„Keine Anzüglichkeiten! Das ist ein Befehl!“
Italo-Regisseur Luciano Ercolis („Killer Cop“) Spielfilm-Debüt ist der 1970 erschienene Giallo „Le foto proibite di una signora per bene“, in Deutschland unpassend reißerisch als „Frauen bis zum Wahnsinn gequält“ vermarktet. Das Drehbuch stammt aus der Feder Ernesto Gastaldis, der für manch Italo- bzw. Giallo-Klassiker das Skript lieferte. Als Co-Autor fungierte Mahnahén Velasco.
Die junge und attraktive, aber psychisch etwas labile Minou (Dagmar Lassander, „Straßenbekanntschaften auf St. Pauli“) wird eines Nachts von einem finsteren Gesellen (Simón Andreu, „Beyond Re-Animator“) auf der Straße bedroht. Doch statt sie zu vergewaltigen, wie zunächst befürchtet, eröffnet er ihr, dass ihr Mann Peter (Pier Paolo Capponi, „Note 7 - Die Jungen der Gewalt“) einen Mord begangen habe. Er lässt von ihr ab, meldet sich zu einem späteren Zeitpunkt jedoch telefonisch und erpresst sie mit einem verräterischen Tonband, auf dem tatsächlich Peters Stimme zu hören ist und ihn mit einem Mord in Verbindung bringt. Statt Geld verlangt der Erpresser von Minou, dass sie sich ihm sexuell hingibt. Doch auch nach dem Schäferstündchen nimmt der Terror kein Ende, denn nun erpresst er sie mit heimlich geschossenen Fotos des Geschlechtsakts. Zur Seite steht ihr ihre beste Freundin Dominique (Nieves Navarro, „Nackt unter Kannibalen“), in deren Sammlung erotischer Fotografien sie ein Bild des Erpressers entdeckt. Doch kaum jemand schenkt ihr Glauben…
„Wahrscheinlich ist das Ganze nur ein Scherz gewesen!“
Zu Maestro Ennio Morricones Titelmelodie räkelt sich Lassander in der Badewanne und sinniert darüber, das Rauchen und den Alkohol aufzugeben sowie ihren geliebten Mann Peter eifersüchtig zu machen, um ihn anschließend zu überraschen. Ihre Gedanken werden aus dem Off gesprochen und bereits diese Szene besticht durch ihre stilvolle Bildästhetik und ihre Erotik. Ihr Zuhause entpuppt sich als fast schon unwirkliche, durchgestylte Wohnung, was wenig verwunderlich ist, denn wie so viele Gialli wurde auch dieser in der Welt der Wohlhabenden und Schönen angesiedelt. Die Begegnung mit dem Erpresser fügt der Idylle starke Risse zu und wirkt sich ungut auf ihren psychischen Zustand aus. Als sie mit einer schlimmen blonden Lockenperücke tanzen geht, trifft sie ihre Freundin Dominique und erfährt vom Selbstmord einen Finanziers. Dominique, der sie sich anvertraut, ist quasi das genaue Gegenteil Minous: Eine abenteuerlustige, selbstbewusste Frau, die Minou erotische Fotos von sich sowie pornographische Aufnahmen zeigt.
„Ich ließe mich gern mal vergewaltigen!“
Nachdem es zur verhängnisvollen Nacht mit dem Erpresser gekommen ist, erhält sie zwar das Tonband, wird kurz darauf jedoch auch mit den kompromittierenden Fotoabzügen konfrontiert. Zu dissonanter Musik mischen sich Bilder des Sex mit dem Unbekannten in ihre Träume; die sensible, ängstliche Minou trägt schwer an dieser Last. Der Fiesling geht gar noch weiter, setzt sich in ihre Wohnung und bezeichnet sie als seine Sklavin. Ferner eröffnet er ihr, dass ihr Peter gar niemanden umgebracht, sondern dass er lediglich dessen Stimme auf dem Tonband imitiert habe. Und zu allem Überfluss vergnügt sich Dominique derweil mit niemand Geringerem als Peter. Spielt sie ein falsches Spiel?
