Review

Ohne dass es sich bei "Macumba Sexual" um einen Vampirfilm im eigentlichen Sinne handeln würde, stellt er doch einen leicht ironisch gebrochenen Mix aus entsprechenden Subgenreelementen dar und bildet quasi eine späte Quintessenz von Francos Sexvampiren, die sich in den 70er Jahren ("Vampyros Lesbos" (1970), "La Fille de Dracula" (1972), "La Comtesse Noire" (1973)) neben vergleichbaren Werken von Rollin (der besonders), Kümel, Larraz, Sarno oder den Hammer Studios größerer Beliebtheit erfreuten. Eine krönende Weiterentwicklung oder bloß ein herausragender, vorübergehender Schlusspunkt ist daraus letztlich aber nicht geworden - wie in vielen Filmen Francos, die in den 80ern bzw. nach der Schweizer Phase unter Dietrich entstanden sind, reicht auch hier die visuelle Kraft (obwohl sie sicherlich einen großen Teil seiner 80er Jahre Werke noch in den Schatten zu stellen vermag) nicht an die satt-grellen oder bonbonfarben-künstlerisch-kitschigen Bilder seiner großen Klassiker aus den späten 60ern und frühen 70ern ("Necronomicon" (1967), "Paroxismus" (1969), "Sie tötete in Ekstase" (1970)) heran, insgesamt ist die Ausstattung bescheidener ausgefallen und auch die musikalische Untermalung ist weit schlichter geraten als etwa der mittlerweile zum Kult avancierte "Vampyros Lesbos" Soundtrack; Inhaltliche Verschiebungen sind zwar vorhanden, doch reichen sie kaum aus um diesen formalen Abstieg annähernd auszugleichen.

Der Film beginnt - nach den Aufnahmen einer distanziert-erhabenen Schönheit - mit Alice Brooks (einmal mehr Lina Romay in der Hauptrolle) samt Ehemann während ihres Urlaubs in Bahía Feliz. Alice, andauernd von Alpträumen geplagt in denen die gerade erwähnte Schönheit mit zwei ihr dienenden Sexsklaven beiderlei Geschlechts über sie herfällt, erhält bald darauf den Auftrag ihres Arbeitgebers, der auf einer nahegelegenen Insel wohnenden Prinzessin Tara Obongo (Ajita Wilson) ein Haus in Atlantic City zu verkaufen - ein Aufhänger für das kommende Geschehen, der direkt aus Stokers "Dracula" übernommen ist.
Und wie schon bei Stoker gerät auch hier die Reise zur vermeintlichen Geschäftspartnerin zu einer Anhäufung schlechter Vorzeichen: Obongo, so verkündet bei ihrer Ankunft ein mysteriöser Hotelbesitzer, sei vor vielen Jahren verstorben und nach ihrer Ankunft wird sie in dem ebenso riesigen wie leerstehenden Anwesen von der dämonisch wirkenden (nicht zuletzt dshalb, weil es die Schönheit aus ihren Träumen ist) Obongo erwartet. Und wie Harker in "Dracula" nachts von den drei Vampirdamen überfallen wird, gerät hier Alice in eine Orgie mit Obongo und den Sklaven, bei welcher sie kaum noch einen eigenen Willen zu haben scheint. Um sie herum auftauchender Fetischzauber führt dann jedoch dazu, dass Alice ihre Kräfte zusammennimmt und Hals über Kopf flieht. Doch mit der Flucht ist die Geschichte nicht beendet, denn nach Alices Schilderungen macht sich ihr unheilbar von Obongo faszinierter Mann auf die Suche nach der Prinzessin, gerät ebenfalls unter die Macht von Zauberei und Erotik um nach einer Orgie auch zu einem von Obongos willenlosen Sklaven zu werden - mit Ausnahme des fehlenden Motivs eines Bisses ist diese Struktur mit der eines Vampirstoffes letztlich identisch.
Daraufhin zieht nun Alice wieder los um ihren Gatten zu retten, verfällt nun ihrerseits wieder Obongo, die nach "300 Jahren Herrschaft" nun ihr Leben lassen darf, will oder muss (dieser Punkt interessierte Franco scheinbar wenig) und ihre Rolle an Alice übergibt, die daraufhin neben ihrem Mann aus einem Alptraum zu erwachen scheint. Wieviel Traum oder Realität in den Ereignissen nun liegt, wird letztlich nicht geklärt: beim Anblick eines im Zimmer liegenden Fetischs aus Obongos Anwesen kreischt sich Alice letztlich durch den Abspann.

