Leichte "Spoiler" enthalten
In einem unter Wassermangel leidenden Taipeh ist Trinkwasser nur bedingt, Wassermelonen dafür in rauhen Mengen vorhanden. Zwei junge Menschen treffen sich wieder und suchen nach Nähe. Der eine ist inzwischen Porno-Darsteller ...
Wer im Namen des heiligen Arthouse stets die Überraschung und Irritation auf formaler Ebene sucht, wird hier sicher glücklich. Und mit der anti-pornographischen Darstellung der Hardcore-Filmerei gibt es auch noch eine vermeintlich gesellschaftlich relevante Komponente zu bestaunen. Allerdings, zum einen gelingt die "Kunstfilm"-gemäße Inszenierung in erster Linie durch Reduktion. Keine Filmmusik (außerhalb der Musicalszenen), so gut wie keine Dialoge, sehr niedriges Tempo. Die zugegebenermaßen durchdachten Bildkompositionen, Eindrücke einer nach Wasser dürstenden Großstadt, werden überlang unverrückt stehengelassen. Und was die Pornographiekritik angeht, hier glaubt Regisseur Tsai Ming-Liang seine Position nur mit einer extrem überzogenen Darstellung roboterhafter Rammelei verständlich machen zu können, die darin gipfelt, dass eine langwierige Szene mit einer bewusstlosen Figur (Sumomo Yozakura musste hier einiges über sich ergehen lassen) gedreht wird. Das Schlussbild, indem sowohl die HC-Karikatur als auch die kryptisch erzählte Romanze der Hauptfiguren (Chen Shiang-Chyi/Lee Kang-Sheng) ihren zweifelhaften Höhepunkt erreicht, wirkt wie ein spontaner Einfall des Regisseurs und ist nur schwer zu interpretieren. Zahlreiche Berlinale-Besucher waren wohl schon zuvor während des Bewusstlosigkeits-Sex rausgegangen. Ebenso provokant, aber ungemein fruchtbarer und emotional berührender sind die Werke von Shion Sono, die sich mit dem Thema Sexualität inklusive für Geld und vor der Kamera beschäftigen, vor allem "Guilty of Romance" (Koi no Tsumi), der zugegebenermaßen auch den Vorteil sprechender Darsteller hat. Aber diese versagt sich Tsai ja aus eigener Entscheidung und man kann seinem Film schlecht Punkte anrechnen für die Dialoge, die man möglicherweise hören könnte, wenn er seine Figuren nicht zur Sprachlosigkeit verdammt hätte.
Ansonsten hat Tsai durchaus den einen oder anderen guten Einfall zu bieten. Jedoch werden diese stets dermaßen zerdehnt, dass der Eindruck entsteht, Regie- und Kameramannschaft seien mit ihrer Arbeit dermaßen zufrieden, dass sie sich von ihren Bildern gar nicht mehr lösen können. Im Kontrast dazu stehen Musicalszenen, die wiederum sichtlich auf bunt, bewegt und bizarr getrimmt sind. Dass in einer davon die Sänger als wandelnde Diaphragmen bzw. Präservative verkleidet sind, ist wiederum ziemlich bezeichnend für die stellenweise zu vermissende Subtilität des Films. In einem ca. 37 Minuten langen, doch für die Filminterpretation sehr unergiebigen Interview nennt Tsai das Stichwort Einsamkeit als wichtigen inhaltlichen Punkt des Films. Man könnte natürlich sagen: Die Figuren sind einsam, weil sie nicht miteinander reden. Reden sie nicht miteinander, weil sie sich nichts zu sagen haben? Sie reden nicht miteinander, weil das zum artistischen Programm des Regisseurs gehört, wirken wie Marionetten der Inszenierung. D. h. der Regisseur will etwas zeigen, erschafft dies aber erst durch die Art, wie er es zeigt. Ebenso wie er seine Pornokritik erst dadurch zustandebringt, dass er die am Dreh beteiligten Figuren künstlich und gewollt ent-emotionalisiert.
Schwer zu bewertender Film, gleichermaßen originell wie bemüht, manchmal plump und manchmal lyrisch.