Ein französischer Thriller? Hm, in letzter Zeit gab es da einiges, dass - entgegen der drögen Remake-Welle aus Hollywood - durch Innovation, Atmosphäre und großartiger Inszenierung aufzufallen wusste. Als Beispiel möchte ich einmal an "Die purpurnen Flüsse" erinnern.
Warum? Weil "Das Imperium der Wölfe" zwei Gemeinsamkeiten mit dem gerade genannten Thriller hat: Das Drehbuch entstand ebenfalls aus einer Romanvorlage von Jean-Christophe Grangé, und wie "Die purpurnen Flüsse" finden wir Jean Reno als (diesmal allerdings zwangspensionierten und etwas zwielichtigeren) Polizisten wieder.
Ein Abklatsch also?
Mitnichten!
Regisseur Chris Nahon (welcher beispielsweise für "Kiss of the Dragon" verantwortlich war) realisierte hier einen düsteren, abgefuckten Crime-Thriller, der - trotz einiger erkennbarer Gemeinsamkeiten mit Mathieu Kassovitz' Werk - sowohl thematisch, als auch vom Szenario her seine eigene Stimmung zu vermitteln weiß. Robert Harris meets Noir sozusagen.
Die Story in Kürze, ohne zuviel zu spoilern:
An für sich geht es um zwei getrennte Handlungsstränge, die im Laufe des Filmes zusammengewoben werden: Der eine dreht sich um Anna (Arly Jover, bekannt z. B. aus "Blade"), einer Ehefrau, welche seit kurzem unter einer Art der Amnesie zu leiden scheint, die vor allem Erinnerungen ihren Mann betreffend ausgelöscht hat. Dieser ist hingegen sehr bemüht, seine Frau zum Neurologen zu schicken, aus augenscheinlicher Angst um den psychischen Gesundheitszustand seiner Gattin heraus. Aber ist ihr Ehemann wirklich ihr Mann? Ist das wirklich ihr Leben?
Auf der anderen Seite der Geschichte finden sich zwei Polizisten, die einen Serienmord aufzudecken versuchen. Der eine ist der den ganzen Film über leicht farblose Paul Nerteaux (Jocelyn Quivrin), und beim anderen handelt es sich um den zwangspensionierten Polizisten Schiffer (auch "Chiffre" oder "Der Eiserne" genannt), den - aufgrund seiner Kenntnisse über die Unterwelt und das türkische Viertel Paris' - Nerteaux für die Aufklärung des Falles zumindest noch zu Anfang für unverzichtbar hält.
Im Laufe des Films werden die beiden Storyfäden dann genregemäss Stück für Stück zusammengeführt.
Darsteller:
Vor allem die drei Hauptdarsteller (Reno, Jover und Quivrin) liefern hier eine tolle Performance ab, auch wenn die Rolle des Nerteaux ein wenig schablonenhaft geraten ist. Trotzdem merkt man den dreien ihre Spielfreude an, auch wenn es sicherlich nicht einfach war, im Schatten eines Reno' nicht wie ein Abziehbild zu wirken. Die Frau Jover spielt ihre Rolle glaubwürdig ohne in Klischees abzugleiten - da scheint man ihr die Thriller- und Action-Routine anzumerken. Unbestrittener Chef des Sets ist jedoch ohne Frage Jean Reno: Seine Rolle als Schiffer, den korrupten, brutalen und rücksichtslosen Polizisten, füllt er zu 100% aus und spielt dabei den gesamten Cast mehr oder weniger an die Wand.
Die Nebenrollen sind gut besetzt und gespielt, jedoch ließ das "relativ gut gefüllte" Drehbuch nicht wirklich zu, dass auch die Hintergründe und Motive der Nebendarsteller etwas besser durchleuchtet werden. Trotzdem spielen die Nebenrollen dem Plot ordentlich in die Hände, ohne fremd, störend oder deplatziert zu wirken, und machen alles in allem einen ordentlichen Job.
