Review

Moralisch fragwürdiges, aber technisch überzeugendes Spektakel

Manchmal ist es gut, Filme mit einem gewissen Abstand vom Erscheinungsdatum zu sehen. Was ist denn über diesen hier nicht alles schon gesagt worden, Gewaltverherrlichung beispielsweise, moralisch hart an der Grenze des Erträglichen, frauenverachtendes Menschenbild und und und...auf der anderen Seite wird die technische Brillanz gelobt, man feiert überschwenglich die Tricktechnik und die durch den völligen Verzicht von realen Schauplätzen niedrigen Kosten des Films. Da erhebt sich nun die Frage, wer den eigentlich recht hat. Ist es aber noch machbar, sich angesichts des Chores der Pro- und Contras noch wertungsfrei auf diesen Film einzulassen? Mediale Präsenz an allen Orten, vom völligen Verriß bis zum „Film des Jahrhunderts“ alles dabei, unmöglich, nicht vorher schon etwas darüber gehört zu haben. Doch bevor die Filmkritik zu einer Brandrede auf die Wirkung der Medien wird, entspannt man sich wieder, lehnt sich zurück und goutiert einen in der Tat außergewöhnlichen Streifen.

Regisseur Rodriguez, der viele Hochs, aber auch so manche Tiefpunkte des Films zu verantworten hat und selbst innerhalb eines Genres ( die Mariachi-Trilogie ) Meisterliches und Müll abgeliefert hat, nimmt sich der Comics von Frank Miller an und verfilmt diese, jedoch nicht in realen Bildern, sondern in einer Mischung aus echten Schauspielern und digitalem Hintergrundgeschehen – und dann noch bis auf Kleinigkeiten komplett in Schwarz/Weiß. Ein Abenteuer, sicher, doch das Wagnis hat sich zumindest hinsichtlich der Faszination Film gelohnt, denn die aus dem Rechner kommenden Bilder wirken spektakulär. Düsternis künstlich erzeugt, Regen ohne echtes Wasser, Berge ohne reale Steine – das hat man in dieser Qualität so vorher noch nicht gesehen. Die Schauspieler verschmelzen perfekt mit der nicht existierenden Umgebung, und wenn einmal etwas künstlich erscheint, wie zum Beispiel die Autofahrten, dann ist das so gewollt und eine Hommage an das Medium Comic. Man könnte beinahe meinen, den Film anhalten zu können, auf die „Drucken“-Taste des Rechners zu tippen und dann dadurch ein Buch in der Hand zu haben, so echt/unecht wirkt der Film. Für die Schauspieler sicher kein leichtes Unterfangen, aber alle Beteiligten geben ihr Bestes und lassen hier keine Kritik zu, zumal die Namen derer, die den Comic plastisch werden lassen, wirklich vom Feinsten sind. Willis, Rourke, Hauer, Alba...alle sind dabei und alle haben Spaß.

Doch die Technik darf die Handlung nicht obsolet machen, und genau an dieser scheiden sich die Geister, denn die drei Kurzgeschichten, die im Film locker miteinander verzahnt sind, strotzen nur so vor Gewalt, Blut, Machismo und morbidem Geschehen. Stets geht es um irgendeine Form von Rache oder gewalttätiger Konfrontation, und das mag über die ganze Länge des Films den Durchschnittsseher verstören, denn zimperlich ist man hier nicht. Da wird geköpft, entmannt, entbeint, gefoltert und häufig gestorben, Blut, auch wenn nur farblos, fließt reichlich. Fragwürdig ist das sicher, denn man ergötzt sich an simplen Rachegeschichten, in denen die Bösen das kriegen, was sie verdient haben – und nicht auf die Schnelle, und schon gar nicht schmerzlos. Aber es ist ein Comic, und Tom & Jerry beinhalten ebenfalls viel Gewalt, wenngleich unrealistischer als hier in „Sin City“. Mag sein, daß der Vergleich hinkt, doch dieser Film ist gemacht worden für ein erwachsenes Publikum, welches Gewalt ertragen kann – und muß. Doch jetzt die Keule auszupacken hieße ältere Filme zu vergessen, denn alles aus dem Oeuvre von Schwarzenegger, Stallone und Co. ist voll von Gewalttaten, aber ohne die Übertreibungen eines Roberto Rodriguez. Mutiges Kino ist zu sehen, gegen jede Konvention und Sehgewohnheit, gegen den Strich des sich immer mehr ausbreitenden PG-13 Ratings, und das gilt es auf alle Fälle zu unterstützen. Und wer das nicht will, kann ja den Kinosaal verlassen – die, die bleiben, sehen ein Stück Filmgeschichte, ungeachtet des medialen Vorgewitters. 10/10, weniger geht nicht.

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