Franco inszeniert hier einen Wulst an Vampirfilmklischees ohne jedoch die eigentlichen Motive zu verwenden - aber psychische Abhängigkeiten und Besessenheit haben ihn ohnehin immer mehr interessiert als etwa der krude Biss in den Hals etc... Insofern führt er hier die Tendenzen aus "Vampyros Lesbos" und "La comtesse noir" konsequent fort und erleichtert die Stoffe um allzu eindeutige Horrormotive, um letztlich einen traumartig-phantastischen Erotikfilm abzuliefern (die obligatorischen Erotikszenen machen einen großen Teil des Films aus und erstrecken sich jeweils über einige Minuten), der nichts erklären will und muss, sondern die Bruchstücke einer Dramaturgie als bloße Mittel zum Zweck begreift um seiner großen Fabulierlust und Zeigefreudigkeit Ausdruck zu verleihen ohne gleich einen Spannungsbogen samt kausal verknüpfter Einzelszenen erstellen zu müssen und der relativ beliebig scheinbar reale Szenen als Wahnvorstellung oder Alptraum auffliegen lässt um eindeutige Lesarten zu vermeiden und der Phantasie freien Lauf zu lassen. Dass die Hauptfigur Alice heißt, ist dann auch kein Zufall mehr, darauf verweist schon die Äußerung des mysteriösen Hotelbesitzers: "Alice? I read a story about someone called Alice." (00:19:48) Der Verweis auf ein unverbindliches Wunderland mit ganz eigenen Gesetzen ist offenkundig und soll die Legitimation für die gemiedenen handfesten Genreregeln verschaffen.

Die Bilder sind getaucht in durchgehend helle Farben (weiß, silber, hellblau und Ockertöne), vereinzelt kann Franco auch noch mit sorgsam ausgewählter Architektur punkten, ansonsten weist der Film schon Francos stilistischen Einbruch in den 80er Jahren auf. Neben seiner Partnerin Lina Romay ist sicherlich auch Ajita Wilson ein kleiner Pluspunkt für geneigte Gemüter: Wilson - ursprünglich George Wilson - war durch die 70er Jahre hindurch eine kleinere Erotik- und Sexikone und spielte unter bekannten Exploitationgrößen wie Cesare Canevari, Luigi Batzella, Lucio Fulci, Carlos Aured, Sergio Garrone, Joe D'Amato und ab "Sadomania - Hölle der Lust" (1981) auch unter Jess Franco in einschlägigen Filmen mit. Popularität verdankte sie nicht zuletzt ihrer "männlichen" Vergangenheit, welche ihr einen ganz eigenen Reiz verlieh, später dann auch immer mehr eher negativen Schlagzeilen wie der Flucht im Adamskostüm aus einem Bordell während einer Razzia und Auftritten in reinen Hardcorepornos, ehe ihr ein tragischer Autounfall das Leben im Alter von 37 Jahren nahm. Franco (dem damit im Falle Wilson wie schon ein gutes Jahrzehnt zuvor bei Soledad Miranda ein Autounfall die fruchtbare Zusammenarbeit mit einem neuen Star zunichte machte) hat ihr in "Macumba Sexual" eine Paraderolle auf den Leib geschneidert, denn die dämonisch überzeichnete, exotische Schönheit, kühl und sinnlich, gibt sie mit Bravour und das Resultat ist beeindruckend - auch wenn das Ideal der exotischen Schönheit nicht unproblematisch ist.

Als Film, der seine Handlung zugunsten ausgebreiteter Einzel(erotik)szenen generell etwas vernachlässigt, enttäuscht er dann aufgrund der formal letztlich relativ durchschnittlichen Inszenierung doch ein wenig - vor allem Francos Zooms häufen sich hier eine Spur zu stark - und bietet zudem auf inhaltlicher Ebene nichts herausragendes, auch wenn das phantasievolle Spiel mit Versatzstücken Liebhabern des phantastischen Films sicherlich noch gefallen wird.
Insgesamt routinierter Durchschnitt. 5,5/10.

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