House of 1000 Corpses (2003)
The Devil's Rejects (2005)
von Rob Zombie
Der neue, harte Horrorfilm, der kurz nach der Jahrtausendwende mit "Haute tension" (2003) in Frankreich und mit "House of 1000 Corpses" (2003) in den USA das Licht der Welt erblickte, stand nicht nur von Anfang an in der Tradition des jungen, wilden, kompromisslosen Horrorkinos der 70er Jahre - welches zwischen 1968 ("Night of the Living Dead") und 1972 ("The Last House on the Left") einsetzte, um mit der zunehmenden Kommerzialisierung ab "Halloween II" (1981) und "Friday the 13th Part 2" (1981) bis Mitte/Ende der 80er Jahre wieder abzuflauen -, sondern verspürte auch den Drang, diese Tradition unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen...
Neben den kurz darauf - ab "Saw 2" (2005) & "Hostel" (2005) und inmitten des Abu Ghraib-Skandals! - als torture porn zusammengefassten Genrebeiträgen etablierte sich im Genre gewissermaßen auch noch eine - sich bisweilen mit dem torture porn überlappende - Retro-Sparte, in der man Motivik, Struktur, Ästhetik und/oder Ideologie des 70er Jahre-Horrorkinos reproduzierte. Neben Rob Zombie und Ti West - der seit "The Roost" (2005) und "The House of the Devil" (2009) ähnliche, wenngleich etwas weniger terror-affine Wege beschreitet - haben vor allem Tarantino & Rodriguez - in Zusammenarbeit mit Rob Zombie, Eli Roth und Edgar Wright - mit ihrem "Grindhouse" (2007) solch ein Retro-Kino etabliert, von welchem diverse Neo-gialli ("Amer" (2009), "Francesca" (2015)) ebenso profitieren wie Exploitation-camp à la "Hobo with a Shotgun" (2011), "Kung Fury" (2015) und "Turbo Kid" (2015), der sich allerdings in erster Linie ironisch & parodistisch mit unfreiwilligem 80er Jahre Trash beschäftigt. Vor allem setzte ab den ersten Remakes der zwei berüchtigsten 70er Jahre-Horrorklassiker - ab "The Texas Chainsaw Massacre" (2003) nach Hoopers "The Texas Chain Saw Massacre" (1974) und ab "Dawn of the Dead" (2004) nach Romeros gleichnamigen 1978er Original! - eine wahre Flut von Remakes des grimmigen 70er Jahre Terror- & Horrorkinos ein: darunter "The Hills Have Eyes" (2006), "Halloween" (2007), "Last House on the Left" (2009), "Friday the 13th" (2009), "I Spit on Your Grave" (2010), "Mother's Day" (2010)...[1]
Im Horror- und insbesondere im Terrorfilm der 70er Jahre fand nicht bloß die graphische Splatterästhetik, die H. G. Lewis ab "Blood Feast" (1963) erprobt hatte, immer stärkeren Eingang in den Mainstreamfilm, sondern auch die Halbwesen des klassischen Horrorfilms traten zunehmend hinter den näheren, alltäglicheren Bedrohungen zurück, die in den Psychothrillern "Peeping Tom" (1960) und "Psycho" (1960) bereits die Bildfläche betreten hatten. Eine seit "Rosemary's Baby" (1968) im Genre populär gewordene Stimmung der Paranoia - die gerade auch nach der Watergate-Affäre ebenfalls den Polit-Thriller dominierte - durchzog das Genre und ließ die Bedrohung immer häufiger in den gängigen Alltagssituationen suchen; mehr oder weniger unscheinbare Mitmenschen gerieten immer häufiger zur Bedrohung: Hinterwälder selbstverständlich, geistesgestörte Totschläger in der Tradition von Joe Ball ("Eaten Alive" (1977)) oder Ed Gein ("Deranged" (1974)), (zombifizierte) Durchschnittsmenschen - die vor allem in "Dawn of the Dead" mit ihrer Arbeitskleidung einen repräsentativen Querschnitt durch die Gesellschaft abgegeben sollten! -, aber auch die gesamte eigene Familie ("Frightmare" (1974)) und kleine Kinder ("Night of the Living Dead", "It's Alive" (1974), "Peopletoys" (1974), "The Omen" (1976), "¿Quién puede matar a un niño?" (1976), "Damien: Omen II" (1978), "Dawn of the Dead", "Halloween" (1978), "The Brood" (1979))[2] konnten zu Tätern werden, die bisweilen auch noch mit den allerletzten Tabus brachen und dem Kannibalismus oder der Nekrophilie frönten oder die Leiber ihrer Opfer als Arbeitsmaterialien betrachteten... und in ihrer Gegenwehr gingen die bedrohten Identifikationsfiguren mitunter ebenso aggressiv vor wie ihre zurechnungsfähigen oder auch unzurechnungsfähigen Peiniger - vor allem im neuartigen Rape & Revenge-Thriller. Damit griff der Horrorfilm - ungefähr ab "Witchfinder General" (1968)! - eine Relativierung der Unschuld der Held(inn)en auf, die der Italo- & Spätwestern zuvor bereits auf seine Weise erfolgreich erprobt hatte.