Kamera/Optik:
Im großen und ganzen über alle Zweifel erhaben. Es ist durchaus gelungen, ein depremierendes Bild der Stadt Paris zu zeichnen. Dauernd regnet es, die meisten Szenen spielen des Nachts, überall Graffiti, Neon-Lichter, brennende Tonnen und die Obdachlosen, die sich am Feuer wärmen. Die Stadt wirkt schmuddelig und ungastlich, was der Stimmung nur zuträglich ist und den oben erwähnten "Noir"-Flair mitträgt. Ein Manko ist meiner Meinung nach allerdings die bei Actionsszenen stellenweise sehr verwackelte Kamera.
Auch wenn ich der Meinung bin, dass ein wenig Gewackel durchaus die hektische Stimmung unterstreichen kann, so denke ich aber ebenfalls, dass der übermäßige Einsatz dieses Stilmittel sehr schnell das Gegenteil zur Folge haben kann: Kein Mensch kann mehr etwas erkennen (speziell Nachts), und neigt dazu, nicht mehr hinzusehen. Zum Glück halten sich die Wackel-Momente in Grenzen, und sind bei weitem noch nicht so schlimm ausgeartet wie bei Konsorten wie z. B. der "Bourne Verschwörung".
Der Soundtrack ist überdurchschnittlich, wenngleich vielleicht auch kein Meisterwerk. Leicht esotherisch angehauchte Klänge vermischen sich mit Tribals, der harte, türkische Hip-Hop bringt das Bein automatisch zum Wippen und den Kopf zum Mitnicken, an anderer Stelle folgen wieder lange Momente ohne Musikuntermalung, die die abweisende und perspektivenlose Atmosphäre des Streifens untermalen. Alles in allem ein ordentliches Stück Soundtrack, dass dem Film hier spendiert wurde, ohne Ausfälle oder Kitsch.
Ok, wo liegt dann das Problem?
Das Problem liegt einerseits in der Vorlage, andererseits in der Konvertierung desselben zu einem Drehbuch. Die Bücher von Grangé sind bekannt für ihre komplexen Storywendungen und dafür, dass man bis zum Schluß kaum den Durchblick bekommt, genauso, wie sie für ihre Spannung bekannt sind. Der Film hat eine Laufzeit von etwas über 2 Stunden, aber das ist bei weitem zu kurz, um auch nur ansatzweise auf alle Aspekte des Buches einzugehen.
So bleiben (wie übrigens auch bei "Die Purpurnen Flüsse") am Ende einige Storyfäden offen oder werden im Minutentakt auf unbefriedigende Weise abgehandelt. Die Story wirkt an manchen Stellen doch etwas konstruiert, wenn ein Zufall den anderen jagt und mit dem ein oder anderen Logikfehler muss man wohl leben. War es eben noch ein Serienmörder, so ist es im nächsten Augenblick eine Regierungsverschwörung. War es zuvor noch eine illegale Einwanderin, so ist sie jetzt eine gesuchte Terroristin. Viele Dinge wirken an den Haaren herbeigezogen, um der Story auf Teufel komm raus noch ein paar Wendungen zu spendieren.
Das ist sehr schade, denn ansonsten würden die restlichen Zutaten durchaus passen und einen schmackhaft-spannenden Mix ergeben. Nicht falsch verstehen: Der Mix ist bereits ziemlich lecker, und ganz so verworren wie bei "Die Purpurnen Flüsse" ist die Story auch nicht, jedoch hat man wieder das Gefühl, dass etwas weniger "mehr" hätte sein können.
Fazit:
Überdurchschnittlicher Psycho-Thriller mit einem hochkarätigem Jean Reno. Alleine seine Performance würde ausreichen, um den Film zu sehen. Für Fans des Genres eine Pflichtveranstaltung, für Jean Reno - Anbieter ebenfalls, und für den ganzen Rest ein spannender, moderner Thriller mit leichter Überlänge und einer ungewöhnlichen Story.
7 von 10 Punkten, aufgrund der leichten Längen im ersten Teil des Films, und der teilweise zu ausufernden Story.