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Der auch unter dem wesentlich passenderen Namen „Ein Toter lacht als Letzter“ vermarktete Psychothriller/Horrorfilm des leider am letzten Drehtag am Set tödlich verunglückten spanischen Regisseurs Claudio Guerin Hill aus dem Jahre 1973 zählt zum besten, was ich bisher an Filmen von der iberischen Halbinsel zu sehen bekam, und ist dennoch ein recht unbekannter Geheimtipp, der weiterhin hierzulande seiner DVD- oder BluRay-Veröffentlichung harrt. Das ist schade, denn hierbei handelt es sich um einen düsteren, makabren, absolut eigenständigen Film, der eine unwohlige Atmosphäre verbreitet und sich um Rachepläne innerhalb einer bedrohlichen, unwirtlichen Gesellschaft und die aus ihr resultierenden psychischen Abgründe des Einzelnen dreht. Hervorragend fotografiert und in einem Erzähltempo, das sich viel Zeit für die Charaktere nimmt und der Atmosphäre zur Ausbreitung verhilft, wird die Geschichte von John erzählt, der sich, frisch aus einer Irrenanstalt entlassen, an seinen Verwandten rächen will. Diese haben ihn anscheinend einweisen lassen, um ihm den Zugriff auf das Erbe seiner Mutter zur verwehren. Dabei wird er trotz oder gerade wegen aller makabren Späße zunächst zum Sympathieträger für den Zuschauer; ein Effekt, der sich nahezu ins Gegenteil verkehrt, wenn John auf immer sadistischere Weise versucht, sich seiner Verwandtschaft zu entledigen, bis er selbst nicht mehr sicher ist, ob er nicht vielleicht tatsächlich in der Nervenheilanstalt besser aufgehoben wäre. Die Art und Weise des Umgangs mit unliebsamen Zeitgenossen in einer entmenschlichten, bigotten Gesellschaft, die auch vor Vergewaltigungen Minderjähriger nicht zurückschreckt und über keinerlei Helden mit blütenweißer Weste verfügt, lässt sicherlich gewollt Parallelen zur spanischen Franco-Diktatur zu und versieht „Ab in die Hölle“ damit um einen intelligenten Subtext. Das Ende, in dem die im englischen Titel „A Bell From Hell“ titelgebende Glocke eine Rolle spielt, strotzt sodann nur so vor Symbolträchtigkeit, während die Schlusspointe deutlich macht, warum tatsächlich ein Toter als Letzter lacht. Hauptdarsteller Renaud Verley nimmt man das immer einen Schritt vorausdenkende, unnachgiebig sein Ziel verfolgendes (Rache-)Engelsgesicht zu jedem Zeitpunkt ab und die Identifikation mit ihm wird zu einer ungewöhnlich ambivalenten Angelegenheit. Unpassend erscheint mir keiner der Charaktere und manch ein Auge dürfte sich über freizügige weibliche Schauspielerinnen freuen. Ein rundum gelungener Film auf durchweg hohem Niveau, lediglich das Erzähltempo mag auf die Sehgewohnheiten jüngerer Zuschauer evtl. irritierend wirken. Dafür verfolgt „Ab in die Hölle“ einen gewissen Anspruch, der den meisten zeitgenössischen Produktionen abgeht. Claudio Guerin Hill schuf sich damit ein Denkmal, dem leider nicht die ihm zustehende Aufmerksam zukommt.

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