Überhaupt nahm der Horrorfilm in der Folge der 68er Bewegung von vielen traditionellen Werten und von der Glaubwürdigkeit etablierter Autoritätsfiguren & -instanzen immer wieder Abstand - und nahm darüber hinaus mehrfach auch antirassistische ("Night of the Living Dead"), antifaschistische ("Non si deve profanare il sonno dei morti" (1974)), feministische ("Season of the Witch" (1972), "The Witch Who Came from the Sea" (1976)), konsumkritische ("Shivers" (1975), "Blue Sunshine" (1977), "Dawn of the Dead"), religionskritische ("The Wicker Man" (1973), "Carrie" (1976)), Vietnam-kritische ("Dead of Night" (1974)), regierungskritische ("The Crazies" (1977)) Positionen ein, mit denen man mehr oder weniger stark verbreitete Ansichten & Haltungen ins Wanken bringen wollte - ließ aber optimistische Handlungsentwicklungen meist vermissen, gab sich eher pessimistisch bis zynisch und zeichnete Bilder einer in Teilen rassistischen, faschistoiden, patriarchalischen, konsum- und/oder kriegsbegeisterten Gesellschaft, der man nicht oder bloß mit großer Mühe entkommen kann.[3] Reaktionäre Ansichten wurden in aller Regel scharf zurückgewiesen, gegenwärtige Probleme vermeintlich unproblematischer Gebiete wurde aufgedeckt, das Vertrauen in die großen Problemlöser - Religion, Wissenschaft, Militär, Regierung, starke Männer! - wurde erschüttert, derweil die Held(inn)en ihre moralische Vorbildlichkeit verloren haben: Wenn es in diesen Filmen noch weitgehend unschuldige Sympathieträger(innen) gab, dann waren es bisweilen Außenseiter vom Rand der Gesellschaft - langhaarige Männer, um Emanzipation bemühte Frauen, Farbige! - oder auch Figuren, die sich ihr Überleben nicht bewahren konnten; denn "[d]er Horrorfilm ist ein Genre, das ohne Happy End auskommt. Er ist grimmig und - besonders in seiner Sturm- und Drang-Zeit in den siebziger Jahren - hemmungslos schlecht gelaunt."[4]
Von den sich auf das 70er Jahre-Kino beziehenden Retro-Terrorfilmen der jüngsten Zeit hat kaum ein Film die 70er Jahre-Filmlandschaft mit ihrer hemmungslosen schlechten Laune so radikal & konsequent zugespitzt wie Rob Zombies "The Devil's Rejects". Als Film, der ausgesprochen grimmig & kompromisslos die tödlichen Peinigungen harm-, hilf- und wehrloser Opfer darbietet, um den Täter(inne)n eine ganze Menge Charisma - und gelegentlich sogar sympathische Züge - zukommen zu lassen und ihren Verfolgern fanatische, manische und furchteinflößende Züge zu verleihen, ist "The Devil's Rejects" oftmals missverstanden worden. Dabei handelt es sich keinesfalls um einen unmoralischen, wenngleich sicherlich um einen nicht ganz ungefährlichen Film - der auch Zombies direkten Vorgänger noch konsequent in seiner Unerbittlichkeit überbietet.
"House of 1000 Corpses", Rob Zombies Regiedebüt, konzentriert sich hauptsächlich auf die Vorbilder "The Texas Chain Saw Massacre" & "The Funhouse" (1981) - welchem sich Zombie auch in "31" (2016) wieder zu widmen scheint -, wenngleich er wie nahezu jeder Zombie auch andere Dekaden zitiert: In diesem Fall spannt er den Bogen recht sinnig von "Freaks" (1932) & "The Old Dark House" (1932) bis hin zu "Natural Born Killers" (1994) & "From Dusk Till Dawn" (1996), um sich freilich hauptsächlich auf Tobe Hooper zu stützen, dessen hysterisches Terrorkino Zombie genüsslich zelebriert.
In Hoopers "The Texas Chain Saw Massacre", der die Südstaaten-Irren à la "2000 Maniacs" (1964) aufleben lässt und dann selbst zur Schablone des Terror- & Backwood-Horrors wurde, verarbeitet eine arbeitslos gewordene Südstaaten-Schlachtersippe durchreisende Jugendliche zu Wurst, Lampenschirmen und Dekor, in "The Funhouse" lernen ein paar Jugendliche und ein kleiner Junge den wahren Terror unter der Maske des 30er Jahre Universal-Horrors kennen, als sie in eine von mörderischen Irren betriebene Geisterbahn eindringen.
Zombie zitiert beides - und auch die grelle Art der Beleuchtung aus Hoopers "Eaten Alive" -, beginnt allerdings mit einer Variation des Anfangs des 90er Jahre-Horrorklassikers "From Dusk Till Dawn" von Rodriguez & Tarantino, der schon seit seinen ersten Filmen um ein Retro- & Zitate-Kino bemüht war. (Es ist also eine Beziehung wechselseitiger Befruchtung, die Zombie mit der Tarantino-Schule verbindet, der er seit "Grindhouse" im Grunde zugerechnet werden kann.) Nach dem unglücklichen Überfall auf Captain Spauldings Tankstelle - den die Kriminellen nicht überleben - kommen [Achtung: Spoiler!] vier Teenager an Halloween dort vorbei, wollen eigentlich nur auftanken, machen dann jedoch eine Tour durch die von Captain Spaulding betriebene Freakshow-Geisterbahn, die allerlei Greueltaten von diversen Serienmördern nachstellt, und erfahren schließlich von der Legende über Dr. Satan, der einst in der Umgebung grausame Menschenexperimente angestellt haben soll. Angefixt von dieser urbanen Horrorstory machen sich die vier auf die Suche nach jenem Baum, an welchem man den wahnsinnigen Doktor einst gelyncht hatte (um seinen Leichnam auf ungeklärte Weise zu verlieren), nehmen unterwegs - quasi wie die Jugendlichen in Hoopers Horrorfilm-Debüt! - die Anhalterin Baby mit und landen bald darauf im Hause ihrer Familie: der entstellte, maskierte und scheinbar zurückgebliebene Tiny Firefly - eine Art friedfertige Leatherface-Neuauflage, die auf ähnliche Weise eine Neugierde im Hinblick auf die weiblichen Opfer an den Tag legt -, die etwas schäbige, sich anbiedernde, durchgedrehte Mother Firefly, ein altertümlicher Grampa mit wild wucherndem Backenbart und der sadistische & wahnsinnige Otis - gespielt von Bill Moseley, der schon den ähnlich wahnsinnigen 'Chop-Top' Sawyer in Hoopers "The Texas Chainsaw Massacre 2" (1986) gegeben hatte[5] - hausen dort mit Baby (und womöglich auch noch mit Rufus vom Abschleppdienst) und foltern, vergewaltigen und morden regelmäßig entführte Mädchen auf sadistische Weise. Auch die vier Protagonist(inn)en müssen dran glauben; und wer überlebt, landet schließlich im Folterkeller von Dr. Satan - dessen Geschöpf passenderweise aussieht wie der untote Prof. Freudstein aus Fulcis "Quella villa accanto al cimitero" (1981)! -, dem die irre Sippschaft regelmäßig Frischfleisch zuführt, damit er mit seinen unheilvollen Hirn-OPs tumbe Zombies anfertigen kann. Auch das final girl, das gegen Ende wie in "The Texas Chain Saw Massacre" per Anhalter zu entkommen scheint, ahnt nicht, dass ihr vermeintlicher Helfer Captain Spaulding mit Otis zusammenarbeitet, der sich sogleich von der Rückbank erhebt und auf sie einsticht. In Dr. Satans Keller kommt sie wieder zu sich, als dieser sie gerade einer Schädel-OP unterzieht.
