Aus alten Gruselschinken ist dir die Situation bekannt: Du fragst als Fremder in einer Dorfkneipe nach dem Aufenthaltsort eines berüchtigten Monsters und erntest unbehagliches Schweigen. Alle Augen sind auf dich gerichtet, es wird getuschelt, der Pianist hört abrupt auf zu spielen (Moment, sind wir jetzt in einem Western gelandet?), die Stille wird zu einem eigenen Geräusch, das in den Ohren klingelt. Vermutlich wirst du Sekunden später mit der Heugabel aus der Tür gejagt. Oder aber… der gesamte Raum bricht einfach nur in hysterisches Gelächter aus und du wirst zum Witz des Tages. Dann weißt du: Die goldene Zeit der Vampire, Mumien und Werwölfe ist ein für allemal passé.
Dabei hättest du es eigentlich wissen müssen. Spätestens nach John Carpenters „The Thing“ (1982) war der Horrorfilm endgültig in ein neues Evolutionsstadium eingetreten. Im Angesicht mutierender Spezialeffekte der neuesten Generation erschienen die klassischen Schreckgestalten aus altehrwürdigen Universal-Zeiten umso mehr wie bewegungsunfähige Pappaufsteller, die keine Krähe mehr vom Maisfeld jagen.
Weil die 80er aber so eine bunte Zeit waren, gab es für die Altgedienten und Ausrangierten immer noch einen kleinen Platz im Herzen der Studios – auch wenn das Hybrid-Fach „Horror-Komödie“ wohl hauptsächlich den Zweck erfüllte, sich über die albernen Geschöpfe lustig zu machen, die früheren Generationen einmal Angst eingeflößt haben. Wenn Mel-Brooks-Autor Rudy De Luca also zwei Journalisten mit Bus und Bahn in die Karpaten schickt, damit sie eine passende Story zur bereits vorgefertigten Titelzeile „Frankenstein lebt!“ zimmern, hat er allen möglichen Nonsens im Sinn… nur mit Sicherheit keinen Horror.
Über weite Strecken wurde „Transylvania 6-5000“ an jugoslawischen Originalschauplätzen mit einheimischen Statisten gedreht. Dem Regisseur erleichtert dieser reale Bezug zu einem mystifizierten Ort die Umkehrung alter Klischees durch den Nachweis, dass sich Klischees nicht immer bestätigen. Gene Wilder würde zwar nur ein Jahr später mit seiner Haunted-House-Comedy „Hochzeitsnacht im Geisterschloss“ wieder liebevoll mit ihnen spielen, doch De Luca scheint nicht viel Interesse daran zu haben, die Funktionsweise des klassischen Horrorfilms zu rekonstruieren: Die Ankunft in Transsylvanien wird begleitet von allerschönstem Sommerwetter (was sogleich von einer der Hauptfiguren ironisch kommentiert wird), die nüchterne Optik erzeugt in etwa die Atmosphäre eines flapsigen Monty-Python-TV-Folge und Maske bzw. Effekte bemühen sich nicht einmal, ihre Möglichkeiten auszureizen. Das Resultat ist eine altbacken gefilmte Kostümparade im Tageslicht, die in Sachen Monster-Show auch noch ziemlich spät in die Gänge kommt (im Grunde genommen erst im letzten Drittel). Atmosphäre lässt sich mit dieser Vorgehensweise selbstverständlich nicht erzeugen.
