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ACHTUNG! SPOILER !

In einem Interview für das Buch „Obsession“ * sagte Jack Taylor: „About Eurocine... we did a movie in Rome in 1967, it was called AGENTE SIGMA 3 – MISSIONE GOLDWATHER with Lesoeur. They used lots of footage from that movie and made another film. I don't know what it is.“
Inzwischen ist man was diese Frage angeht etwas schlauer. Der französische Regisseur Pierre Chevalier hat im Auftrag der Produktionsgesellschaft „Eurocine“ in seinen 1973 gedrehten Film LA MAISON DES FILLES PERDUES (= Das Haus der verlorenen Mädchen) Szenen aus dem 1967 gedrehten Film AGENTE SIGMA 3 MISSIONE GOLDWATHER von Gian Paolo Callegari eingebaut. Und selbst wenn man als Zuschauer keine Kenntnis dieser Tatsache hat, kommt einem beim Betrachten des Films sehr schnell etwas spanisch vor.

Die zwangsläufig ziemlich grob gestrickte Handlung des Films schildert das Schicksal einiger junger französischer Mädchen, die von einer skrupellosen Bande gekidnappt und nach Marokko verschifft werden. Dort werden sie in einem Bordell zur Prostitution gezwungen. Mark Roberts (Jack Taylor), Agent bei Interpol, kann die Bande aber nach einigem Hin und Her zerschlagen und die Mädchen befreien.

Natürlich ging es in AGENTE SIGMA 3 ursprünglich nicht um Mädchenhändler, sondern um einen typischen „McGuffin“, wie er in fast jedem Agentenfilm der 60er Jahre zu finden ist, hier eine neu erfundene "Strahlenwaffe," Dank einer nachträglichen, unauffälligen Synchronisation wurde dieses unbedeutende Detail aus der Welt geschafft. Vorteilhaft auch, dass in beiden Filmen Silvia Solar mitwirkt, die für die von Chevalier gedrehten Szenen durch Make-up und Frisur an die Figur, die sie in AGENTE SIGMA 3 darstellte, angepasst wurde.

Ansonsten aber passen die beiden Filme hinten und vorne nicht zusammen. Pierre Chevalier drehte rund 40 Minuten eigenes Material, welches dann mit den 31 Minuten aus AGENTE SIGMA 3 zusammenmontiert wurde. Abgesehen von der visuellen Ärmlichkeit, dem schäbigen Set Design und der katastrophalen Beleuchtung des mit Null Budget gedrehten LA MAISON DES FILLES PERDUES, die in hartem Kontrast stehen zur doch recht gediegenen Ausstattung des Films von 1967, ist es vor allem die mehr als rüde Gesinnung, die aus Chevaliers Material spricht, welche die beiden Filme deutlich voneinander abhebt. Mit geradezu pathologischer Regelmäßigkeit und übelster Misogynie werden bei Chevalier alle paar Minuten Frauen brutal vergewaltigt, zum Teil von mehreren Männern gleichzeitig. Die 40 Minuten von Chevalier sind in ihrer vulgären und niederträchtigen Denkart wirklich kaum zu ertragen. Gesteigert wird diese Wirkung schließlich noch durch die schmierige deutsche Porno-Synchro. Beispiel gefällig: „Du fragst dich vielleicht, warum ich dich vergewaltige? Ganz einfach, mir macht es anders keinen Spaß mehr mit euch Weibern!“ - „Ich muss mich übergeben! - Schlucks wieder runter!“ Und so weiter...

In den Szenen die Chevalier aus AGENTE SIGMA 3 übernommen hat geht es dagegen vergleichsweise gesittet zu. Hier wird keine Frau vergewaltigt, dafür prügelt sich Jack Taylor alle paar Minuten mit irgendwelchen finsteren Gestalten herum, wobei er zumeist Sieger bleibt. Wo Chevalier die Schwelle des zumutbaren stellenweise überschreitet, bleibt Callegari in den Konventionen stecken, die für das Agenten-Genre üblich sind und verbreitet trotz vieler Action-Szenen kaum mehr als Langeweile. Da ist Jack Taylor dann auch der einzige Pluspunkt in diesem dreisten Hybriden.  Bei „Eurocine“ schreckt(e) man wirklich vor keiner Schandtat zurück...

* Lucas Balbo, Peter Blumenstock, Christian Kessler: Obsession – The Films of Jess Franco, Selbstverlag Frank Trebbin, Berlin 1993

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