Dass Otis Menschenknochen-Mobiliar sammelt und einem seiner Opfer die Gesichtshaut abzieht, um sich daraus eine Maske anzufertigen, dürfte wohl der deutlichste Hinweis auf das Vorbild "The Texas Chain Saw Massacre" sein. Gewitzter ist aber die Nähe zu "The Funhouse", der seinerzeit zwischen klassischen und modernen Motiven oszillierte und zudem in einer Geisterbahn spielte, um sich somit selbst als Schaustück auszuweisen.
Zombie, der seinen Film - durchaus in Anlehnung an die "Rocky Horror Picture Show" (1975) - als Hardrock Horror Picture Show anpries, macht mit eingebundenen Captain Spaulding-Werbespots, Dr. Wolfenstein-Halloween-Specials, perversen Heimvideos - inklusive "Hope you like what you see"-Ansprache in die Kamera! - und Film-im-Film-Szenen auf den Show-Charakter explizit aufmerksam, siedelt Teile des Films ebenfalls in einer Geisterbahn und auf eine Bühne an - und greift noch auf weitere künstliche Verfremdungseffekte zurück, die schon Oliver Stone in seiner Mediensatire "Natural Born Killers" (nach einem Tarantino-Drehbuch) inszeniert hatte. Hatte Hooper 1981 mit begrenztem Erfolg eher auf die Unterschiede zwischen klassischem Horror und modernem Horror und auf die Kluft zwischen den Generationen hinweisen wollen, so scheint Zombie eher auf eine allen Unterschieden zum Trotz durch alle - in dieser Hardrock Horror Picture Show zitierten - Dekaden laufende Kontinuität hinaus zu wollen: Schon in "The Old, Dark House" (1932), der hier in Auszügen zu sehen ist, war es gefährlich, die Nacht bei abgelegen wohnenden Fremden verbringen zu wollen.
Brownings "Freaks" hallt dann in "House of 1000 Corpses" ganz besonders nach; vor allem wenn er seinen - nicht gerade schönen, aber auch nicht entstellten - Freak Otis eines seiner (gänzlich normalen) Opfer zu einer wahren Freakshow-Kuriosität umoperieren lässt: In dem 1932er Skandalklassiker wurden friedfertige Entstellte, die sich in einer Zirkus-Freakshow wortwörtlich verdingen, von der schönen Frau und dem starken Mann der Zirkustruppe derart verächtlich behandelt & betrogen, dass sie sich schließlich rächten und die schöne Cleoptra in eine hässliche Hühnerfrau verwandelten und den starken Hercules in einen Kastraten.[6] Von der Gegenkultur - die den Begriff der Freaks ins Positive wendete, so wie man hierzulande den Begriff des Gammlers positiv zu konnotieren gedachte! - später zum Midnight Movie-Kultfilm erhoben, hat "Freaks" die Filmlandschaft jener Jahre durchaus mitgeprägt: John Waters, Alejandro Jodorowsky und David Lynch huldigten dem Film gleichermaßen und präsentierten ihrerseits auf unterschiedliche Weise glorifizierte Freaks - denen das Furchteinflößende, das Browning in seinem Finale noch an die Entstellung schweißte, weitgehend abging (zumal die Freaks bei John Waters gar nicht entstellt waren). Auch die Horrorfilmszene stand in der Tradition von Brownings Klassiker, als sie damit begonnen hatte, mit dem Schrecken der körperlichen Entstellung & Verstümmelung zu spielen, die Bedrohung aber mehr & mehr von körperlich normal erscheinenden Gestalten ausgehen zu lassen. In Hoopers Terrorfilmen (und vielen späteren Backwood-Horrorfilmen) agierten dann relativ neue Freaks: unentstellte und entstellte Mörder gleichermaßen hetzen in "The Texas Chain Saw Massacre", "Eaten Alive" und "The Funhouse" ihre Opfer - darunter ebenfalls ein körperlich Behinderter in Hoopers Erstling! - zu Tode. Weniger von ungewöhnlichen Körpern, sondern vom verwirrten Geist ging ihr Schrecken aus - und dennoch besaßen seine irrsinnigen, teilweise sadistisch agierenden Schlächter immer auch eine gewisse Tragik: Der längst demente Großvater und der geprügelte & herumkommandierte Leatherface innerhalb der in die Arbeitslosigkeit getriebenen Saw Family etwa, der offenbar vollkommen unzurechnungsfähige Motelbesitzer in "Eaten Alive" - zu dessen teilweise weitaus unsympathischeren Opfern dann auch noch ein brutaler, egoistischer Bordellbesucher und eine dysfunktionale Familie mit hysterisch & aggressiv agierenden Elternteilen zählten! - oder der monströs entstellte Sohn in "The Funhouse", der wie das Vorbild seiner Frankenstein-Monster-Maskerade wegen seines Aussehens verächtet wurde und eine offenbar ungesunde Erziehung durchleben musste... es sind stets auch gescheiterte Ausgestoßene, verwahrloste & verzogene Opfer einer abwesenden Fürsorge. Das macht Hoopers Terrorfilme, von denen zumindest sein Erstling einst von einigen Stimmen als reaktionär & faschistoid gebrandmarkt worden ist, um inzwischen zumeist als subversives Zeitporträt zu gelten, so erstaunlich schwer zu greifen: Man hat zum Teil durchaus sadistisch agierende Täter jenseits jeglicher Moral, die aber mehr oder weniger ohne eigene Schuld zu dem, was sie sind, degeneriert oder erzogen zu sein scheinen; ihre Gefährlichkeit & Grausamkeit, die manchmal an unschuldigen, manchmal an schuldigen Opfern ausgelebt wird, steht außer Frage und dennoch besitzen sie tragische Züge...
