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1989 Tango & Cash oder „Zwei handsame Profis" (Sly Nr. 16)

Das ganze geht schon mal echt bombig los. Okay, nicht für die Baddies, denn die werden auf ihrer gemütlichen Drogentransportfahrt über die schönen Highways der noch schöneren USA recht unsanft gestoppt. Ein mit Nickelbrille und Armani ausstaffierter Großstadtcop stellt sich ihnen einfach in den Weg und ballert so lange ungerührt auf ihre Frontscheibe, bis sie ihren 20-Tonner zum stehen bringen. Schließlich will man keinen Gesetzeshüter überfahren, nicht in Amerika. Leider haben sie auch die allgegenwärtigen „Buckle up!"-Schilder übersehen, so dass sie sich nach einem unfreiwilligen Sturzflug mitsamt ihrer Windschutzscheibe auf dem Asphalt wieder finden. Dort wedelt dann der süffisant grinsende Schnösel-Bulle auch noch mit 2 Paar Handschellen.  

Eines wird also schon nach wenigen Minuten klar, wir befinden uns inmitten einer launigen Actionsause, die auch den Zyniker unter uns nicht vergisst. Ende der 1980er Jahre hatte die stoische Ein-Mann-Armee einem neuen Helden-Typus Platz machen müssen. Der war entweder verletzlicher, oder witziger, oder beides, in jedem Fall menschlicher als sein übergroßer Vorgänger, bei dem Muskeln, Knarren und Oneliner das Maß aller Dinge waren. Sly Stallone und Arnie Schwarzenegger bedienten diese Motive praktisch exklusiv, jedenfalls stand alle anderen in ihrem Schatten. Nun hieß es für die beiden Alphamännchen umdenken, wollte man sein Millionenpublikum nicht verlieren. Stallone sollte sich dabei deutlich schwerer tun wie sein österreichisches Pendant, aber anno 1988 war er noch guter Dinge die unerwartete Schlappe mit dem als Selbstläufer eingeplanten „Rambo III" wieder ausmerzen zu können. Da kam das Buddy-Cop-Angebot „Tango & Cash" gerade recht, denn hier konnte er menschlicher und humorvoller auftreten, ohne das sichere Actionterrain verlassen zu müssen.

Allerdings bedeutet dies auch, sich Leinwand, Poster und Credits seit einer gefühlten Ewigkeit mal wieder teilen zu müssen. Mancher war skeptisch ob Stallone seinen Costar Kurt Russel als gleichwertigen Partner akzeptieren würde, schließlich hatte es der nicht zu Superstar-Ehren gebracht, seiner Kultrolle in John Carpenters „Escape from New York" zum Trotz. Am Ende löste sich alle Bedenken in Luft auf, verstanden sich doch die beiden Stars auch abseits der Kamera prächtig und sind bis heute gut befreundet. Diese Chemie wird auch im Film sichtbar, was sie so manche Schwächen in anderen Bereichen ausgleicht. Inszenierung und Storytelling geraten nämlich ein ums andere Mal ins Straucheln, da ist man froh, sich von den Frotzeleien und Kabbeleien der beiden gut gelaunten Titel-Recken ablenken lassen zu können.

Das Hauptmanko ist dabei das Fehlen einer echten Bedrohung bzw. eines ernst zu nehmenden Gegners. Der betagte Jack Palance wirkt als von den Erfolgen der beiden Cops bis aufs Blut gereizter Mafia-Boss mehr drollig, denn blutrünstig. (Was will man bei einem schnöseligen Namen wie Yves Perret auch schon erwarten.) Der Plan die beiden Starpolizisten in die Falle zu locken wird den Schergen aus der mittleren Führungsebene mit kindlichem Eifer präsentiert, von eiskalter, perfider Berechnung keine Spur. Echte Sorgen muss man sich also weder um Ray Tango, noch um Gabriel Cash machen, was durchaus ein Problem darstellt. Denn auch in seiner launigeren Ausrichtung schadet es im Actionkino nicht, wenn man mit seinen Helden mitfiebern und mitleiden kann. „Lethal Weapon" hatte hier ein Jahr zuvor Maßstäbe gesetzt, an denen „Tango & Cash" einigermaßen deutlich vorbeischrammt.

