Die Ultimative Comicverfilmung - Robert Rodriguez lässt Vorlagen-Schöpfer Frank Miller Co-Regie führen und darüber hinaus beteiligt sich auch Quentin Tarantino (was den nötigen Fankreis noch zusätzlich anlocken soll) an einer gewalttätigen, in sterilen Computerdeko-Bildern gehaltenen und vor Stats strotzenden schwermütigen Ballade über Killer, Huren, Menschenfresser, Sadisten und korrupten Politikern und Priestern - herausgekommen sein soll der beste Kinoknaller des Sommers 2005 (nicht zuletzt das Einspielergebnis der US-Amerikaner, leider ständiges Vorbild der Filmindustrie) - so zumindest die Werbung!
Diesmal hat sie Recht!
Was uns hier überrollt (und ich meine, was ich schreibe) ist tatsächlich der absolute visuelle und inszenatorische Overkill - und das, obwohl bis auf wenige Ausnahmen jegliche Farben aus dem Filmmaterial getilgt wurden, so dass man dem Irrtum anheimfallen kann, man betrachte einen waschechten Film-Noir aus den Anfängen des Filmschaffens.
Doch eins nach dem anderen.
"Sin City" ist eine Comicverfilmung und daher wurden ein Großteil der Bemühungen auf den Look des Films gelegt - in dieser Beziehung stimmt tatsächlich die Vorlage mit dem Ergebnis der rollenden Kameras 1:1 überein: Alles wirkt dreckig, der Moloch Großstadt erfüllt hervorragend seinen Zweck als Sündenpfuhl, die Bewohner sind allesamt korrupt, mörderisch veranlagt und rücksichtslos (zumindest die, auf die der Fokus der Handlung abzielt).
Die in drei Episoden aufgeteilte Handlung erzählt ruppig und ohne lange Erklärungen und unnötige Gimmicks die Geschichten des Ex-Polizisten Hartigan, des groben Killers Marv und dem Ex-Knacki Dwight, die allesamt ihre eigene Rechnung in Sin City zu begleichen haben.
Die Kamera folgt ihnen dabei rasant und bleibt stets am Punkt der Action, auch wenn diese mal innerhalb einer Toilettenschüssel stattfindet.
Und genau das ist es, was den Zuschauer gleich zu Beginn in den Bann zieht: Der Blick der Realität (soweit möglich) !
Man bekommt Verlierer erster Güte geboten, die die Gerechtigkeit in die eigene Hand nehmen und dabei keinerlei Rücksicht auf bestehende Gefüge oder Konventionen nehmen. Das beste Beispiel ist da noch Marv, der rücksichtslos foltert, tötet und schließlich sogar selbst die Höchsttrafe abbekommt - allerdings anders als von seinen Gegnern gewünscht!
Es geht um verkrachte Existenzen und anders als in den üblichen Comicverfilmungen (extrem krasse gegenteilige Beispiele sind da der überzogen schlechte "Batman Forever" als Lachnummer auf den düsteren Rächer oder der Rohrkrepierer "Fantastic Four") bekommen wir hier nicht den üblichen Kampf GUT gegen BÖSE abgeliefert, garniert mit netten Effekten und einem aufgesetzten Happy End, sondern Rodriguez und Miller lassen keinen Zweifel daran, dass es hier jedem Charakter schlecht gehen kann.
Wie immer geht unter der Bildsprache, natürlich, auch bei "Sin City" die Story unter und bereits zwei Stunden nach Ende des Films kann man sich kaum noch an die Details der gezeigten Tou de Force erinnern - im Gedächtnmis bleiben einem nur die faszinierenden Figuren. Die beiden Regisseure haben demnach erst jetzt, 2005, das Kunststück vollbracht, eine Comicverfilmung auf die Beine der Charaktere zu stellen, denn diese bleiben ernsthaft und nicht schablonenhaft. Um es mit Billy Cudrups Worten in "Almost Famous" auszudrücken:
"Alles ist so echt!"
Der Dank des Zuschauers gebührt daher hier nicht den Trickzauberern sondern den Darstellern, allen voran Mickey Rourke, der als Marv ein glänzendes Comeback schafft und es fertigbringt, den brutalen Killer als DIE Sympathiefigur des Films rüberzubringen, und das obwohl er für den Großteil an sehr graphischen, sadistischen und blutigen Szenen verantwortlich ist!
Die hochgelobte Jessica Alba hat außer ihrer Präsenz wirklich gar nichts zu bieten, während Rosario Dawson nach ihrem kläglichen Auftritt in Oliver Stones "Alexander" hier eine wahnsinnig cool-sexy Performance als Rachenutte liefert!
Bruce Willis als "alter Mann" (trotz erneutem Toupet sehr glaubhaft), Clive Owens gestylter Schlichter eines Bandenkrieges und Nick Stahls Doppelrolle als miser Sadist sind neben Elijah Woods Anti-Frodo (ein wirklich wiederlicher Auftritt) die Höhepunkte des stylischen Sommer-Hits. Daneben sieht man auch noch das ein oder andere bekannte Gesicht (auch mal als Trophäe an der Wand...).
Als Fazit lässt sich sagen, Robert Rodriguez hat es immer noch drauf, schnell auf den Punkt zu kommen und das Ganze abgeschmeckt mit massig Gewalt (sicher neben der Popularität der Comics auch der Grund, warum die Amis so auf den Film abgefahren sind) und Hollywood-Stars bis in die Nebenrollen bieten eine zweistündige, visuelle Achterbahnfahrt ohne Zeit zum Atem holen - der Witz der Sache ist dabei natürlich das beinahe komplette Fehlen von Farbe!!!