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Nach seinen ersten beiden Filmen, zu denen er jeweils selbst das Originaldrehbuch schrieb, verfilmte Damiano Damiani mit „L’Isola di Arturo“ erstmals einen Roman. Das er dabei auf ein Buch von Elsa Morante zurückgriff, war in mehrfacher Hinsicht folgerichtig. Die Autorin galt in den 50er Jahren als genaue Beobachterin der italienischen Nachkriegszeit, was Damianis neorealistischem Einfluss entgegen kam, sie widmete sich hier zudem der Phase der Adoleszens, worin eine Verbindung zu Damianis erstem Film „Il Rossetto“ zu erkennen ist und gehörte als Ehefrau von Alberto Moravia zu seinem Bekanntenkreis. Nach deren Trennung 1962 sollte Damiani noch drei Filme auf Basis von Moravias Büchern drehen.

Anders als „Il Rossetto“, der in seiner Betrachtung der italienischen Gegenwart schon viele Elemente von Damianis späteren Polit-Thrillern vorweg nimmt, scheint „L’Isola di Arturo“ einer anderen Zeit entsprungen. Arturo (Vanni De Maigret) lebt auf der kleinen Insel Procida, die am Golf von Neapel nicht weit vom Festland entfernt liegt, und mit ihren schroffen Felsen, pittoresken Gebäuden und dem darüber thronenden Kastell einen wunderschönen Hintergrund bildet. Auch das Leben des 17jährigen wirkt sorgenfrei zwischen Strand und dem großen, fast leer stehenden Palazzo, in dem er wohnt. Dass es auf der Insel nur wenig Arbeit gibt und die Häuser langsam verfallen, spielt keine wesentliche Rolle, angesichts der äußeren Schönheit und der Tatsache, dass alle Bewohner der Insel in einer ähnlichen Situation leben.

Das lässt beinahe vergessen, dass Damianis Film in der italienischen Gegenwart der beginnenden 60er Jahre spielt, doch unmerklich wird die Idylle gebrochen. Arturo wächst ohne seine Eltern auf, da seine Mutter früh gestorben ist, und sein Vater sich auf dem Festland aufhält, um dort zu arbeiten. Als er sich jetzt wieder ankündigt, lebt Arturo, der seine Zeit meistens allein verbringt, sofort auf und rennt strahlend zu dem kleinen Hafen, an dem sein Vater Wilhelm (Reginald Kernan) mit der Fähre ankommt. Trotz der langen Zeit, die sie sich nicht gesehen haben, bleibt dieser in seiner Reaktion kühl und erwidert kaum die Emotionen seines Sohnes, auch wenn er mit ihm gemeinsam schwimmen geht. Erst als er beinahe seine Uhr im Wasser verliert, reagiert er äußerst aufgeregt und später in einer Form erleichtert, die in starker Diskrepanz zu seiner sonstigen Kühle steht. Trotz dieses Verhaltens bleibt Arturos Liebe und Begeisterung für seinen Vater, der kurz danach wieder verschwindet, ungebrochen.

Als dieser einige Monate später wieder zu der Insel zurückkommt, ist er nicht allein. Er bringt eine junge Frau mit, die er kurz zuvor auf dem Festland geheiratet hatte. Nunziata (Kay Meersman) ist sehr hübsch und kaum älter als Arturo. Wer nun glaubt, dass sein Vater wieder sesshaft wird, irrt, denn Wilhelm ist schon nach kurzer Zeit wieder verschwunden, ohne Frau und Sohn irgendwelche Informationen zu hinterlassen. Immer mehr entwickelt sich Elsa Morantes Geschichte zu einer differenzierten Betrachtung der Rolle der Frau im Italien der Nachkriegszeit. Der eigenwillige und scheinbar untypische Hintergrund der kleinen Insel, macht die Abhängigkeit und Unselbstständigkeit noch deutlicher. Obwohl Wilhelm keine Verantwortung übernimmt und auch die Emotionen zwischen den Ehepartnern nur wenig liebevoll sind, bricht Nunziata nicht aus ihrer Rolle der guten Ehefrau aus, obwohl sie dazu leicht die Möglichkeit hätte.

Stattdessen muss Arturo zunehmend die Aufgaben des Vaters übernehmen, als sie feststellen, das Nunziata schwanger ist. Zuerst wehrt er sich, aber die reizende junge Frau vertraut sich ihm an und er verliebt sich in sie. Der deutsche Titel „Insel der verbotenen Liebe“ suggeriert hier einen Tabubruch, aber Elsa Morantes Roman und Damianis Umsetzung schildern das genaue Gegenteil. Die Emotionen der einzelnen Personen sehnen Veränderungen herbei, aber sie können die gesellschaftlichen Regeln nicht überwinden. Ganz offensichtlich erwidert Nunziata Arturos Gefühle, aber sie lässt diese nicht zu. Als der Vater kurz nach der Geburt seines Kindes wieder zurückkehrt, spitzt sich die Lage weiter zu, aber es kommt zu keinem offenen Konflikt. Im Gegenteil wirkt Wilhelm gebrochen und niedergeschlagen und als Arturo ihm heimlich folgt, muss er erkennen, dass sein Vater in einen Mann verliebt ist, der mit ihm gemeinsam auf die Insel kam, aber von der Polizei in das Inselgefängnis gesteckt wurde…

Arturo liebt seinen Vater und ist in dessen Frau verliebt, schläft aber mit einer anderen Frau, nachdem Nunziata sein Ansinnen ablehnte. Diese ist zwar unglücklich in der Beziehung mit Arturos Vater, konzentriert sich aber auf ihr Kind und bricht nicht aus ihrer Rolle aus. Wilhelm liebt, seit dem er mit ihm gemeinsam im Krieg war, Tonino (Luigi Giuliani), versucht trotzdem ein normales Familienleben aufzubauen, dem er sich gleichzeitig wieder entzieht. Nicht einen Moment wirken diese Emotionen unglaubwürdig oder konstruiert, was auch an der Leichtigkeit und undramatischen Inszenierung liegt, mit der Damiani diese Konstellation aufbaut. Elsa Morantes Erzählung gipfelt in einer genauen Beobachtung eines Italiens der Nachkriegszeit, das nicht aus den moralischen und gesellschaftlichen Zwängen herausgefunden hat und damit die Umsetzung individueller Sehnsüchte zum Scheitern bringt.

In dieser Konsequenz sind auch Parallelen zu Damianis späteren Werken zu erkennen, denn dieser lässt seine Protagonisten mit ihren inneren Konflikten zum Schluss allein und bietet keine Lösungen an. Hier wird schon sein zukünftiger Pessimismus erkennbar, der nicht an die Möglichkeit der Veränderung innerhalb einer Gesellschaft glaubt. Einzig Arturo wird diese zugestanden, indem er die Insel enttäuscht verlässt und damit seine Familie zurücklässt. Ob sich daraus auch eine tatsächliche Veränderung ergibt, lässt der Film offen (8/10).

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