Review

In Sin City wimmelt es nur so von Mördern, Sadisten, Nutten und Verbrechern.
Wenn man die richtige Straße in Sin City runtergeht, kann man alles finden. Nur was genau?

Drei Episoden
„Sin City“ ist, ähnlich wie damals „Pulp Fiction“, in mehrere eigenständige Handlungsstränge aufgeteilt worden, in drei, um genau zu sein. Diese ergeben sich aus den Frank Miller Comics „Dieser feige Bastard“, „Das große Sterben“ und „The Hard Goodbye“. In Geschichte Nummer 1 rettet der herzkranke, aufrechte, aber desillusionierte und kurz vor der Pensionierung stehende Bulle John Hartigan (Bruce Willis) die elfjährige Nancy Callahan vor dem pädophilen Senatorensohn Roark Jr. Doch dieser will sich an ihm rächen und Nancy acht Jahre später ein zweites Mal entführen. Plot 2 dreht sich um das Rotlichtgewerbe, in dem die leichten Mädchen von einem brutalen Cop (Benicio del Toro) bedroht werden und Dwight Cole (Clive Owen) ihn davon abzuhalten versucht und dadurch in einen Strudel aus Problemen und Gewalt gerät. Handlung Nummer 3 begleitet den grobschlächtigen, leicht wahnsinnigen Marv, der den Mord an seiner geliebten Goldie rächen will und dabei allerlei Leute aus dem Weg räumen muss.

Blutrote Alpträume in Schwarz-Weiß
„Sin City“ wurde aus vielen Gründen gehypt. Da war zum einen die revolutionäre Technik, den Film wie ein Comic nur in schwarz-weiß spielen zu lassen, nur unterbrochen von einzelnen Farbtupfern. Zum anderen sollte er das Maß an grafischer Gewalt sowie den Blutgehalt im Kino in neue Höhen treiben. Alle, die sich schon seit Monaten auf den Film freuen, werden auch genau das bekommen. Die Optik ist so detailreich und verspielt, gleichzeitig aber so messerscharf und klar, dass man sich vollkommen in ihr verliert.
Dass die Schauspieler nicht in diesen Genuss gekommen sind und die ganze Zeit vor Blue-Screen agieren mussten, ist umso erstaunlicher, wenn man sich das abschließende Ergebnis ansieht. Es wirkt, als wären all dies aufgebaute Sets gewesen, in denen sich die Akteure bewegen, so realistisch verrichten sie ihre Arbeit. Vor allem Bruce Willis als Hartigan und Mickey Rourke als Marv sind aus der illustren Riege der Schauspielprominenz hervorzuheben. Sie schaffen es sogar, ihre Figuren für den Zuschauer sympathisch zu machen, obwohl das, ob ihrer Taten, moralisch bedenklich ist. Zu ebendiesen Taten kommen wir jetzt.
Man sollte alles vergessen, was man bisher im Actionkino als brutal angesehen hat, „Sin City“ übertrifft es schlicht und ergreifend um ein Vielfaches. So viel, so gewalttätig und so explizit wie hier geschlitzt, geschlagen oder geschossen wird, gab es in dieser Form bisher nicht im Mainstreamkino. Da werden Köpfe abgetrennt, Pfeile durch Augen geschossen, Menschen blutig mit Kugeln durchsiebt oder durch Folter gequält und dann zynisch hingerichtet. Starker Tobak selbst für hartgesottene Filmfans und vielleicht zu viel des Bösen, das den ein oder anderen zartbesaiteteren Zuschauer zum Verlassen des Saales zwingen wird. Wäre all das im normalen Stil gedreht worden, wäre „Sin City“ vermutlich ein Kandidat für eine Indizierung, von Zensurauflagen ganz zu schweigen. So kann man es als eine originalgetreue Umsetzung der Miller`schen Comics werten, die nichts beschönigt oder weichspült. Und das ist allemal ehrlicher als eine heruntergekurbelte Version für Kinder, denn dann würde mit der Gewalt auch das Flair und all die Dinge verschwinden, die man an „Sin City“ schätzt. Das sind unter anderem die vor Zynismus triefenden und zutiefst sarkastischen Monologe der Protagonisten, die dieselbe Hoffnungslosigkeit auf das Publikum übertragen, die der (Anti-)Held verspürt. Bei allem düsteren Szenario macht es durchaus Spass, den Charakteren auf ihren trostlosen und gefährlichen Odysseen zu folgen, denn bei aller Unmenschlichkeit sind es doch sie, an die man sich in dieser Stadt wenden würde.


Genie und Wahnsinn im Duett
Frank Miller, das Gehirn hinter Sin City, hat sich lange geweigert, Hollywood sein Baby anzuvertrauen. „Die machen daraus doch nur einen Film mit Happy End!“. Er hätte es wohl auch nie getan, wenn sich nicht Robert Rodriguez („From Dusk till Dawn“, „Spy Kids“) der Sache angenommen hätte. Der Regieexot brachte die Begeisterung und Fähigkeiten mit, die es brauchte, um Miller`s Zweifel auszuräumen. So kam das Projekt ins Rollen und das Duo Miller/Rodriguez (und für eine Szene auch Quentin Tarantino) machte sich daran, die Hardboiled-Comics originalgetreu zu verfilmen. Das haben sie so sehr beherzigt, dass das Ergebnis derart ausgefallen und superb geworden ist, dass man „Sin City“ ungern zu der mittlerweile unübersichtlich gewordenen Reihe der „Comicverfilmungen“ zählen möchte. Dafür ist die Stadt der Sünde einfach zu einzigartig, zu brutal und ganz einfach zu gut.

Dialoghighlight: "Zeit, deinen Freunden zu beweisen, dass Du einen Dreck wert bist."

Insgesamt 9 von 10 abgetrennten Gliedmaßen

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