Wenn schon nicht mit Klasse, bekommen es die beiden Helden zumindest mit Masse zu tun. Perret mag keine sonderlich angsteinflößende Nemesis sein, aber entsprechendes Fußpersonal kann er in Hülle und Fülle aufbieten. Also müssen sich Tango und Cash durch dicht besetzte Reihen mehr oder weniger gefährlicher Schergen prügeln, schießen und kalauern, bis sie schließlich im großen Finale mit Feuerkraft und Pferdestärken das feindliche Hauptquartier stürmen und natürlich in ultimativ krachiger Manier auseinander nehmen. (Immerhin darf sich dabei wieder einmal Kultbaddie Brian James (u.a. „Balde runner", „Nur 48 Stunden", „Red Heat") so richtig austoben.)
Das alles macht jede Menge Spaß, nicht nur weil Stallone und Russel mit vollem Körpereinsatz ihr Genre-Talent zur Schau stellen, sondern auch weil hinter der Kamera und am Schneidetisch erkennbar Kompetenz am Werk war. Im prädigitalen Zeitalter bekommt man hier noch echte Handwerkskunst und Pyrotechnik geboten, was vor allem angesichts der heutigen Rechner-Untaten so richtig einschlägt.

Abseits der Action holpert es aber hier und da, die Uneinigkeit zwischen Produzent Jon Peters (der einen Lethal Weapon-Ableger wollte) und Regisseur Andrey Konchalovskiy (der eine deutlich ernstere Richtung anvisierte) war nicht gerade förderlich und führte zu einem uneinheitlichen Neben- und Durcheinander von ernsten und komischen Szenen, womit der Film etwas orientierungslos wirkt. Die Beziehung von Ray und seiner Schwester Katherine (Teri Hatcher in einer frühen Rolle) ist ein solches Beispiel unausgegorener Drehbucharbeit und verschiedener Zielvorgaben.
Die ungute Folgen waren Verzögerungen, Budgetüberschreitungen und Streit am Set, so dass Konchalevskiy kurz vor Ende der Dreharbeiten entnervt das Handtuch warf und durch 2nd-Unit-Regisseur Peter MacDonald ersetzt wurde, der wie schon bei „Rambo III" als Retter und Flickschuster einsprang. Dazu musste auch noch ein weiterer Filmkomponist verpflichtet werden, da der viel zu kurzfristig engagierte Harold Faltermeyer („Beverly Hills Cop") in seinem geringen Zeitfenster nicht alle Szenen vertonen konnte, was die tonalen Dissonanzen nun auch tatsächlich auditiv offen legte.

Nicht sonderlich originell aber zumindest stimmig waren die beiden Hauptrollen angelegt. Während Kurt Russel mit dem rüpeligen Gabriel Cash ein unverhohlenes Potpourri seiner Carpenter-Helden Snake Plissken und Jack Burton („Big Trouble in Little China") aufführt, gibt Sly mit dem eleganten und versnobten Ray Tango den diametralen Widerpart seiner vorigen Underdog-Rollen. Mit Armani-Anzug und intellektueller Nickelbrille ausstaffiert wirkt das bisweilen eine Spur zu gewollt, bildet aber ein launiges Gegenstück zum prolligen Buddy wider Willen, wozu nicht zuletzt Stallones selbstironisches Spiel gehörig beiträgt. Auch wenn die Teambildung zweier völlig unterschiedlicher Charaktere nicht gerade filmisches Neuland bedeutete, so sorgen die beiden alten Genrehasen immerhin dafür, dass man ihnen die redundante Konstellation nie übel nimmt und gerne abkauft.

So sah es wohl auch das damalige Kinopublikum, ignorierte einigermaßen wohlwollend die vorhandenen Schwächen und spülte allein in den USA $63 Millionen in die Kassen. Zusammen mit dem internationalen Einspiel war das mehr als ein ordentlicher Erfolg nach den letzten Enttäuschungen mit „Over the top", „Rambo III" und „Lock up", wenn auch nach wie vor einigermaßen deutlich von den Hochzeiten mit „Rambo 2" und „Rocky IV" entfernt. Als Bestätigung mit der sanften Neuorientierung auf dem richtigen Weg zu sein, reichte es Stallone aber, zumal er mit dem fünften Teil der Rocky-Saga ein vermeintlich todsicheres Eisen im Feuer hatte.

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