De Luca hat allerdings auch gar nicht vor, die Klischees zu brechen, indem er sie vorher selbst mühselig aufbaut. Stattdessen geht er den bequemen Weg und betont ihre Abwesenheit, um das Übernatürliche als kindische Narretei zu entlarven. Dadurch wird Raum geschaffen für komödiantische Improvisation, bei der es darum geht, alle Beteiligten dieser Produktion zum Affen zu machen. Man muss nur die beiden lang gewachsenen Journalisten-Trampel im Büro ihres Chefs stehen sehen, um zu wissen, dass sie am fernen Zielort ihrer Reise völlig aus dem Rahmen fallen werden. Jeff Goldblum quittiert jede Situation in der ihm üblichen Weise mit einer gesunden Portion Skepsis gegenüber allem, was ihm irgendwie merkwürdig erscheint. Diese Nummer zieht er bis zum bitteren Ende durch, auch wenn ihm manchmal ein echtes Lächeln über die Lippen zu kommen scheint (und man sich fragt, ob es der Schauspieler oder seine Figur ist, die hier kurz die Maske fallen lässt)… sein Kollege Ed Begley, Jr. hingegen drückt sich mit Verlegenheit durch die Handlung und erzeugt in dem Versuch, möglichst unsichtbar aus der Gleichung zu kommen, das vermutlich größte Cringefest des Films. Dabei müssen die Beiden nicht einmal allzu oft miteinander agieren, um ihre Nummern auszuspielen. Es gibt eine gemeinsame Ein- und Ausbruchssequenz zu bestaunen, bei der sie sich auf eine äußerst seltsame Strategie mit Trick-17-Twist einigen, ansonsten stehen die Hauptdarsteller weniger im Dienste typischer Buddy-Comedy, als sie vielmehr dazu da sind, das Drehbuch mit zwei voneinander unabhängigen Handlungsfäden zu versehen, die sich gelegentlich kreuzen.
Keinesfalls jedoch ist das Skript komplett auf Goldblum und Begley, Jr. zugeschnitten, denn viele Nebendarsteller sind fast ebenso oft Zentrum ihrer eigenen Szenen. John Byner referenziert als unterwürfiger Butler den Typus „Renfield“ aus den Dracula-Filmen ebenso sehr wie den blinden Butler aus „Eine Leiche zum Dessert“, während Carol Kane als Bedienstete ein wandelnder Running Gag mit stets physischer Pointe ist. Jeffrey Jones spielt so überheblich-kumpelhaft, wie es eben nur Jeffrey Jones kann. Teresa Ganzel nimmt in ihrer unschuldigen Gesamterscheinung kein Blatt vor den Mund und Geena Davis ist als toupierter Blickfang im Einteiler mit Ultra-Ausschnitt der eine große Farbtupfer, über den die Produktion verfügt. Dass das Skript für sie übrigens kaum Berührungspunkte mit Goldblum vorgesehen hat, ist angesichts deren späterer Geschichte fast ebenso irritierend wie die Tatsache, dass Goldblums späterer Stammsprecher Arne Elsholtz hier nicht etwa Goldblum spricht, sondern Begley, Jr.
Vielleicht ist es aber Michael Richards („Seinfeld“), der mit seinen Verrenkungen als penetranter Bediensteter in Sachen Humorverständnis den Rhythmus angibt. Die stark an das Sketch-Format angelehnte Struktur der Gags verteilt sich ebenmäßig über all diese Köpfe und bleibt im erzählerischen Aufbau dadurch simpel, zweckmäßig und auch ein wenig faul. Die Gags werden oft über Minuten hinweg tot geritten und nehmen auf diese Weise komplette Filmabschnitte in Beschlag. Seltener wird der Zuschauer auch mal mit unerwarteten Situationen überrumpelt (wie beim „abhängen an der Mauer“). Der Spoof-Charakter eines „Frankenstein Junior“ wird dabei immer mal wieder gestreift, doch geht man wesentlich fahriger zu Werke.
Man muss diesen Stil schon mögen, sonst hat man schlechte Karten mit „Transylvania 6-5000“. Es ist eben kein Liebhaberstück, sondern eher eine flotte Komödie mit äußerst eigenwilligem Humor, deren Gelingen arg von subjektiven Maßstäben abhängig ist. Den Horror beutet sie eher aus, als ihn wertzuschätzen, fast einem Sensationstourismus gleich: Aufreizend die Gesten für ein nettes Erinnerungsfoto imitierend, um am Ende zu behaupten, dass alles Quatsch ist. Aufgrund des namhaften Casts nähert man sich diesem Film heute in gleicher Manier, aus Sensationslust nämlich. Es könnte ja ein Kracher dahinter stecken wie „Meine teuflischen Nachbarn“ mit Tom Hanks. Nun… vielleicht sollte man seine Erwartungen aber eher auf das Level „Valkenvania“ einpegeln.
(4.5/10)