hubschrauber, der Einstieg ins HQ und die Suche nach Beweisen, dann eine erneute Flucht per Motor-Boot etc etc. So schrecklich viel Handlung gibt es hier gar nicht und wenn ist sie, bis zum heimtückischen Plan von Oberbösewicht Willem Dafoe („Platoon“, „Spider-Man“), der diese Rollen inzwischen bekanntlich aus dem Effeff beherrscht, aber nicht ganz so fies sein darf wie er will, als General George Octavius Deckert, reichlich abstrus. Wenn Schreiberling Simon Kinberg („Mr. & Mrs. Smith“), hier als Autor debütierend, zu „X-Men 3“ nicht mehr eingefallen ist, sehe ich da übrigens schwarz. Allein die hier eigentlich überflüssige Substory um den NSA-Agenten Kyle Steele (Scott Speedman, „Dark Blue“, „Underworld“) ist so ungelenk eingebunden, dass man sie ebenso streichen könnte und kaum jemand würde es merken.

Nun kommt es bei „xXx: State of the Union“ zuletzt auf die Story an, weswegen Kinbergs Scheitern kaum negativ zu Buche schlägt. Stattdessen schalten wir unser Hirn eben aus und gucken Ice Cube zu, wie er die Autowerkstatt von „Pimp My Ride“ – Hoster Xzibit (Immerhin ein witziger Insiderjoke) besucht, mit Booten auf Brücken springt (Ich liebe diese „In Zeitlupe vor Explosionen extrem cool langgehen“ – Szenen), sich, als zwischenzeitliche Krönung, mit einem Panzer (!) auf einem Flugzeugträger (!) wilde Gefechte mit anderen Kettenfahrzeugen liefert und alles in Schutt und Asche explodieren lässt, was im Wege steht. Die Pyrotechniker, wenn auch etwas zu oft von ihren CGI-Kollegen abgelöst, vollbringen hier sowieso einige beeindruckende Arbeiten. Nicht einmal vor dem Beschuss des Capitols wird Halt gemacht.

Frauen sind hier überflüssig, denn es dominiert doch klar das Männerkino: Action, Waffen, Panzer und schicke Autos stehen auf dem Programm. Ist auch besser so, denn die doch auffälligste Frau Charlie (Sunny Mabrey, „Species III“) fällt negativ als talentfreie Zone auf und das will hier schon was heißen. Auch etablierte Gesichter wie Samuel L. Jackson oder Willem Dafoe erhalten nicht die Möglichkeit innerhalb des Spektakels zu schauspielern, aber wenn man (oder in diesem Fall ja Frau) so gar kein Charisma besitzt, ist das schon übel. Sie erinnert dabei übrigens negativ an unseren Export Diane Kruger („Troy“, „National Treasure“) die bisher ja auch nicht mit Qualität auffiel.

Dramaturgisch ist „xXx: State of the Union“ komplett für den Allerwertesten, dies spiegelt sich nicht nur in den Anschlussfehlern und der auch gar nicht erwarteten, fehlenden Logik wieder. Auch wenn der U.S. – Präsident final in Lebensgefahr gerät und dem ganzen Land eine Militär-Revolution droht, kann kaum von Spannung gesprochen werden. Auch hat man nie um einen der Protagonisten Angst, aber das war beim Vorgänger ja schon sehr ähnlich. Von daher sollte man wirklich das Hirn ausschalten und sich einfach berieseln lassen. Noch dümmere Kino-Unterhaltung gibt es dieses Jahr kaum. Den meisten Zuschauern hat das, gemäß dem finanziellen Abwärtstrend der Kinos, nicht gefallen weshalb der Streifen mit einem mageren Einspiel von gut 25 Millionen am amerikanischen Boxoffice eine Pleite erlebte, wie sie wohl auch gerade dem gar nicht mal so anders gelagerten „The Island“ von Michael Bay („Bad Boys“, „The Rock“) wiederfährt.


Fazit:
Klar, der Plot dürfte Herrn Simon Kinberg wohl auf dem stillen Örtchen eingefallen sein, Dramaturgie und Logik finden hier gar keine Beachtung und wer Realismus sucht, ist hier sowieso fehl am Platze (In einem amerikanischen Actionfilm? Muaharhar...). Dafür brennt Lee Tamahori ein astreines Actionfeuerwerk quasi nonstop ab, kann sich auf Ice Cube als Anti-Bond verlassen und geizt nicht mit einigen völlig übertriebenen und deswegen so witzigen Einlagen. Über einen Mangel an Schießer- und Prügeleien, sowie Zerstörungsorgien kann man sich jedenfalls nicht beschweren.
Schade nur, dass er im Finale es dann übertreiben musste. Abseits von Cube wird solide geschauspielert, die Klischees werden so oft bemüht, dass man es nur parodistisch gemeint haben kann und für den Rest sorgen die schicken Karren. Mit Sicherheit nicht jedermanns Geschmack, doch ich habe mich prächtig amüsiert. Ausnahmsweise gingen mir nicht einmal die Hiphop-Musik und die schwarzen „Gangster-Klischees“ auf den Zeiger. Brainless but also very entertaining!

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