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Na, alle schon den neuesten Kettensägenmassakerfilm abgefeiert? Den Gorestreifen aus Hollywood, der zwar wenige neue Erkenntnisse über die Vergangenheit der texanischen Kannibalenfamilie erbrachte, wohl aber selbstzweckhafte Gewaltszenen en Masse in einem sich mal wieder reproduziertem Storygewand darbot? Er gefiel Euch womöglich noch? Dann bleibt mal schön bei Euren austauschbaren Schablonencharakteren, der durchgestylten Bildersprache und der facettenlosen Inszenierung. Alle anderen, die sich nicht scheuen, auch mal kleineren Produktionen eine Chance zu geben, sollten mal Augenkontakt zu Leatherface kleiner Schwester aufnehmen: Chainsaw Sally!

Bereits seit 2004 fertig gestellt, fand Chainsaw Sally erst jetzt in der Firma „Shock-O-Rama“ seinen Publisher; ein langer Weg bis dato, die Frage ob der Streifen überhaupt noch wo erscheinen würde tat sich des öfters in der amerikanischen Horrorfilmszene auf. Nun leben wir aber in Deutschland, die Amateurszene ist kleiner und somit hören sicherlich die meisten das erste Mal vom weiblichen Leatherface-Pendant. Direkt auf Video gedreht, ist Chainsaw Sally ein Independentfilm erster Kajüte und dementsprechend auch nicht wirklich mit den „großen Brüdern“ zu vergleichen. Doch was dem Film an Budget fehlt, macht er durch ein gesundes Maß an Kreativität wieder weg. Wenn auch nur bedingt, bremst das Drehbuch doch die ansonsten sehr coole Grundidee etwas aus.

Nämlich die des weiblichen Leatherface, welche auf den Namen Sally hört und optisch eine Mischung aus der Gothic-Version des Tank Girl und „Baby Firefly“ darstellt. Die hiesige Stadtbibliothekarin musste zusammen mit ihrem kleinen Bruder in ihrer Kindheit live vom Treppengeländer aus den Tod der Eltern miterleben; drangen doch mehrere Kriminelle ins Haus ein, wo sie erst den Vater töteten und dann die Mutter bis zur tödlichen Erschöpfung vergewaltigten. Sicherlich hätte es auch noch die Kinder erwischt, hätte der sich in seinen letzten Lebenszügen befindende Vater nicht noch nach einigen Minuten des vor sich Dahinscheidens in einem letzen Kraftakt die Kettensäge anschmeißen können und den bösen Buben den garaus gemacht. Von diesen Erlebnissen traumatisiert, lebt das psychologisch angeknackste Geschwisterpaar seitdem in dem immer mehr verrohenden Anwesen und muss nach Jahren der stillen Übereinkunft mit den verschrobenen Mitbürgern um ihre Existenz bangen – droht doch der Baubeginn einer Supermetropole, deren letzter noch unbemannter Fleck ihr Anwesen darstellt …

Hört sich alles sehr cool an - doch weder als Parodie, noch gar als Hommage weiß Chainsaw Sally wirklich zu überzeugen. Dazu gestaltet sich das Ganze ZU überfrachtet und im gleichen Maße ZU unterpointiert. Die vielen Verweise auf Genreklassiker mögen zwar für Kenner der Materie ein nettes Bonbon sein, doch das Hauptaugenmerk sollte ja auf der eigentlichen Geschichte liegen. Und die gestaltet sich trotz ihrer kurzen Länge von 83 Minuten als stellenweise etwas zu langatmig und zäh. Sally mordet hier und da die Leute, die ihr doof kommen, die zwei trotteligen Dorfpolizisten [Marke Last House on the Left] merken natürlich nichts und zwischenzeitlich gibt es ja noch den Subplot mit der raffgierigen Immobilienfirma, die – wie sollte es sein – natürlich am Ende auch noch ihr Fett wegbekommt.

Das wilde Sammelsurium von schrägen Gestalten, die in bisweilen überdreht gestalteten Sets [das Wohnzimmer von Sally wirkt daher mehr kitschig denn klaustrophobisch] agieren, gibt dem ganzen einen comichaften Look, doch irgendwie hätte man atmosphärisch mehr machen können. Gegen Ende hin wirken z.B. die blau ausgeleuchteten Szenen sehr stilvoll, doch insgesamt ist der zu amateurhafte Look für DIE Atmosphäre - die der Film stellenweise versucht aufzubauen - eher unpassend. Schön jedenfalls das der Punk & Rockabilly Soundtrack weitgehend passt; abgesehen von einigen schnittbedingten unsauberen Tonsprüngen.

Natürlich sollte man sich im Klaren sein, dass die Namen Gunnar Hansen und H.G. Lewis eher zugkräftigerer Natur sind und die beiden nicht unbedingt Hauptrollen in dieser kleinen Produktion bekleiden – ihre Gastrollen sind jedoch um ein vielfaches passender gewählt als die unzähligen Minimaltauftritte Lloyd Kaufmanns diverser Schundfilme, wenn auch nicht ganz so skurril. Die beiden Horrorikonen geben als Kettensägen schwingender Familienvater [Hansen], respektive als Haushaltswarenverkäufer [Lewis] ihr Stelldichein, jedoch sind ihre Auftritte, wie vermutet werden kann, nur von kurzer Dauer. Schade. Besonders von Lewis hätte man doch gerne mehr gesehen.

Zumindest kann Hauptdarstellerin April Monique Burrill als Sally sehr überzeugen und trotz ihrer Überdrehtheit nimmt man ihr die Rolle der psychopathischen Göre größtenteils ab. Mit viel Esprit schafft sie es sogar, dem berüchtigten „Chainsaw-Dance“ ihre eigene Note zu geben, ohne dass er peinlich aufgesetzt wirkt. Das Charisma von Leatherface erreicht sie jedoch nicht, liegt das Hauptaugenmerk ihrer Rolle auch weniger auf grobschlächtigem Terror, denn auf überkandidelter Psychose.

So sind auch die Szenen, in denen sie ihr wahres Ich zeigt, mehr komödiantischer, denn wirklich boshafter Natur. Zwar gibt es einige nette, kurzweilige Folterspielchen, doch wirklich extrem wird es in physischer wie auch psychischer Hinsicht kaum – dafür sind die Opfer zu uncharismatisch, auch die Torturen zu unsadistisch. Wird die Kettensäge geschwungen, passiert dies, wie eigentlich alle Grausamkeiten, im Off; trotzdem stellt sich bei der Szene, in der ein Penis abgeschnitten wird und eine Wunderkerze in den Stumpf gesteckt wird, ein mulmiges Gefühl ein. Ein Gorefest sollte man daher nicht erwarten; wenn gleich die ein oder andere Szene (Säuredurchlauf / Nagelpistolenattacke) in ihrer Mache ordentlich umgesetzt wurde.

Gut, wie man lesen kann ist Chainsaw Sally nun vielleicht nicht der erwartete Knaller, hat aber zumindest mir besser gefallen als der letzte „echte“ Chainsaw Film. Die Charaktere waren um einiges sympathischer […wenn auch der tuntige Bruder von Sally etwas seltsam anmutet], der Goregehalt nicht so übertrieben und selbstzweckhaft […wenn ich mir doch auch explizitere Szenen gewünscht hätte] und im Gesamten doch relativ unterhaltsam […wenn ich mir auch durch den Hype bedingt mehr erwartet hatte].

Freunde von Independentfilmen dürfen aber gerne einen Blick riskieren, schließlich sieht man nicht alle Tage eine Frau eine Kettensäge schwingen! [Etwas über 5,5]

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