Zombie greift das Motiv des Freaks auf eine ähnlich uneindeutige Weise auf: Er lässt seinen Otis allerdings gegenüber den geschändeten Cheerleaderinnen betonen, dass es ihm gelungen sei, aus einem normalen Umfeld, aus einer konformistischen Welt auszubrechen und zu dem zu werden, was er nun sei - und zugleich darüber grübeln, wie das eigentlich geschehen konnte. Damit fußt er freilich auf einer den Freak-Begriff für sich in Anspruch nehmenden Hippie- & Gegenkultur, die dann aber auch sowas wie die Manson Family hervorgebracht hat. Anders als bei Hooper sind hier nicht einfach bloß verwahrloste & unzurechnungsfähige, einfache Gemüter abgedriftet, sondern hier hat mindestens ein Freak aktiv gewählt, was er geworden ist: Otis' freiwillig gewählte Gegenkultur mag nonkonformistisch und - für ihn selbst - frei von Zwängen sein, ist aber natürlich eine inhumane und eindeutig die entsetzlichere Kultur. Wie in der Manson Family finden sich allerdings in seinem Umfeld auch labile Gemüter, die zu Tätern gemacht werden; zumindest mit dem unter wahnsinnigen und/oder amoralischen Eltern aufgewachsenen Tiny Firefly gibt es auch bei Zombies Freaks eine tragische Gestalt.
Zombie erzählt also gewissermaßen Brownings in der Gegenkultur zum Kultfilm avancierte Geschichte der Rache ausgestoßener Freaks an der normalen Gesellschaft nach, wobei er auf Freaks à la Charles Manson & Family zurückgreift. Die Schänder, Mörder und Nekrophilen, die in Captain Spauldings Freakshow-Geisterbahn als Attraktion ausgestellt werden, rächen sich für diesen sensationslustigen Blick der Normalos auf die freiwilligen Außenseiter, indem sie sie ihrerseits in ausgestellte Blickfänger verwandeln: in einen schaubudentauglichen Wassermann, in Menschenhaut-Masken, in zombiehafte Hirn-OP-Opfer.
Das macht natürlich - weil es sich bei diesen Freaks wahrlich nicht um Identifikationsfiguren handelt! - nur Sinn, wenn der Film weitgehend ihre Perspektive einnimmt. Beim Filmdienst irrt man sich daher keinesfalls, wenn man mutmaßt, dass "[d]as blutrünstige Panoptikum von Zitaten, skurrilen Gestalten und bizarren Grausamkeiten [...] kein Interesse an den Figuren [zeigt], die wie Schlachtvieh behandelt werden."[7] "House of 1000 Corpses" gibt sich alle erdenkliche Mühe, um als unmoralischer Film zu erscheinen: Die sadistischen Freaks agieren stets souverän, wohingegen ein Großteil ihrer Opfer der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Von den zwei Polizisten wird einer als etwas schmächtiger Tölpel präsentiert, der Angst vor kleinen Hunden hat, während sein Partner zu blöd & blauäugig in sein Verderben läuft; einer der Teenager ist ein kurzsichtiger, unfreiwillig komischer Charakter, der sich eher lächerlich macht, als er einen Witz zu machen versucht. Und der Vater eines Opfers, ein Ex-Cop, der auf teils tote, teils lebende Opfer der Sippschaft stößt und bei seinem panischen Rückzug hinterrücks erschossen wird, wird regelrecht zynisch bloßgestellt, wenn im Augenblick seines Todes ein kurzes Erinnerungsbild an ein harmonisches Weihnachtsfest zu sehen ist, bei dem er mit Weihnachtsmann-Mütze einen eher albernen Eindruck macht. Und auch ein dickleibiger Verkäufer muss als grundsätzlich unwichtige Nebenfigur jede Menge Spott - von Kollegen, von Baby und wohl auch vom Publikum! - über sich ergehen lassen. Die - keinesfalls unsympathischen - Opfer reizen immer wieder zum Lachen, derweil ihren Peinigern sowas nicht passiert - wenn sie es nicht gerade darauf anlegen (wie der Clown Captain Spaulding); stattdessen werden sie - in Zeitlupe, zu Musikuntermalung - als durchaus charismatische Exzentriker gezeichnet, die stets die Zügel in der Hand haben... und gelegentlich auch mal sympathisch wirken, wenn man nicht um ihre Untaten wüsste.
Das wirkt reichlich unmoralisch, wird aber dadurch ein wenig entschärft, dass Zombie in diesem Zitathaufen alles in Anführungszeichen setzt und das ganze quasi als Greueltaten-Schaubude ausweist. Niemand schaut Terrorfilme in der Erwartungshaltung, dass alle Protagonisten unversehrt überleben werden. Hier bekommt man, was man insgeheim erwartet - mit dem Unterschied, dass auf eine emotionale Bindung an die Protagonisten verzichtet wird und dass die Perspektive eher die Seite derjenigen einnimmt, die dafür sorgen, dass das Publikum bekommt, was es erwartet: "Hope you like what you see!" Der ironische Tonfall, die längst bekannten Versatzstücke und das abgehobene mad scientist- & Zombie-Ende machen es einem allerdings leicht, sich vom ganzen Geschehen zu distanzieren. Überwiegend funktioniert diese Hardrock Horror Picture Show als grelle Horror-, Terror- und Splatter-Komödie, in der dann bloß relativ unvermittelt manch menschenverachtende Gewalt auf einen einprasselt.
