Review

Ausgerechnet Alaska!
Diese recht maikühle Gegend der Vereinigten Staaten ist ja schon seit es Filme gibt ein Hort der schrägen Gestalten, deswegen soll es keinen wundern, wenn alle paar Jahre mal wieder eine bizarre Komödie in dieser verschneiten Gegend angesiedelt ist.

Also machen wir den Inhaltscheck: hochverschuldeter Unternehmer zieht einen Versicherungsschwindel auf, wird jedoch von zwei latent tumben Ganoven aufs Korn genommen, die seine Frau entführen, um an eine Leiche und Geld zu kommen, während ein seltsamer Ermittler dabei Untersuchungen über den Fall anstellt…

…hat da jetzt jemand „Fargo“ gerufen?
Könnte man denken, wenn man den Filminhalt darstellt, überzuckert mit ein paar Einfällen rund um „Wohin mit der Leiche“, die man noch von Hitchcock kennt und angereichert mit Figuren, die allesamt irgendwie einen am Rad haben.

Natürlich könnte man jetzt auch die Unterschiede aufreihen wie andere Leute Jägerzäune hochziehen: Fakt bleibt, Regisseur Mark Mylod hat hier einen Film hochgezogen, in dem sich Freunde skurilen bis leicht abartigen Humors einen schönen Abend machen können.
Dazu hat er einen beachtlichen Cast inclusive zweier Oscarpreisträger (Williams, Hunter) versammelt, die in diesem Bizarro-Ensemble ihren eigenen schrägen Part ableisten.

Und was dabei herauskommt, ist in vielen Sequenzen erinnerungswürdig: ob Williams nun eine Leiche mit Steaks ausstaffiert, um Wölfe anzulocken; sich die begeisterten Ordnungshüter mit dem total zerfressenen Corpus amüsieren; Giovanni Ribisi als Versicherungsermittler der totalen Faszination seiner Betrugsermittlungen erliegt, die ihn als Romero-Zombie-Lookalike enden lassen, Holly Hunter mit Tourette-Synrom jede Szene mit „Ficken % Scheißen“-Vokabular zupflastert oder die homosexuell gefärbten Gangster/Killer pflichtschuldigst für ein leckeres Abendessen in der Küche werkeln, das hat bisweilen Kultpotential und sorgt für so manchen stabilen Lacher.

Aber richtig funktionieren, das kann der Film irgendwie dann doch nicht leisten.
Zum einen: nichts daran ist neu! Irgendwo hat man das samt und sonders beackerte Feld skuriler Komödien gründlich abgegrast und sogar die Coens sind mit „Ladykillers“ geradezu glorios gescheitert.
Das wäre bei einer geschickten Neuanordnung funktionierender Elemente noch nicht so schlimm gewesen, aber leider gelingt die Versuchsanordnung nicht, aus den vielen Einzelfiguren eine gute Ensembleleistung zu generieren. Jede Figur spielt hier ihre Exzentrik für sich aus, aber das bringt dem Film nicht unbedingt etwas. Das Ergebnis: ständige, leichte Unausgewogenheit.

Williams, der ohnehin in seinen Filmen zwischen Overacting und totalem Understatement hin und herpendelt, verfällt leider über weite Strecken mal wieder der Sentimentalität und kann seine wahren dramatischen Stärken nicht zeigen. Holly Hunter, die eh nur noch für durchgeknallte Nebencharaktere aus dem Ruhestand nach Hollywood zurückkehrt, ist sogar nur für den Treppenwitz zuständig, mit ihrem Tourettesyndrom zu kokettieren, das weder erklärt, noch für echt oder unecht befunden wird. Funktion: zweifelhaft.
Ribisi spielt an der Seite von Filmfreundin Alison Lohman seinen Part als fanatischer Ermittler, dessen Bemühungen von allen ignoriert werden, sogar im Autopilotmodus, während Woody Harrelson als augenrollender Psycho-Bruder zwar witzig ist, aber nur dazu da ist, den Film zu einem Abschluß zu bringen. Herrlich zum Knuddeln jedenfalls die Killer Tim Blake Nelson und W.Earl Brown.

Aber: Nichts von alledem ist wirklich over the top, zu sehr ist alles auf Konsens angelegt, man weiß trotz der allgegenwärtigen Abstrusität, was am Ende dabei herauskommen wird: ein Happy End. Und so geschieht es auch – nicht gerade einfallsreich für einen Film, der ständig neben der Spur glänzen möchte.

Auch kann Mylod nicht gerade damit protzen, den Humor einer Szene richtig ausspielen zu können. Es ruft der klassische Independentfilm, wenn manche Sequenzen sich in die Szenenfolge nicht einfügen wollen, der Schnitt nicht stimmt oder die zwar unterhaltsame, aber unpassende Musik so etwas wie echte Spannungsentwicklung gar nicht erst aufkommen lässt. Bei den Coens hat das Absurde, das Unpassende Methode, hier wird sich oftmals sehr stark abgestrampelt, das auch zu erreichen, leider nur mit Kurzzeitwirkung.

Für das breite Publikum wird der Film zu schräg sein, für die Filmbuffs schon wieder fast zu abgedroschen, nicht experimentell genug.
Dabei hat der Film ein amüsierwilliges Publikum schon allein wegen seines frisch aufspielenden und gut motivierten Schauspielerensembles verdient, wird aber sein Dasein hauptsächlich Videothekeneinkünften verdienen.
Dabei gibt es so schöne Momentaufnahmen zu entdecken, die mit still und heimlich mit nach Hause nehmen kann. Aus „Garden State“ hat das, trotz weniger inhaltlicher Novitäten, einen Indie-Hit gemacht, bei „Big White“ wird sich das noch rausstellen müssen.
Notfalls: take the money and run… (6,5/10)

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