Review

Hier ist sie,die x-te Lobhymne auf "Sin City", auf die keiner gewartet hat.

Was soll man noch zur Story dieses Films sagen, was nicht schon längst durchgekaut wurde? Was soll man noch erzählen über die Optik des Streifens, die mittlerweile totanalysiert ist? Und warum habe ich gerade die Handlung dieser Walze aus Sex und Gewalt vor ihrer Präsentation genannt?
Das dürfte wohl eine der wenigen Stellen sein, die noch nicht völlig ausgeschöpft sind, nämlich die Frage, wie bitte das Äußerliche über den Inhalt gestellt werden kann, einfach kaschiert, wo es nichts mehr zu erzählen gibt und stattdessen voll draufhält und uns die Sinne wegspült. Kann das schon einen guten Film ausmachen? Möglich. Aber einen sehr guten, ein Meisterwerk?

Hier scheiden sich die Geister. Einige verneinen die Optik als Qualitätskriterium kategorisch, sei es aus moralischen Gründen, die selbstzweckhaften Gewaltausbrüche betreffend, sei es des fehlenden Inhalts wegen. Andere hingegen lassen sich von der Wucht der Bilder und des Klangs vollständig hinwegreißen. Wieder andere sehen das Ganze skeptisch: Wucht, Eleganz, Stilsicherheit zugestanden; aber bleibt da nicht doch irgendwas, das fehlt, das diesen Film aus der Zukunft betrachtet doch nur in der Masse anderer Effektstreifen untergehen lässt? Obwohl "Sin City" aufgrund seiner Machart und Kompromisslosigkeit mit sonstigen Effektorgien nicht verglichen werden kann, drängt sich die Frage auf, was genau denn bitte so exzeptionell daran sein soll. Ein einziges Stilmittel, eine Besonderheit kann es nicht sein, denn die Zutaten dieses Films sind altbekannt, auch wenn sie hier teilweise noch akzentuierter auftreten als sonst.

Die überbordende Gewalt zum Beispiel, die kein Halten zu kennen scheint, ist gerade von Seiten des "Heroic Bloodshed"-Kinos Hongkongs wohlbekannt. Ihre kranken Spielarten sind in unzähligen Streifen östlicher wie westlicher Produktion noch weitaus deutlicher auf die Spitze getrieben worden, und zum Schlagwort "Sex sells" ist wohl nichts mehr zu sagen. Die Grundstimmung des Films sowie der optische Rahmen wurde in extrem gesteigerter, fast karikierender Form dem Film noir entnommen. Auch das überrascht niemanden, wurden die zugrunde liegenden Comics von Frank Miller doch genauso konzipiert. Suchen wir also weiter.
Ich sprach eben von "fast karikierend". Warum nur fast? Weil der Film (genau wie die Comics) das Kunststück fertigbringt, auch die überdrehteste Szene, das übelste Klischee und den ausgeleiertsten Spruch in allem Ernst zu übermitteln. Das Stichwort: Coolness. Häufig versucht, hier fast durchgehend erreicht; aber auch Coolness ist nicht das gewisse Extra, kennen wir sie doch in ähnlicher Formvollendung zum Beispiel aus dem Remake des 1960er "Ocean's Eleven", "Matrix" oder, wie ich meine, stellenweise sogar noch gesteigerter in "Cypher" (wenn auch nicht den ganzen Film hindurch).
Aber die vieldiskutierte Optik muss es doch reißen können: So etwas haben wir (allein wegen der technischen Möglichkeiten) noch nicht alle Tage gesehen, nein, in dieser konsequenten Durchführung, nämlich die Schauspieler ausschließlich vor dem Greenscreen agieren zu lassen, und dass noch in schwarz-weiß, gab es so noch nicht. Tatsächlich erzielt diese Technik den gewünschten Effekt, hebt die bereits genannten Charakteristika des Films glänzend hervor und verstärkt sie. Nur kann sie allein den Film nicht auf das filmische Niveau heben, auf dem ich ihn ansiedeln würde, ist also zur Klärung unserer Frage unzulänglich.

Kommen wir also, nachdem wir immer noch nicht fündig geworden sind, zur Story. Diese dient ganz offensichtlich nur einem Zweck, nämlich die eben genannten Aspekte möglichst dicht verwoben, möglichst weit getrieben zusammenzuhalten. Und hier sind wir am Ziel angekommen. Meiner Meinung nach, so simpel das jetzt auch klingen mag, liegt die Klasse von "Sin City" genau darin, die Elemente, die ihn auszeichnen, aber schon sattsam bekannt sind, in einer Weise zu kombinieren, die ihn gleichzeitig zu einer ununterbrochen unterhaltenden Wundertüte sowie zu einem Film mit "gefühlter Bedeutsamkeit" macht, die ja eigentlich jeder Grundlage entbehrt. Diese faszinierende und nie langweilig oder uninteressant werdende Mischung wird durch die Optik getragen, durch die Story jedoch erst möglich. So kommt es dazu, dass der zunächst als unbedeutendster von allen erscheinende Aspekt von "Sin City" diesem die Klasse verleiht, die man ihm zunächst höchstens unter Zögern attestieren würde.

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