"The Devil's Rejects" macht es einem dann schon weniger leicht, gibt sich weit seltener ironisch, fährt seinen offensiven Zitat-Charakter - der noch immer bis "From Dusk Till Dawn" reicht, den frühen Tonfilm aber bloß noch in einem Dialog über die Marx Brothers, Elvis Presley, Billy Wilder und Otto Preminger einbindet! - zurück und verankert seine vermeintliche Amoral viel konsequenter und stimmiger in der Filmlandschaft der 70er Jahre, in der die Grenze die Erlaubten immer weiter ausgereizt worden ist.
Schon Mitte der 50er Jahre konnten Helden bisweilen immer arschlöcheriger werden - wie Mike Hammer in Aldrichs großartigem "Kiss Me Deadly" (1955) - und die Schurken allmählich immer charismatischer - wie Robert Mitchums psychopathischer Wanderprediger in "The Night of the Hunter" (1955), dessen LOVE- & HATE-Fingergelenk-Tätowierungen sicher nicht zufällig auch die Finger von Captain Spaulding in Zombies ersten zwei Terrorfilmen zieren! -, bis "Peeping Tom" & "Psycho" Anfang der 60er Jahre das Publikum in die Perspektive gestörter, aber rundum sympathischer Serienmörder zwang. Ungemein erfolgreich verlief 1967 die Romantisierung von "Bonnie and Clyde" in Penns Spielfilm, der seinerzeit eine Diskussion über Gewaltverherrlichung auslöste, derweil der Italowestern seit Mitte der 60er Jahre daran arbeitete, zweifelhafte, eigenützige Hauptfiguren zu etablieren. Von besonderer Bedeutung für künftige ambivalente Heldenbilder war sicherlich Aldrichs enorm erfolgreicher Kriegsfilm "The Dirty Dozen" (1967), der bereits im Titel klarmachte, was von den Hauptfiguren - Mörder, Vergewaltiger und (kleine) Diebe, die sich auf ein Himmelfahrtskommando einlassen, um einen Straferlass zu erwirken! - zu halten war; Aldrich zeichnete dabei sein dreckiges Dutzend insgesamt durchaus sympathischer als die meisten Vorgesetzten im Kriegsapparat. Unrühmliche Helden dieser Art begegnen einem fortan immer wieder: Die Söldner & Ex-Sträflinge in de Toth's Kriegsfilm "Play Dirty" (1968), die Outlaws in Peckinpahs Western "The Wild Bunch" (1969), die (wenigen) Verbrecher in Carpenters "Assault on Precinct 13" (1976), die Söldner in "The Wild Geese" (1978) und vielen weiteren Söldner-Filmen wären zu nennen.[8] 1972 setzt nach der so befreienden wie nachhaltig verstörenden Rache in "Witchfinder General" nicht nur mit Wes Cravens "Last House on the Left" das erwähnte Rape & Revenge-Subgenre ein - gewissermaßen eine Untergattung des Terrorfilms! -, sondern auch der kompromisslose, nihilistische Selbstjustiz-Reißer klingt beinahe zeitgleich in Don Siegels erstklassigem Polizeithriller "Dirty Harry" (1971) und in Peckinpahs packendem "Straw Dogs" (1971) an und erlangt mit Michael Winners Bronson-Klassiker "Death Wish" (1974) seine Reinform, während zugleich auch der Backwood-Terrorfilm mit Hoopers Erstling seinen bis heute als Schablone dienenden Höhepunkt erreicht, nachdem John Boormans "Deliverance" (1972) den Grundstein gesetzt hatte.[9]
Auf die Rape & Revenge-Thriller und den Selbstjustiz-Film bezieht sich "The Devil's Rejects" vor allem, nimmt aber auch - und dies bereits im Titel! - auf das dirty dozen-Modell Bezug; die Sadist(inn)en verfolgen hier freilich kein anderes Ziel als ihre eigene Lust und ihr eigenes Überleben, werden aber dennoch als charismatische, untereinander sympathisch kumpelhaft, familiär agierende Typen dargeboten, die gerade auch im umstrittenen Finale nicht weniger glorifiziert werden als Bonnie & Clyde, wobei ihre Verbrechen eindeutig sadistisch und ihre Motivationen bei weitem verwerflicher sind. Mit dem Bezug auf den Backwood-Terrorfilm mit seinen sadistischen Misshandlungen & Quälereien liegen die Verbrechen der Hauptfiguren auch offen zutage: Schon zu Beginn wird ein toter Frauenkörper über die Erde geschleift, während Otis mit einer bereits zu verwesen beginnenden Leiche in seinem Bett liegt und in den Kellerräumen eingepferchte Opfer dahinvegetieren.
Die Morde mögen nicht mehr so graphisch sein wie im Vorgänger, fallen dafür allerdings grimmiger aus: Nachdem die mörderische Sippschaft - nun auf Otis, Baby, Mother Firefly, Tiny, Rufus und Captain Spaulding zusammengeschrumpft, derweil Dr. Satan nur noch in den deleted scenes auftaucht und der Grampa völlig abwesend ist! - nur teilweise und auch nur knapp der Polizei entgehen kann, befindet sich Mother Firefly in einem wahrlich ungemütlichen Polizeiverhör, derweil Rufus tot, Tiny verschwunden und Otis mit Baby auf der Flucht ist und schon während des Vorspanns ein erstes Opfer findet;[10] sie täuschen einen Unfall vor, um eine hilfreiche Autofahrerin um ihr Leben und ihren Wagen zu bringen. Das Bild friert stets ein, sobald die credits zu sehen sind, und die stumm zur Titelmusik - "Midnight Rider" (1971) von The Allman Brothers Band![11] - ablaufende Mordsequenz, die auf Bilder eindringender Messer völlig verzichtet, sich aber ausgiebig auf den Schmerz, die Überraschung, die Anstrengung und die Raserei in den Gesichtern konzentriert, macht in diesen Momenten des Innehaltens auf das Fatum dieser Szene aufmerksam, auf das unausweichliche Ende und auf die Vergänglichkeit selbst, die jedem Standbild innewohnt.
