Das junge Fotomodel Tulia wird von der reifen Sara zum Wochenende auf ihr Landhaus eingeladen. Neffe Theo freut sich auch bereits. Theo ist nämlich ein fanatischer Fotograf, und möchte von Tulia viele Bilder machen. Allerdings merkt Tulia irgendwann, dass Theo eine sehr bestimmte Art hat, zu außerordentlich realistischen Fotos von in Panik geratenen jungen Mädchen zu kommen. So ganz zuwider ist ihr das zwar nicht, genausowenig wie die Annährungsversuche der bisexuellen Sara. Ernster wird es erst, als Theos Freund Tom sie vergewaltigen will – in Theos Gegenwart, und vor der gezückten Kamera! Und noch ernster wird es, als Tulia hinter das Geheimnis von Rhonda kommt, dem Mädchen, das zuletzt im Landhaus zu Gast war und seitdem spurlos verschwunden ist.
Früher wurden die Filme einfach noch anders gemacht. Hans W. Geissendörfer hat mal sinngemäß erzählt, dass damals in einer Szene die Kamera einfach draufgehalten wurde, und die Schauspieler gespielt haben bis es nicht mehr weiterging. Mit den langen Einstellungen konnte man gut schneiden, die Schauspieler konnten sich in ihre Rollen hineinwühlen und darin aufgehen, und das Publikum hatte auch keine Probleme mit dieser Arbeits- bzw. Erzählweise. Sie kannten es ja nicht anders. Die vor 40 Jahren erzählten Geschichten wurden langsamer aufgebaut, die Höhepunkte akribischer vorbereitet. Es war einfach noch mehr Zeit vorhanden.
Was aus heutiger Sicht dazu führt, dass WHIRLPOOL erstmal einige Zeit benötigt bis er in Fahrt kommt. Zwar ist anhand der Figurenzeichnungen schon relativ früh klar wohin die Reise geht, aber auf welchem Weg und mit welchen Schlenkern, das wird erst unterwegs klar, und sorgt für einige Überraschungen. Dass aus Theos Augen der Wahnsinn schimmert, das weiß man (heute). Es sind die Augen von Elijah Wood aus MANIAC und aus SIN CIY, die uns da voller Bosheit und Mordlust anlächeln. Die Augen-Blicke, die sich Theo und Tante Sara zuwerfen, etwa während der Strip-Pokerrunde, sind vielschichtig und abgründig. Und Tulias schreckgeweitete Augen der Schlusseinstellung haben das Falsche gesehen und werden darüber nie wieder so lustig funkeln.
Aber wie gesagt, der Weg dorthin ist entscheidend. Und der wird, nicht ganz untypisch für britische Psychothriller dieser Zeit, mit viel Gefühl für unheimliche Stimmungen und wohl platzierten Schockmomenten garniert. Die Vergewaltigung Tulias zum Beispiel jagt den Zuschauer durch ein aufwühlendes Höllenfeuer - nach der Sichtung so einiger Rape and Revenge-Filme darf ich sagen, dass diese Szene komplett anders ist als alles andere was ich gesehen habe.
Und überhaupt, die Sache mit dem Sex. Obwohl dieses Wort in leuchtenden Buchstaben ständig im Hintergrund flirrt, und die Atmosphäre des Films sehr unterschwellig sexuell aufgeladen ist (immerhin ist allen Beteiligten von Anfang bis Ende klar, dass es an diesem Wochenende nur um eines geht: Miteinander so viel Spaß wie möglich zu haben, auch wenn Theo dies etwas anders auffasst), trotz dieser Atmosphäre also sind die erotischen Darbietungen ausgesprochen unterkühlt in Szene gesetzt. Am Kaminfeuer ist es zwar romantisch, da aber kann Theo nicht – weil seine Tante sich nicht beteiligt. Die nämlich braucht Theo, um seine Männlichkeit zur Gänze beweisen zu können, und die dann folgende entsprechende Gelegenheit hat die Ausstrahlung eines Hotelzimmers bei voller Beleuchtung. Ein eigentlich ansprechender Dreier wird durch eine unsagbare Sterilität beherrscht, und lässt jeden Gedanken an Erotik beim Zuschauer verschwinden, obwohl die Charaktere sichtlich aufgeladen sind und sich dem Sex zur Gänze hingeben. Durch dieses Wechselbad der Gefühle entsteht beim Zuschauen ein Zwiespalt, wie man sich denn beim Ansehen nun verhalten soll: Soll man sich der erotischen Stimmung der Charaktere anschließen, oder als Betrachter in kühler und distanzierter Betrachtung verharren?
Auch interessant ist dieser Zwiespalt im Zusammenhang mit der Farbgebung des Films. Angesiedelt im Herbst, sind die Farben der Natur warm und erdig, das Haus wirkt von innen und außen behaglich und als gemütlicher Rückzugsort gegen das schlechte Herbstwetter. Auch die Kleidung der Männer ist ganz auf warme und vertrauenerweckende Farben abgestellt. Das Verhalten der Männer allerdings steht dann in direktem Gegensatz zu diesen Farben, was zu weiterer Irritation führt.
In Summe ergibt diese Ansammlung von Irritationen einen kleinen und ganz feinen Psychothriller, der mit den Gefühlen des Zuschauers spielt wie mit Knetmasse. Larraz hat gleich in seinem ersten Film ein unglaubliches Gespür für das Innenleben sowohl seiner Charaktere wie auch der Zuschauer an den Tag gelegt. In Folge bin ich schon ziemlich gespannt auf seine weiteren Filme! WHIRLPOOL auf jeden Fall ist eine starke Empfehlung für alle, denen Sachen wie der 4 Jahre später, ebenfalls von Larraz gedrehte und etwas bekanntere, SYMPTOMS gefallen: Eine abgründige Studie voll verborgener Bosheit …