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Neben „Hulk“ dürfte „Sin City“ wohl eines der wenigen Werke sein, die sich nicht nur Comicverfilmung, sondern auch Filmcomic nennen dürfen – und im Gegensatz zu dem Ang Lee Film ist diese Frank Miller Adaption durchweg unterhaltsam.
Hier gibt es allerdings nicht eine Story, sondern gleich drei. Der erste Strang dreht sich um Marv (Mickey Rourke), einen heruntergekommenen Schläger, der fast nichts mehr zu verlieren hat. Auch das verliert er noch, als eine befreundete Prostituiere umgebracht wird und man ihm den Mord anhängen will. Er macht sich auf die Suche nach den Tätern. Starker Tobak, doch so geht es auch mit den anderen Storys weiter.
Dwight (Clive Owen) verfolgt an sich nur den Kriminellen Jackie (Benicio del Toro), weil dieser die Prostituierte Shellie (Brittany Murphy) bedroht. Doch Jackie Boy zieht mit seiner Truppe ins Viertel der Prostituierten, um dort einen Krieg anzuzetteln, in dessen Verlauf sämtliche Prostituierte von der Staatsgewalt getötet werden sollen. Dwight macht sich daran, das Schlimmste zu verhindern, doch die Zeit wird knapp.

Die dritte Geschichte, die zu Beginn des Films kurz angerissen, aber als letzte erzählt wird, dreht sich um den gealterten Cop Hartigan (Bruce Willis), der seine Auffassung von Recht und Gesetz knallhart durchsetzt. Er jagt einen Schänder, den gelben Bastard, und ist entschlossen ihn zur Strecke zu bringen – doch dieser hat es auf Nancy (Jessica Alba), eine Freundin Hartigans´, die für ihn wie eine Tochter ist, abgesehen.
„Sin City“ ist derbes Comickino, doch nichts für Zartbesaitete. Die Storys sind allesamt wenig komplex, wobei die zweite Episode noch eine etwas ausgefeiltere Handlung hat, während Nr. 1 und 3 klassische, geradlinige Rächerstorys abgeben, bei denen allenfalls die Identität einiger Verschwörer leicht überrascht. Die Storys sind weitestgehend unabhängig, kreuzen sich aber immerhin gelegentlich. In sich ist jede Geschichte auch recht kurzweilig und längenfrei (was auch an der Kürze liegt), aber leider zerstört diese Zerfaserung einen konsequenten Spannungsbogen. Nach jeder Geschichte wird der Zuschauer erstmal wieder rausgerissen, was leider etwas zu Lasten der Atmosphäre geht.
Die Atmosphäre hingegen ist jedoch sehr gelungen und erzeugt eine sehr pessimistische Stimmung: In Basin City, genannt Sin City, gibt es keine echten Helden, fast nur schlechte und weniger schlechte Menschen. Auch die Hauptpersonen der einzelnen Geschichten sind keine wahren Helden: Marv schlägt und tötet mit Freude, Dwight ist sarkastisch und hinterhältig und selbst Cop Hartigan ist noch eine Spur härter als Dirty Harry und schießt einem Vergewaltiger kaltblütig in die Genitalien. Diese erfrischend zynische Haltung findet sich in nahezu jeder Figur wieder.

Optisch gestaltet Regisseur Robert Rodriguez den Film auch sehr comichaft: Komplett vor dem Greenscreen gedreht, die Kulisse entstammt aus dem Computer. Die Bilder sind fast durchgängig schwarzweiß, nur gelegentlich zeigt Rodriguez etwas Farbe (z.B. das Gelb des gelben Bastardes oder rotes Blut). Kameraführung und Einstellungen erinnern optisch auch stets an einen Comic, sodass man „Sin City“ auch optisch eine extreme Werktreue attestieren kann.
Bei einem derartigen Plotkonstrukt geht es natürlich auch gelegentlich mal zur Sache, auch wenn man natürlich auf handgemachte Action verzichten muss. Doch für mit Tricks erstellte Actionszenen kommen die Auseinandersetzungen und Verfolgungsjagden immer noch recht spektakulär daher. Dabei geht es derbe zur Sache, wobei die Gewalt meist graphisch nicht so besonders hart ist (das Meiste ist eh in schwarz-weiß), sondern dieser Eindruck eher durch die Offkommentare entsteht (z.B. ein „I love hitmen. Whatever you do to them, you never feel bad!“ unterstreicht die Szene, in der Marv zwei Attentäter auseinandernimmt).

Die erwähnten Offkommentare geleiten den Zuschauer auch durch die verschiedenen Handlungen und illustrieren die Gefühle der Figuren. Zudem wird der Großteil des grimmigen Humors von „Sin City“ auch über die Offkommentare vermittelt, die ebenso mitleidslos und zynisch wie die Handlungen der Figuren sind. Das ist natürlich nichts für Zartbesaitete, zumal „Sin City“ mit seinen (teilweise etwas unmotivierten) Nacktszenen und den simplen Rachestory stellenweise doch recht primitiv daherkommt. Andrerseits wirkt dies erfrischend ehrlich inmitten des oft ziemlich weichgespülten Hollywoodkinos, auch wenn Frank Miller (der Autor der Comics) es teilweise mit kranken Ideen (z.B. hakenkreuzförmige Ninjasterne) etwas übertreibt.
Darstellerisch ist „Sin City“ jedoch vom Feinsten. Mickey Rourke hätte ich eine dermaßen coole Performance gar nicht mehr zugetraut, Clive Owen ist herrlich sarkastisch und Bruce Willis versteht es seiner Rächerfigur auch Gefühle einzuhauchen. Auch der Rest der Riege ist ganz stark, selbst wenn einige gegen ihr Image anspielen (Josh Hartnett als eine etwas andere Form von Ladykiller als sonst oder Elijah Wood als Kannibale). Es gibt kleine Ausnahmen, z.B. wirkt Benicio del Toro etwas klischeehaft, aber ansonsten passen die Schauspieler allesamt großartig zu ihren Rollen.

Unterm Strich bleibt erfrischend derbes Comickino, das nicht allzu viele große Längen hat. Ein durchgehender Spannungsbogen fehlt dem Film aufgrund der Episodenstruktur leider und computeranimierte Action, selbst wenn sie so großartig wie hier in Szene gesetzt wurde, kann es nicht mit handgemachter aufnehmen, doch gutes Unterhaltungskino mit viel Stil ist hier trotzdem herausgekommen.

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