Wirklich böse fällt dann die Geisel-Nummer aus, die sich "From Dusk Till Dawn"-like in einem Motel ereignet und etwa über das zweite Viertel des Films erstreckt. Eine fünfköpfige Country-Band, bestehend aus zwei Frauen und drei Männern, wird genüsslich gedemütigt und größtenteils umgebracht, ehe man weiterziehen kann: bloß eine der Frauen überlebt zunächst zutiefst verstört - und wie in "The Texas Chainsaw Massacre 2" mit einer Maske aus der Gesichtshaut ihres lebendig gehäuteten Freundes verhüllt! -, rennt dann aber traumatisiert vor einen Truck. (Aus Zeitgründen zum großen Teil am Rechner entstandene) Verwundungen sind nun zwar zu sehen, fallen aber nach wie vor zurückhaltender aus als im Vorgänger. Die Überdrehtheit und der Exzess weichen auch hier einer langsam & gemächlich durchgezogenen, beklemmenden Unausweichlichkeit, die im krassen Kontrast zum Vergnügen der Täter steht. Die Inszenierung verstärkt das Gefühl der Beklemmung über eine dröhnende Tonspur und unterstützt bisweilen per Aufsicht Otis' Souveränität als dieser zwei der Country-Musiker ermordet und dabei nicht bloß sie, sondern auch ihren Glauben und ihren Gott verhöhnt, um dabei selbst geradezu allmächtig zu erscheinen.
Auch diesmal werden die teilweise etwas begriffsstutzigen & einfältigen, aber recht sympathischen Opfer der Lächerlichkeit preisgegeben, derweil ihre Peiniger die Kontrolle über die Situation & ihre eigene Souveränität besitzen. Der sehr bewusst platzierte Zynismus - wenn etwa ein Foto der heiter in die Kamera lachenden Countrysänger durch das Bild wandert, um vom Polizeiverhör Mother Fireflys zur Nötigung der Geiseln zu führen! -, der viel zum amoralischen Tonfall des Films beiträgt, spitzt im Grunde bloß zu, was in den Vorbildern schon angelegt war: Wenn brutale Rednecks in Boormans "Deliverance" einen der Protagonisten vergewaltigen, dann trifft es nicht ganz zufällig das immer ein bisschen herumnörgelnde, tolpatschige Dickerchen der Gruppe, das bei der analen Vergewaltigung wie ein Schwein quieken muss... es ist ein bisschen so, als müssten die Unschuldigen zugleich auch die Unbeeindruckenden oder Unfähigen sein, als müsste dem Opfer seine Hilflosigkeit ins Gesicht geschrieben stehen, damit es vom Publikum mit Mitleid bedacht wird; das gilt vor allem für den Slasherfilm und seine Vorläufer, derweil die Täter im Backwood-Subgenre meist degeneriert genug aussehen, um nur aufgrund ihrer Ortskenntnisse, ihrer Bewaffnung oder auch ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit überlegen zu wirken. Während allerdings der - von seinen Kritiker(inne)n ohnehin dem Vorwurf, er würde den irren Schlitzer zumindest bis zur Begegnung mit dem final girl zur Identifikationsfigur aufbauen, ausgesetzte - Slasherfilm mit seiner berechenbaren, eng abgesteckten Struktur und seiner unrealistischen Übertreibung zu wirklichkeitsfern wirkt, um mit der Souveränität seines Schurken und der Einfältigkeit seiner Opfer übel aufzustoßen,[12] so sieht das in realistischeren Terrorfilmen schon etwas anders aus. "The Devil's Rejects", der nicht grundlos seinen Dr. Satan über Bord geworfen hat, um bodenständiger zu wirken, wiederholt nun die aus dem Vorgänger bekannte, sympathische, aber einfältige Zeichnung der Opfer und die enorme Sicherheit der Täter - die nun auch mit Ausnahme von Mother Firefly nicht mehr wahnsinnig brabbelnd auftreten, sondern einfach nur sadistisch und gewissenlos! - bei gleichzeitigem Verzicht auf all die distanzierenden Verfremdungseffekte des Vorgängers und treibt damit Ansätze auf die Spitze, die in 70er Jahre-Vorbildern schon gegeben waren, die sich aber entweder etwas ausgewogener oder aber realitätsferner gegeben habe: "The Devil's Rejects" setzt dagegen auf eine bewusst unausgewogene Konzentration der zitierten Elemente, um verstörend amoralisch zu wirken. Noch der in die Glieder fahrende Schmerzensschrei des Countrysängers, als Otis ihm wortwörtlich das Fell über die Ohren zieht, geht in Otis Rushs Bildschirm-Performance von "I Can't Quit You Baby" (1956) über, beendet den qualvollen Mord mit einem Gag zu einem eingängigen Blues-Klassiker (was ein befreiendes Lachen auf Kosten des Opfers beschwört).
Auch in der zweiten Hälte des Films, die dann andere Schwerpunkte setzt, reizt Zombie 70er Jahre-Vorbilder auf eine Weise aus, die ihre grundsätzlich schon damals angelegten Züge bis ins Extrem treibt und ins Amoralische kippen lässt. Sind "The Devil's Rejects" bereits niederträchtige, aber charismatische, teilweise gar sympathische Outlaws in der Tradition eines dirty dozen's oder wild bunch's, die natürlich nicht für eine gute Sache, sondern bloß für eine für sie selbst gute Sache kämpfen, so ist Sheriff Wydell - der Bruder eines im Vorgänger von der Sippschaft gemeuchelten Cops - eine nicht weniger dreckige Art "Dirty Harry" der Superlative.
