Hand aufs Herz: Im Grossen und Ganzen sind Ninjafilme Zelluloidmüll. Und da braucht man auch kein "aber..." anzusetzen, in der Kindheit kramen und mit Michael Dudikoff und Shô Kosugi die Idole einer einstmals riesigen Fangemeinde hervorziehen; deren Werke sind nicht besser und stellen trotz einer etwaigen Sperrspitze in der Beliebtheit auch keine gelungenen Genrevertreter dar.
Ausnahmen wie Ninja in the Dragon's Den, Duel to the Death, Owl's Castle, Postman fights back und Ninja Condors 13 existieren natürlich, aber die Meisten sind in ihren amateurhaften Qualitäten noch nicht einmal effektive Actionfilme. Es sei denn man bevorzugt wirklich die amerikanische Variante der drögen Behäbigkeit und holt sich sein sonstiges Adrenalin Sonnabend frühs bei den Power Rangers ab.
Und es gibt auch einen Grund, warum die Filme seit langem so gut wie ausgestorben sind und nur noch in der verklärten Erinnerung leben: Auch Trash hat nach unten sein Limit.
Deswegen verwunderte die Ankündigung von Herman Yaus Lethal Ninja erst, sein Aufschub vom eigentlichen Produktionsjahr 2004 bis zum Erscheinungstermin Ende 2006 dann aber nicht mehr. Das Projekt mit dem Allerweltstitel erregte allerhöchstens in beinharten Beharrlichkeitskreisen seine Aufmerksamkeit und präsentierte sich im eh schon stark reduzierten Ausstoss kantonesischer Fabrikate auch unter ferner liefen; wobei man die kalkulierbar angepeilte Käuferschar zumeist über den Anreiz der Obskurität lockte.
Die wenigen Zuschauerstimmen liessen genau das anklingen, was von Beginn weg der Produktion anlastete: Nicht nur, dass sowohl Regisseur als auch Darsteller weitab vom Zenit von Ruhm und Schaffenskraft stehen, es verfügt auch kaum Einer über ausreichende Erfahrung im kinetischen Kino.
Man mag zugestehen, dass es ehrhaft ist, sich etwas anzunehmen, was auf den ersten Blick gescheitert erscheint, aber letztlich festigt Yau und sein Team die gängigen Vorurteile eher, als dass man sie aushebeln kann. Und dies, obwohl man schon einen anderen Weg einschlägt; der allerdings mit seiner Harmonisierungsbotschaft noch mehr ins Verderben führt.
Yaus eigenes Drehbuch stellt mit der "crimson box" einen MacGuffin ins Zentrum der dünnhäutigen, aber die Schlüsselbegriffe erwähnenden Geschichte: Ein Gift und Heilmittel gleichermassen, dass sich in einer nicht zu öffnenden Schatulle befindet und von dem "internationalen Abenteurer" Brian [ Waise Lee ] und seinem Schergenninja Tora Daisuke [ Masato ] gestohlen wurde. Der einzige Zugang zu dem wertvollen Inhalt soll über den verarmten, trinkenden und todessehnsüchtigen Strassenmusiker Copy [ Dayo Wong ] erreicht werden, der das Teil aber zum ersten Mal sieht und sowieso nicht weiss, wie ihm geschieht. Plötzlich im Mittelpunkt angreifender Mächte wird er von der lower class Ninja Xiao Ling [ Eva Huang ] in das abgelegene Dörfchen Kirikakure gerettet, wo er bei ihrem Grossvater Master Basho [ Eddy Ko ] allerlei Weisheiten eingebleuht bekommt.
Dabei ist das Skript und entsprechend auch der Fortgang erst flott, dann zusätzlich noch interessant, dann missbilligend einfallslos und schliesslich nervend prätentiös, obwohl die Voraussetzungen so schlecht nicht stehen. Getreu der filmographischen Prämisse sieht man optisch nicht allzu weit entfernt von den seligen 80ern aus, weder von der formalen Strenge der Gebäudeausrichtung noch der rauheren, ungeschminkten Fotographie der geometrischen Anordnung oder den blass ombrierten Farben. Wohnstätten, Bars und vor allem auch das düstere Hauptquartier von Brian erinnern mitsamt dem kalten Neonlicht, dem electronic plastic und den knallbunten Chromanfertigungen stark an preiswertes Tech Noir und präsentieren ein hübsch - hässlich introvertiertes Visualisierungskonzept.
Sinnliche Oberflächen und ein natürliches Ambiente fehlen nahezu vollständig in der Tristesse der überhandnehmenden Nachtszenen voll Einsamkeit und Entfremdung. Auch der Fortschritt scheint keinen Einzug gehalten zu haben; den heutigen Angreifern und Verteidigern steht genausoviel oder -wenig Auswahlspielraum zur Verfügung wie noch bei Richard Harrison und seinen Buddys Steve Brettingham und Stuart Smith [ Cobra vs. Ninja, Ninja Hunt, Ninja Kill, Ninja: Silent Assassin etc. ].
