Als die Aliens augenzwinkernd lernten, was französischer Surrealismus ist
Wer dachte "Alien³" hätte einen miesen Ruf, der darf sich zum vierten Alien eigentlich gar nicht umhören, erst recht nicht wenn man den Film mag. Umso froher bin ich, dass er hier auf OFDb besser abschneidet und seine Fans hat. Da fühle ich mich direkt wohl. War er doch der Alien-Teil, den ich als erstes sah. Oder zumindest Teile davon als junger Teenager auf VHS. Eine ganze Generation ist mit ihm aufgewachsen und schätzt ihn daher höher als manch alt eingesessener Kritiker, der das unerreichte Original 1979 vielleicht noch selbst im Kino gesehene hat. In "Alien: Resurrection" wird Ripley 200 Jahre nach den Geschehnissen auf Fury 161 geklont und das Spiel beginnt von vorne... mehr oder weniger. Nur ist eben Ripley nun teilweise Alien und dadurch übermenschlich stark, das Script ist von Buffy-Erfinder Joss Whedon leichter geschrieben als es Regisseur Jeunet auf die Leinwand bringt und das Thema ist nicht mehr nur Monster-gegen-Mensch-im-All, sondern hat einen Schuss Frankenstein's Mutter und Endzeit spendiert bekommen.
Wie oft machen Wissenschaftler, Soldaten, Wirtschaftmogule oder einfach dumme Menschen eigentlich noch den Fehler, die Xenomorphs zähmen oder untersuchen zu wollen? Man weiß es nicht und irgendwann ist selbst das beste Filmmonster innovativ am Ende. Die Klon-Idee ist schon hart an der Grenze des Lächerlichen und so manch weitere Komponente von "Alien: Resurrection" verleitet zum Kopfschütteln - ich sag' nur seltsamer Alien-Mensch-Hybrid am Ende. Zudem harmonieren Whedons leichtfüssiger Schreibstil und Jeunets surrealistischer "Delicatessen"-Gore-Stil nicht immer perfekt. Um es mal freundlich zu formulieren. Aber eins kann man diesem Abschluss der Saga nicht vorwerfen: das er nicht verdammt gut unterhält! Ich bevorzuge die "Special Edition" auf Grund des witzigen Anfangs, der den Ton des Films schonmal passend setzt, wie des apokalyptischen Endes auf der Erde. Als i-Tüpfelchen für Fans gibt es schon starke "Firefly"-Vorahnungen.
Ein paar Beispiele gefällig, warum "Alien 4" Entertainment groß schreibt? Ron Perlman ist ein Arschtreter vor dem Herrn in diesem Film. Die Farben, der Stil, das Artdesign, die Atmosphäre sind mal wieder vollkommen der Regisseur. Ich denke hier wurde dem Franzosen wesentlich weniger hereingeredet als Fincher vor ihm. Es ist der bis dato brutalste Alien-Film und die Gewalt wird durch ein durchgeknalltes Augenzwinkern sogar nochmal auf eine andere Stufe gehoben. Außerdem ist Sigourney Weaver wie immer in ihrer Paraderolle, die Effekte sind erstklassig und die gesamte Sequenz ab dem Tauchgang im Rumpf des Schiffes ist ein Actionfeuerwerk der Extraklasse. Teilweise bringt "Alien 4" die besten Zutaten seiner Vorgänger zusammen und würzt diese mit einer spürbaren Prise "Jeunet". Etwas ärgerlich bzw. befremdlich ist, dass Ripley nicht mehr unsere Ripley ist und Winona Ryder zwar süß aber nicht wirklich stark in ihrer traditionsreichen Roll ist. "Alien: Resurrection" ist Vieles - aber sicher keinen Rant wert!
Fazit: gory, fun, strange - "Alien: Resurrection" ist ein spezielles Kuddelmuddel. Die Rechnung Jeunet + Whedon hätte zwar einen (noch) besseren Film ergeben müssen und es ist der schwächste Film der originalen vier Aliens, aber ich bin mit ihm aufgewachsen und mag seine seltsame Mischung aus Splatter, Endzeit-Surrealismus und dunkelstem Humor.
P.S.: Eine Empfehlung ist es für Fans, Joss Whedons Script zu lesen und zu staunen, wie weit ein Film von der Vision des Schreibers abweichen kann!