Wie geil ist es jemanden zu töten? Macht es sogar noch etwas mehr Spaß, wenn das Opfer vorher richtig leidet? Oder kann man eigentlich, wenn man gerade vom Auto gerammt wird, hinterher immer noch genauso gut schießen und gleichzeitig fluchen?
Das sind die Themen, mit denen sich die Figuren in Sin City beschäftigen. Theoretisch geht es auch noch um einen Serienkiller und einen Cop samt Nebengeschichte. Aber sonderlich wichtig ist das nicht, denn Wert wird hier nur auf die Darstellung von Gewalt gelegt – alles in besonders coolen Bildern – und natürlich ohne moralischen Zeigefinger – Nietzsche lässt grüßen. Anfangs geht es gut und die comicartigen Bilder entfalten ihre Wirkung. Tatsächlich müsste man Regisseur Rodriguez für Sin City in den höchsten Tönen löben - wenn Sin City eine 30 Sekunden lange Werbung wäre.
Doch das Ganze ist ein knapp zwei Stunden langer Film geworden, nach 10 Minuten beginnt sich alles zu wiederholen – und es gibt überhaupt keine Aussage.
Stattdessen werden im Minutentakt Arme und Beine abgehackt, Leute zerschossen, mit Brecheisen erschlagen oder einfach nur zu Brei geschlagen. Wieso soll man sich eigentlich so etwas ansehen? Ist die Kunst wirklich so heruntergekommen?
Grundsätzlich kennt man diese Tendenz eher aus dem Theater – wenn gealterten Regisseure nur noch nackte Darsteller, Gewalt und obszöne Sprache zeigen (möglichst noch mit Tabubrüchen wie Sex in der Kirche oder ähnlichem). Kritiker nennen das Spermatheater. Sehen will das glücklicherweise kaum einer. Aber warum gibt’s das jetzt auch im Kino? Gibt es sonst keine Themen und Stoffe mehr, die Filmemacher reizen? Aber selbst wenn ... Ist es überhaupt neu Gewalt ohne Moral zu inszenieren und dabei auf coole Bilder zu setzen?
Nein, natürlich nicht. Den Fehler hat doch schon 1972 - also vor über 30 Jahren - Stanley Kubrick begangen. Mit Uhrwerk Orange hat er für viele den Film der 70er gedreht. Hauptfigur ist der pubertierende Alex (für den die Toten Hosen viel später den Song „Hey, hier kommt Alex“ schrieben). Für Kubrick war es ein Experiment. Doch die Folgen haben ihm schwer zu schaffen gemacht. Nach dem Film kam es in vielen Teilen der Welt (vor allem in London) zu Ritualmorden an Obdachlosen. Stets war alles so arrangiert, als wenn Alex und seine Gang die Tat begangen hätten.
Kubrick hat sich dafür sehr geschämt. Er hat daraufhin seine Verleihfirma gebeten, den Film nicht mehr in Englands Kino zu zeigen (da hat er gewohnt). Die Firma hat schließlich zugestimmt, weil Kubrick sich für die Zukunft an die Firma gebunden hat.
Man kann deshalb ruhig mal fragen was die Regisseure Robert Rodriguez und Frank Miller mit Sin City bezwecken? Eine erste Tat ist bereits in Berlin geschehen, da hat ein Kerl seine Freundin beim Sex getötet – einfach mal um zu wissen „wie das ist, wenn man jemanden umbringt“. Genau diese Lust feiert Sin City – nicht ein einziges Mal wird die Gewalt bereut oder ein anderer Ausweg gezeigt.
Es ist wirklich sehr traurig, dass so eine undifferenzierte Gewaltorgie von hochintelligenten Kritikern so überschwänglich gefeiert wird.
Denn das Resultat ist doch klar. Die Blöden – kriegen mit das ein paar Schlaue den Film toll finden. Dann glotzen sie sich dass an und sind froh, dass sie endlich mal alles verstanden haben. Und dann wollen sie das auch probieren. Weil prügeln können sie ja schon und das andere kriegen sie auch noch hin. Super! Da kann man sich ja nur freuen. Danke für diese Bereicherung der Gesellschaft.
Ganz abgesehen davon, dass der Film nicht nur Gewalt schön redet sondern nach langer Zeit auch mal wieder das Märchen von der tollen Prostitution erzählt. Hier gibt es keine Not, keinen Zwang, keine Hoffnungslosigkeit und auch nicht das Gefühl der Ausgestoßenheit.
Stattdessen sieht man coole und schöne Frauen, die selbstbewusst und waffengestählt ihr Los in die eigene Hand nehmen. - Mit der traurigen Realität hat das natürlich nichts zu tun – Aber warum wünschen die Regisseure Rodriguez und Miller einer Frau so ein Schicksal?
Doch kommen wir zum Schluss. Man kann versuchen all das zu vergessen und sich stattdessen einfach an den Bildern berauschen. Im Endeffekt also wie ein Musikkritiker der schreibt: Musik erstklassig, Text scheiße: Kaufen!
Aber warum sollte man diesen inhaltlichen Dreck veredeln? Es bleibt dabei. Der Film ist eine Riesensauerei, den man niemanden empfehlen kann. Ein Ärgernis!