Wydell dreht nicht bloß der inhaftierten Mother Firefly genüsslich sein Jagdmesser im Unterleib hin und her, bis die nicht ganz zurechnungsfähige Mörderin seines Bruders qualvoll verendet, er droht auch einem beratenden und völlig unschuldigen Filmkritiker auf äußerst unfeine Weise, als dieser ihm durch die Marx Brothers-Pseudonyme der Täter(innen) hilft und nebenbei verächtlich über Elvis Presley herzieht. (Eine - im Gegensatz zu Hühnerficker-Dialogen und Star Wars-Sexnummern - halbwegs gelungene Comedy-Szene des Films, die ein wenig dafür entschädigt, dass die Marx Brothers-Zitate des Vorgängers nun ganz platt in aller Deutlichkeit ausformuliert werden.)
Dann hetzt er zwei schwerkriminelle Rocker - der Wrestler Dallas Page und "From Dusk Till Dawn"-Star Danny Trejo! - auf die Mörderbande und spannt Captain Spauldings Bruder Charlie ("Dawn of the Dead"-Star Ken Foree) mit Morddrohungen für seine Zwecke ein, um die wehrlos ausgelieferten Schlächter im Schlussakt des Films mit Tacker, Nägeln, Feuer, Gürtel, Revolver, Axt und bloßen Händen zu malträtieren. Während selbst ein "Dirty Harry" noch halbwegs darauf achtete, bei aller Übertretung der Rechtsstaatlichkeit und bei aller Gewaltanwendung & Folter bloß so weit zu gehen wie es nötig war, um Verbrechen zu verhindern, ist der bronson-mäßig aus persönlichen Gründen angetriebene Wydell darauf aus, die Schlächter das Leid ihrer Opfer spüren zu lassen. In der Jagd auf die von ihm - für die Jagd - befreite Baby nimmt Wydell dann auch ausdrücklich sexualpathologische Züge an. (Zombie inszeniert diese Jagd dann auch wie die aus "House of 1000 Corpses" bekannte Jagd Babys auf eines ihrer Opfer im Hasenkostüm: Jäger und Gejagte nehmen sich hier nichts...)
In diesem Finale bricht Zombie dann auch erstmals mit der Souveränität seiner Mörder: Schmerz, Angst und Unterlegenheit kommen klar zum Ausdruck, ebenso Trauer - die dann wohl am ehesten Mitleid beim Publikum erzeugt. Dieses wird dann sogleich ausgenutzt, um eine melancholische Abschiedsszene zwischen Otis, Baby, Spaulding und Tiny - der Wydell überrascht, tötet und seine Familie befreit - zu inszenieren, welcher dann eine Flucht im geklauten Wagen folgt: Zu Lynyrd Skynyrds "Free bird" (1973), der nochmals ausdrücklich die Freiheit der ihren Traum lebenden Schlächter unterstreicht & glorifiziert, rasen sie schwer verwundet über den endlos langen Highway, derweil harmonische, friedfertige Heimvideoaufnahmen von ihnen eingebunden werden und an - für sie - bessere Zeiten erinnern, an einen Traum, der noch nicht dabei ist, zu platzen. Wo diese Einbindung von Erinnerungsbildern der Countrysänger oder des Ex-Cops in "House of 1000 Corpses" eindeutig einem Zynismus folgten, wird nun auf die Erzeugung von Mitgefühl gesetzt. Heldenhaft stirbt man kurz darauf voller Kampfgeist im Kugelhagel der Polizei, die längst eine Straßensperre errichtet hat.
Die Manson Family-Ausformung der Gegenkultur so zu behandeln, als würde es sich um "Easy Rider"-Rebellen handeln, die "Bonnie and Clyde"-Geschichte von einem romantisierten, raubenden & mordenden Gangsterpaar auf nekrophile, sadistische Killer zu übertragen, die anders als Mickey & Mallory aus Stones "Natural Born Killers" - und schon der galt etwa seinem Autor Tarantino als gewaltverherrlichend! - nicht einmal über eine erläuternde Vorgeschichte verfügen, die Unfähigkeit uncharismatischer Opfer und die Fähigkeit charismatischer Täter aus Slasher- & Terrorfilmen zuzuspitzen, die Selbstjustiz- & Rachefilme ins Extrem zu steigern, das Leid der Opfer terrorfilmgemäß in intensiver Weise vorzuführen - all das ergibt freilich einen Film, der amoralisch & ungesund zu sein scheint, zumal Distanzierungsmöglichkeiten kaum geboten werden. Aber die Anführungszeichen des Vorgängers sind auch hier noch vorhanden, werden einem aber nicht mehr so offensiv vorgehalten, um die Verstörung dadurch noch ein wenig zu steigern. "The Devil's Rejects" ist die konsequente & extreme Fortführung unterschiedlicher Ansätze, die sich ab 1967/1968 in der Filmlandschaft der 70er Jahre etabliert haben: Schon Filme wie "Dirty Harry", "Texas Chain Saw Massacre" oder "Dawn of the Dead" waren (& sind) nicht immer leicht zu beurteilen, die Reaktionen reich(t)en bei allen Filmen von reaktionär & faschistoid bis hin zu subversiv und offensiv links. Rob Zombie hat mit seinem Retro-Terrorfilm einen Beitrag geliefert, der freilich nicht auf intellektuelle Weise Gewalt & Gegengewalt behandelt, sondern als astreiner Exploitationfilm funktionieren will, der aber ganz klar herausstellt, welche Grenzverschiebungen es im Film der hiermit reinszenierten Dekade gegeben hat, in der die s/w-Malerei einem uneindeutigen Feld gewichen ist, in dem Gut & Böse, Moral & Amoral, Idealität & Notwendigkeit immer schwieriger zu verhandeln und voneinander zu unterscheiden waren.
Das macht "The Devil's Rejects" unter allen Retro-Werken des neuen Terrorfilms - den Zombie selbst mit "House of 1000 Corpses quasi aus der Wiege gehoben hat, starteten "Haute tension" und Nispels "The Texas Chainsaw Massacre" doch erst Monate später! - zum besten Beitrag, insofern er nicht bloß an einer Reinszenierung interessiert ist, sondern dank einer verstörende Amoralität - die man vorschnell als Amoralität des Regisseurs fehlinterpretieren konnte - über den Wandel, die Vorzüge und problematischen Eckpunkte des 70er Jahre-Kinos reflektieren lässt. Neben dem originären "Martyrs" (2008), der auf eine Retro-Perspektive gänzlich verzichtet, dürfte es sich hierbei sicherlich (noch immer) um den beachtlichsten Genrebeitrag seit der Jahrtausendwende handeln.
