Titel bis zum Schwachsinn verunstaltet
Habe ich mich in meinen bisherigen Rezensionen zu diversen Gialli bisher oftmals schon etwas spöttisch ob der angestrebten Sensationsgeilheit deutscher Titel gezeigt, so schießt „Frauen bis zum Wahnsinn gequält" doch fast den Vogel ab. Wer hier Exploitation in Richtung Frauengefängnisfilm oder Foltereinlagen wie in den Hexenjägerfilmen der späten Sechziger und Siebziger erwartet, wird schwer enttäuscht werden. „Le foto proibite di una signora per bene" ließe sich wohl em ehesten mit „Die verbotenen Fotos einer guten Frau" übersetzen und das trifft es dann auch ziemlich genau.
Der erste von Luciano Ercolis insgesamt drei spanisch-italienischen Gialli erweist sich inhaltlich als Mischung aus Thriller und Psychodrama, das uns mit der Hauptfigur Minou, gespielt von Dagmar Lassander, in ein recht spannendes Verwirrspiel schickt. In dessen Mittelpunkt steht nun die wegen ihrer liebreizenden Gestalt und ihres guten Herzens von allen Seiten fremdgesteuerte Frau und droht an ihrer Situation zu zerbrechen, bis sich zum Schluss mit einem Plottwist alles auflöst und Minou anscheinend überraschend unbeschadet aus der Sache hervorgeht, wenn man die Abgründigkeit der Geschehnisse betrachtet. Dann sucht man sich halt was Neues...
Dabei findet Ercoli eine sehr eigenständige Machart, die zwar die Genrestandards eines klassischen Giallos bedient, aber in einzelnen Momenten wirklich glänzen kann. Einige Szenenbilder sind atemberaubend, besonders wenn man bedenkt, dass man auf real existierende Orte zurückgegriffen hat. Der erste Überfall auf Minou am Hafen beeindruckt bildlich mit der Archtitektur, die der Spanier Allejandro Ulloa wunderbar einfängt und die Perspektive und das Spiel mit Licht und Farbe ergeben so einen fast surrealen Anschein, der der erzählten Geschichte dann eine wesentlich größere Eleganz verleiht, als sie es auf dem Papier hergeben könnte.
Die Schauspieler machen ihre Sache hier wirklich gut, allem voran Dagmar Lassander, die Minou treffend als etwas naive aber doch willensstarke Person darstellt, mit der man als Zuschauer tatsächlich mitfühlen kann. Nieves Navarro, hier als Susan Scott, als übererotische Freundin der Hauptfigur ergänzt dann den Sleazeanteil, den sich Ercoli insgesamt auf der bildlichen Ebene dankbarer Weise überwiegend verkneift, wodurch der Film nie in das Segment billiger Sexploitation abzudriften droht, wie es ja sonst in einem Giallo gerne mal passiert. Pier Paolo Capponi, mir bekannt aus Lenzis zwei Jahre später erschienenen „Das Rätsel des silbernen Halbmonds" und vor allem Simón Andreu als männliche Hauptfiguren erledigen ihre Aufgabe auch anständig, ohne dass sie sich verausgaben würden.
Osvaldo Genazzani als zuständiger Ermittler macht mit der Bartfrisur optisch schon viel her und erweist sich innerhalb der Handlung vielleicht nicht unbedingt als Sicherheitsanker für die Hauptfigur und das mitgehende Publikum, behält dann aber letzten Endes doch die Oberhand und geht als Gewinner vom Feld. Für einen Giallo verhält sich die Polizei hier also verhältnismäßig kompetent und wird gemeinsam mit dem Zuschauer hinters Licht geführt, womit der Film auch nachvollziehbarer ist als so mancher Genrekollege.
Ennio Morricones Arbeit ist einmal mehr über jeden Zweifel erhaben, findet aber kein markantes Thema, das sich als Ohrwurm anbieten würde. Die Musik konzentriert sich hier mehr auf das Unterstützen als das Herstellen der Atmosphäre und hält sich vornehm zurück, was angesichts der guten Kameraarbeit und Regie auch der richtige Weg ist, denn so funktioniert der Film auf der ästhetischen Gesamtebene durchgehend sehr gut.
Fazit
Luciano Ercoli ist mit „Le foto proibite di una signora per bene" ein spannendes Psycho-Sex-Drama gelungen, das auf allen Ebenen den Ansprüchen des Italo-Connaisseurs genügen dürfte und besonders optisch ein Genuss ist. Der Plot wird kohärent dargeboten, die Schauspieler verdienen auch die Berufsbezeichnung und Ennio Morricone hüllt den Film in ein erwartbar angemessenes Klangkleid. Somit ist „Frauen bis zum Wahnsinn gequält" ein deutlich besserer Film als der deutsche Titel erwarten lässt.
Die Kehrseite könnte in einem Erwartungsbruch liegen, wenn der Liebhaber klassischer Gialli mit deutlich weniger Sleaze und besonders deutlich weniger Blut und körperlicher Zerstörung auskommen muss. Hier erschließt sich Ercoli mit diesem frühen Giallo einen eigenen Zugang zum Italo-Thrill, was mit Blick auf das Jahr 1970 auch weniger verwundert, denn die Blaupause für das Subgenre mag zwar vielleicht mit Bavas „Blutige Seide" bereits 1964 gelegt worden sein. Aber das Herausarbeiten zentraler Elemente des Subgenres fand erst durch ihre stetige Wiederholung ab 1970 statt.
Insofern ist der Fokus auf die Situation seiner Hauptfigur eine große Stärke des Films und ich halte ihn für eine klare Empfehlung für Interessierte am italienischen Kino, wenngleich der Film über Strecken eher ruhig und konzentriert abläuft und dem Zuschauer dementsprechend viel Aufmerksamkeit abverlangt, ohne ihn mit großen Überraschungen oder intensiven Spannungsszenen zu belohnen. Die Optik ist stellenweise jedoch ein Genuss.