„Wir haben doch alle unsere kleinen Geheimnisse…“
Das verrät ihr die ein raffiniertes Kleid tragende Dominique natürlich nicht, bietet aber ihre Hilfe an: Sie will Minou finanziell unterstützen, damit diese für 20.000 Lire die Negativen kaufen könne. Minou gesteht Peter, was geschehen ist, welcher daraufhin mit einem Kommissar die Wohnung des Erpressers aufsucht. Diese jedoch scheint seit Monaten leerzustehen. Hat sich Minou alles nur eingebildet? Immerhin schluckt sie ständig irgendwelche Pillen und droht, in die Medikamentenabhängigkeit abzurutschen.
„Jeder hat seinen Preis – auch ein Verrückter!“
Es wird düster: Ein Unwetter bricht herein und jemand scheint in die Wohnung eingedrungen zu sein, doch es handelt sich lediglich um das gemeinsame Haustier, die Schildkröte (!). Doch durch die Fensterfront grinst der Erpresser Minou plötzlich diabolisch an! Kurz darauf ruft er sie an und erinnert sie an seine Drei-Tages-Frist. Dominique indes verhält sich immer verdächtiger: Sie tut so, als habe sie Minou nie Pornobilder des Täters gegeben und in der Tat findet Minou das Bild einfach nicht mehr wieder. Aber es wird noch unheimlicher: Als Peter zu einer Besprechung fährt, erscheint Dominique maskiert auf der Bildfläche. Die Point-of-View-Perspektive offenbart, dass jemand durchs Haus schleicht. Die Lage eskaliert: Der Erpresser ist da und greift Minou an! Da kommt Peter nach Hause…
Die finalen Wendungen und Pointen á la Gastaldi behalte ich für mich, um niemandem den Spaß an diesem edlen Hochglanz-Giallo zu verderben, der über weite Strecken gänzlich ohne herbe Ausbrüche physischer Gewalt auskommt und stattdessen in schöner Psycho-Thriller-Tradition steht, wenn die erbarmenswerte Minou in den Wahnsinn getrieben werden soll und dem Zuschauer stets ein Informationsvorsprung einem oder mehreren Charakteren gegenüber gewährt wird, der die Geschehnisse in bester Krimi-Manier trotz bekanntem Täter jedoch nur noch rätselhafter macht, sich am Schluss aber zu einem stimmigen Puzzle gekonnt zusammensetzt. Ein weiterer mitentscheidender Teil des Fundaments, auf dem „Frauen bis zum Wahnsinn gequält“ felsenfest steht, ist der Erotik-Anteil, den die Damen Lassander und Navarro einbringen, ohne jemals ins Schmierige abzudriften. Der Kontrast zwischen beiden Rollen erzeugt zudem eine knisternde Spannung. Wer von beiden die größere Augenweide ist, muss jeder mit sich selbst ausmachen, aber die gute und zweifelsohne stets attraktive Dagmar habe ich selten derart hübsch wie hier gesehen. Mit ihrer tragischen Rolle appelliert sie zudem verstärkt an den männlichen Beschützerinstinkt, während die Herren der Schöpfung allerdings schlucken müssen, hier nicht sonderlich gut wegzukommen (und auch schauspielerisch sowie ihre Präsenz betreffend die untergeordnete Rolle spielen) – wie die ganze aufpolierte Scheinwelt, in der der Film spielt, die unter der schönen Fassade manch tödliche Intrige und persönlichen Abgrund bereithält. Im Prinzip ist Ercolis in Spanien gedrehtes und produziertes Werk eine Respektbekundung an freche Frauen voller Selbstvertrauen, die wissen, wie sie in derartigen Haifischen nicht nur überleben, sondern auch das bekommen, was sie wollen. Dafür benötigt Ercoli kein hohes Tempo, im Gegenteil: Gerade die eher gemächlichere Erzählweise sorgt für Nervenkitzel und Spannung. Etwas irritierend wirkt das ostentative Happy End und dass der Tod ihres Liebhabers eine gewisse Dame kaum zu kratzen scheint – was jedoch auch als Indiz für die Abgebrühtheit jener Klientel gedeutet werden kann. Ein sinnliches, vielleicht gemessen an anderen Genrevertretern etwas unspektakuläres Vergnügen längst vergangener Zeiten, das in Sachen Ästhetik und Stil um ein Maximum bemüht ist, für den zwischenzeitlich aufgefahrenen Thrill nach meinem Geschmack aber gern noch etwas schwerer verdaulich hätte ausfallen dürfen. Als technisch wie inhaltlich sauber inszenierter und konstruierter Giallo der lockereren Sorte zweifellos ein Glanzlicht.