Eine Menge Eis und Schnee, trottelige Gangster, viel aufzubringendes Geld, ein paar Leichen, skurrile Charaktere – wer jetzt „Fargo“ schreit, hat zwar Unrecht, aber der Gedanke darf ruhig aufkommen. Vor nicht allzu langer Zeit quälte ich mich durch das Coen-Werk und konnte wie so oft den ganzen Hype um einen Film nicht nachvollziehen. Hier geht es aber um den neuen Streifen von Mark Mylod, der sich bei seinem bisher einzigen Kinofilm „Ali G Indahouse“ alles andere als mit Ruhm bekleckerte, „The Big White“. Im Grunde liest sich das ähnlich wie der Film der Coen-Brüder, allerdings ist Mylods Streifen eine Spur weniger abgedreht und somit unter Umständen massenkompatibler.
Paul Barnell (Robin Williams; „Insomnia“, „One Hour Photo“) hat ein Problem: er und seine Frau Margaret (Holly Hunter; „Thirteen“) sind pleite, sein Reisebüro in Alaska läuft auch nicht wie erwartet und so muss eine gute Idee her, um an Geld zu kommen. Da fällt ihm sein seit fünf Jahren verschollener Bruder Raymond (Woody Harrelson; „Scorched“) ein. Da ist doch noch seine Lebensversicherung. Allerdings taucht bei der Versicherungsgesellschaft schnell das nächste Problem auf, da eine vermisste Person sieben Jahre als vermisst gemeldet sein muss, bis sie für tot erklärt wird. Geknickt zieht Paul wieder ab, als er plötzlich im Müll eine tief gefrorene Leiche findet. Nach ein paar Überlegungen lädt Paul sie ein und kurze Zeit später landet sie am unteren Ende einer Klippe, damit sie die Wölfe auffressen und keiner mehr erkennen kann, dass das nicht Raymond ist. Als alles nach anfänglicher Widerspenstigkeit der Wölfe klappt, soll er auch sein Geld bekommen. Allerdings hat er nicht mit dem Versicherungsangestellten Ted (Giovanni Ribisi; „Lost in Translation“, „The Gift“) gerechnet, der dem ganzen Treiben nicht glaubt und zwei Gangstern, die ihre Leiche suchen…
Der Film lebt ganz eindeutig von seinen Charakteren, die alle leicht einen kleinen Schaden haben, dabei aber trotzdem sympathisch rüberkommen und sei es nur, damit man sich über sie lustig machen kann, wie zum Beispiel die beiden Gangster, die um jeden Preis die Leiche wiederbeschaffen müssen und sich dabei mehr als ungeschickt anstellen.
Absolut erwähnenswert ist hierbei Holly Hunter und ihre Darstellung der Ehefrau Pauls, die an einer Art des Tourette-Syndroms leidet. Inwieweit das politisch korrekt ist, sich über Leute mit dieser Krankheit zu amüsieren, sei mal dahin gestellt, aber es funktioniert. Wenn Margaret gefesselt auf dem Küchenstuhl sitzt, während sich die Gangster darüber streiten, wer denn ihr Gequatsche jetzt wieder aushalten muss und sie ihnen dabei Schimpfwörter an den Kopf wirft, bleibt kein Auge trocken. So ist auch sie es, die den Großteil der Witze auf ihrem Konto hat. Dabei sind aber nicht nur ihre Sprüche, sondern auch ihr Verhalten und ihre Eigenarten, wenn sie sich zum Beispiel einfach in den reichlich vorkommenden Schnee wirft, komisch.
Nicht komisch ist die ganze Angelegenheit hingegen für Paul – sprich Robin Williams. Dieser versucht die Versicherung zu betrügen, damit er seiner Frau endlich eine gewünschte Behandlung zukommen lassen kann. Er weiß, dass es falsch ist, was er da treibt, zieht es aber konsequent für die Liebe durch. Williams zieht alleine durch sein Auftreten schon immer viele Sympathien auf sich und auch hier kann man ihm in seiner fast schon schüchtern-liebenswerten Art nie böse sein, da er immer in bester Absicht handelt und man seine Handlungen dabei nachvollziehen, aber leider nicht tolerieren kann. Dennoch wünscht man ihm, dass es klappt, was er sich da vorgenommen hat.
Auch bei ihm ist der Humoranteil recht hoch, wenn man alleine bedenkt, was er der Leiche anfangs antut. Da sind eingeklemmte Füße im Tiefkühlfach nur der Beginn und das Ausschmücken der Leiche mit Fleisch und gebratenem Schinken das Highlight.
Sonst ist noch Giovanni Ribisi zu erwähnen, dem die Kälte sichtlich zu schaffen macht, weshalb er die ganze Zeit aussieht, als wäre er selbst seit Jahren tiefgefroren. Seine Recherche den Fall betreffend ist verzweifelt und auch ihm wünscht man eigentlich, dass ihm irgendwer zuhören würde. Aber so wie es ist, ist es für den Zuschauer spaßiger, wenn er von einem Missgeschick ins nächste stolpert.
Und zu allem gesellen sich dann noch zwei Gangster, die dümmer wirklich nicht sein könnten. Ängstlich und nicht besonders Angst einflößend gehen sie zu Werke und wenn sie sich dann nackt durchs Haus jagen, mit Handtüchern schlagen und sich streiten, wer nun baden darf, während ihre Geisel geknebelt auf dem Bett liegt, fluchend mit ihrer Telefonpsychiaterin telefoniert und versucht, ihre Lage zu verdeutlichen, ist das nur eine von vielen Szenen, die man so schnell nicht vergessen wird.
Allerdings erkennt man hier schon das, was unter Umständen für manche zum Nachteil wird: Anspruch wird hier klein geschrieben, besser gesagt gar nicht, dafür bekommt man hier eine ordentliche Portion schwarzen Humors serviert. Man kann sich mit „The Big White“ einen Filmabend lang gut unterhalten, wird danach aber nicht weiter drüber sinnieren können, da es nichts zu sinnieren gibt. Hier läuft alles auf ein absehbares Ende hinaus, das keiner Diskussionen bedarf und somit läuft der Film Gefahr, bald in Vergessenheit zu geraten.
Das Schöne daran ist aber, dass, sollte man sich irgendwann wieder an ihn erinnern, man sich gerne zurück erinnert. Somit stört es auch nicht weiter, dass hier vieles abgekupfert und geklaut wirkt - gerade hinsichtlich der Atmosphäre, da die Bilder des eiskalten Alaska den Zuschauer auf dem Kinositz fast selbst frieren lassen.
Mylod schuf hier kein großes Anspruchskino und wollte das auch gar nicht. Hier steht der Spaß an erster Stelle, den man dank der sehr gut aufgelegten Darstellerriege, die jeden Charakter in irgendeiner Weise sympathisch macht, haben wird. Da interessiert es auch nicht besonders stark, dass das hier nichts Außergewöhnliches ist, etwas Innovatives oder gar Neues schon gar nicht. Für alle, deren Fall der Humor der Coens nicht ist, ist das hier eine gute Alternative.
Den Film kann ich nur „kältestens“ ans Herz legen.