Folglich ist die Action in dieser tradierten Sprache der Verwandlung in Comicfiguren gehalten; übrigens trotz low budget Volumen zumindest häufiger als sporadisch am Start und mit dem Choreographen Nicky Li auch über Jemand an Bord verfügend, der anders als seine Darsteller über weitreichende Kenntnisse im Swordsplay / Martial Arts Bereich aufweist. Auch eine flinke Kameraführung wird dem Film zugestanden, wobei Yau und Li gemäss der ungeschriebenen Gesetze allerlei Humbug in der Umsetzung verwenden: Die fliegenden Kleiderwechsel, Gesichtsmasken, das Hervorschiessen aus dem Boden und das Benutzen von Wurfstein, Angelhaken, Schwert und Minibomben werden in angenehmer Quantität eingebunden, sieht im Verbund aber desöfters nicht dermassen überzeugend aus, dass es im Ausgleich viel zu retten vermag. Nach dem schönen Opener mit Einbezug von Autos, modernden Schusswaffen, einer Strassenillusion und Crashs ist auch im cineastischen Exzess weitgehend die Luft raus, zumindest wird dieser stilistische Furor nicht mehr erreicht, auch wenn man hier und da etwas Heftigkeit aufladen vermag. Immerhin legt man die erste halbe Stunde neben Verfolgungsjagden zu Fuss durch einen Konsumtempel auch manch bodenständige Handkantenkombinationen vor, um sich erst dann aus den Zivilisationsschäden hinaus in den begrünten Mythos vom kleinen privaten Glück zu begeben.
Denn was sich anfangs als flapsig albernes, preiswertes, aber alle Möglichkeiten ausschöpfendes B-grade picture andeudet, wird über die steigernde Minutenzahl speziell mittig zu einem verquasten, sich viel zu Ernst nehmenden Selbstfindungstrip; der nicht nur im Aussehen, sondern eben auch der Erzählform ganz unangenehm an den gleichzeitigen Legend of the Dragon und seine Reaktion gegen den Rationalismus erinnert. Obwohl die Quellen komplett unterschiedlich sind und man hier sicherlich nicht dies geißelnde Niveau des indirekt propagandistischen Nebenbuhlers erreicht, so sind die Themen in Theorie und Praxis doch auffallend ähnlich gehalten. Schon die Stossrichtung ist identisch plump. Wieder einmal wird das friedlich - beschauliche Landleben der schmuddelig - kalten Stadt gegenüberstellt, in der die Menschen einander nur noch kennen, wenn sie etwas von Anderen wollen. So lebt Copy tagsüber in einer versifften U - Bahn Unterführung, wo er mit seiner Musik den kargen Lebensunterhalt decken möchte, aber Keiner auf seine intonierte Schönheit achtet. Im Dorf kann er den Rattenfänger von Kirikakure spielen; dort lauscht ihm Jeder andächtig mit grossen Augen. Und während man sich in der anonymen, ständig dunklen Metropole im stillen Kämmerlein den Schnaps hinter die Binde kippen muss, um das Leid zu vergessen und einem sogar der Hund wegen der letzten, leider schon verdorbenen Wurst wegstirbt, gibt es in freier Wildbahn neben Herbstwald und Föhnhimmel sogar einen Wunschbaum.
Man kann es übertreiben, den Film auseinanderzunehmen und schlechtzureden; Tatsache ist aber, dass er im Aufzeigen von Lebensentwürfen, Rollenbildern und Fragen zur Gleichstellung eben diese Breitseite bietet und dies auch nicht guttut. Hinzukommt nämlich noch ein Romeo und Julia - Strang, der den Angehörigen verfeindeter Ninjaclans nicht die offene Liebe zugesteht, sowie eine non-profit Beratungsstelle für Essstörungen - die zwischen kontrastierenden Empfindungen stehende Ninja Hibiki [ Hisako Shirata ] veweigert sich dem Fleisch - und ganz allgemein ein Kompetenznetz in Personalunion: Die Lebensweisheiten von Basho füllen später wortwörtlich ganze Wände. Dies alles wird zugeklatscht mit einem grossen Schlag aus der Abteilung der meditativen, religiös angehauchten Ambient-Musik, Rubrik Michael Cretu.
Diesen Fehlschlag der Beschreibung von Gefühlslagen und emotionalen Befindlichkeiten modernder Psychologie kann man leider nicht mit phantastischer Nostalgie wieder gutmachen.