6,5/10 für den etwas plumpen, gewollt auf Kult gebürsteten "House of 1000 Corpses", 8,5/10 für das 70er Jahre-Genre-Derivat "The Devil's Rejects".
1.) Im Fall von "Friday the 13th" und "Mother's Day" sind die zugrundeliegenden Originale jeweils im Jahre 1980 herausgekommen.
2.) Weniger häufig waren auch früher schon mörderische Kinder zu sehen: etwa die eiskalte Göre in "The Bad Seed" (1956) oder die Alien-Kuckuckskinder in "Village of the Damned" (1960) & "Children of the Damned" (1964). Die Gewalt durch die Kinder bzw. an den Kindern blieb aber vergleichsweise unsichtbar. Erst mit der zombifizierten, ihre Mutter erstechenden Tochter aus Romeros erstem Zombiefilm wurde auch dieses Tabu gebrochen, das in den 70ern dann auch gänzlich ohne übernatürliche Erklärung daherkam.
3.) Natürlich stand der 70er Jahre Horrorfilm ideologisch nicht immer der Gegenkultur nahe - vor allem in der zweiten Hälfte der Dekade, als die Gegenkultur gewissermaßen wieder passé war; "Halloween" etwa ist als Schablone des Slasherfilms vielfach auch als lustfeindlicher Film betrachtet worden, der den Wert der Jungfräulichkeit hochhält. Und gerade die christlich gefärbten, religiösen Horrorfilme über Besessenheit und Teufelsglauben weisen deutlich konservative Züge auf. Aber selbst der konservativste 70er Jahre-Horrorfilm, "The Exorcist" (1974), ist beileibe nicht reaktionär - und schon gar kein Film über eine vom Teufel besessene Gegenkultur! -, sondern ein (übrigens trotz seiner christlichen Ausrichtung auch bei Gläubigen keinesfalls unumstrittener) Streifen, der eine bis in die engsten traditionellen Bindungen hinein zerrüttete Gesellschaft zeichnet und das Böse keinesfalls wegbeten oder wegglauben oder von einer externen Macht tilgen lässt, sondern selbstlose Aufopferungsbereitschaft für den Nächsten und die eigenen Ideale nötig werden lässt, ehe das gesetzte Ziel (für eine fragliche Dauer) erreicht wird.
4.) Benjamin Moldenhauer, Christoph Spehr, Jörg Windszus: Law of the Dead. 10 Thesen zum modernen Horrorfilm. In: Dies. (Hg.): On Rules and Monsters. Essays zu Horror, Film und Gesellschaft. Argument 2008; S. 11.
5.) Moseley ist zwar kein Veteran des 70er Jahre-Horrors, ist er doch erst 1982 zum Film gelangt; aber mit dem erwähnten TCM-Sequel und Tom Savinis Remake von Romeros Zombie-Erstling ("Night of the Living Dead" (1990)) steht er dieser Ära ziemlich nahe. Zombies Arbeiten und später auch Luessenhops "Texas Chainsaw 3D" (2013), der Animationsfilm "Night of the Living Dead: Darkest Dawn" (2015) - in dem Moseley seine Rolle aus dem 1990er Remake wiederholt - und der 1979 angesiedelte "Dark Roads 79" (2016) machen sich das zunutze...
6.) Wenn auch bloß in der zensierten und unrettbar entsorgten Originalversion: In der veröffentlichten Version macht es den Anschein, Hercules sei ermordet worden.
7.) http://www.zweitausendeins.de/filmlexikon/?sucheNach=titel&wert=521720
8.) Mit "Inglourious Basterds" (2009) oder "Suicide Squad" (2016) greifen große Produktionen solche Modelle in jüngster Zeit wieder auf.
9.) Zu den frühen Vorläufern dieser speziellen Sparte des Terrorfilms zählt neben Lewis' "2000 Maniacs" auch noch Jack Hills Lon Chaney jr.-Horrorkomödie "Spider Baby or, The Maddest Story Ever Told" (1967); dieser Titel ist hier deshalb besonders hervorzuheben, weil zu seinen Hauptdarstellern auch der junge Sid Haig zählte, der seit seinen Captain Spaulding-Auftritten unter Zombie eine Art zweite Karriere erleben durfte.
10.) Diese Flucht zu zweit - später dann auch zu dritt mit Captain Spaulding! - steht dann auch immer wieder in der Tradition von "Bonnie and Clyde" und dessen Nachfolgern wie "Thelma & Louise" (1991) oder "Natural Born Killers". Der Film weist zwischen den kruden Gewaltverbrechen immer wieder sein flüchtendes Paar als nicht gänzlich unsympathische Outlaws aus - was freilich die Abwehrreaktion großer Teile des Publikums erklärt -, zumal er ihnen einen energischen Verfolger auf den Hals hetzt, der selbst als fanatischer, sadistischer und letztlich gesetzloser Rächer kein moralisches Vorbild mehr abgibt. Das Publikum hat seine Identifikationsfiguren zwischen totgeweihten, hilflosen, naiven Tröpfen, einem verbitterten, hasserfüllten Sheriff, der nur noch für seine persönliche Rache zu leben scheint, und gewissenlosen Sadisten, die fröhlich ihren perversen Traum leben, zu wählen.
11.) Die engere Anlehnung an die 70er Jahre schlägt sich auch im Soundtrack nieder, der viele 70er Jahre-Hits enthält und im Gegenzug auf Zombies eigene Kompositionen verzichtet. Aus der Hardrock Horror Picture Show ist nunmehr ein Film geworden, der sich noch enger an die 70er Jahre anpasst.
12.) Mit dieser Tradition hat Zombie dann weniger erfolgreich in "Halloween" (2007) und weitaus erfolgreicher im sträflich unterschätzten "Halloween 2" (2009) gebrochen.