Review

„Willst du denn immer nur kleine Brötchen backen?“

Zwischen „Der Sizilianer“ mit Bud Spencer und seinem „Straßenmädchen-Report“ drehte der italienische Genre-Regisseur Carlo Lizzani („Mögen sie in Frieden ruhen“) den 1974 veröffentlichten Mafia-Gangster-Film „Testament in Blei“. Entstanden ist dieser in italienisch-US-amerikanischer Koproduktion und so spielt er auch nicht in Lizzanis Heimat, sondern in New York. Er basiert auf dem Leben des realen Gangsters Joseph „Crazy Joe“ Gallo.

„Das waren die Nigger! Die Nigger!“

Joe (Peter Boyle, „Frankenstein Junior“) und sein Bruder Richie (Rip Torn, „Wendekreis des Krebses“) haben wenig Lust, nur unterbezahlte Handlanger der Mafia zu sein, sondern wollen innerhalb der Organisation höher hinaus. Das klappt jedoch nicht so recht, und so landet Joe für zehn Jahre im Knast. Dort lernt er Willy (Fred Williamson, „Hammer“) kennen, einen Schwarzen, für den er eine Art Mentor wird und der nach seiner Haftentlassung zu einem großen Fisch im Drogenhandel avanciert. Mit ihm macht Joe gemeinsame Sache, sodass die erste afroamerikanisch-Italienische Mafia entsteht – die der alten Organisation ein Dorn im Auge ist…

Jener Willy ist angelehnt an den realen Mafioso Leroy Barnes; in welchen Aspekten dieser Film nah an Gallos Biographie bleibt und wo er sich Abweichungen erlaubt, vermag ich aber nicht zu bestimmen. Im Prolog jedenfalls sieht sich Joe den Gangsterstreifen „Der Todeskuss“ im Kino an – und wiederholt jede Dialogzeile. Wer sich darüber beschwert, wird mit dem Messer bedroht. Die Handlung steigt am 15. September 1960 ein, wie eine Datumseinblendung verrät. Während einer Fahrt zu einem brutalen Überfall singt man ausgelassen „Figaro“. Joe terrorisiert Ladenbesitzer, ist aber beliebt bei Kindern – er rettet sogar welche aus einem brennenden Haus. Lizzani scheint daran gelegen, Joe Gallo als ambivalente Figur zu zeichnen, die eben nicht nur skrupelloser Gangster und Gewaltverbrecher ist.

In recht hohem Erzähltempo leitet der Film durch mehrere Zeitsprünge: 1961, 1964, schließlich 1970. Häufig wird das genaue Datum eingeblendet, was dem Film einen dokumentarischen Charakter verleiht. Während Joes Gefängnisaufenthalt vermittelt er bei einem Aufstand der Insassen. In diesem Zusammenhang wird antischwarzer Rassismus thematisiert, gegen den Joe sich ausspricht. Die mafiöse Zusammenarbeit mit schwarzen Kriminellen liegt da nahe. Nebenher wirft Lizzani ein Auge auf politische und gesellschaftliche Entwicklungen, zeigt, wie Italiener in die Politik gehen und große Demonstrationen anberaumt werden. Leider wirkt der Film dabei ziemlich unentschlossen und lässt Tiefgang vermissen, reißt soziale und gesellschaftliche Begleitumstände letztlich nur an.

Zugunsten eines intensiveren, persönlicheren „Crazy Joe“-Biopics hätte man darauf gut und gern verzichten können. So wirkt Lizzanis Film – aller Qualitäten zum Trotz – etwas halbgar und in seinen Versuchen, einen Mafiakiller als Sympathieträger zu charakterisieren, mal genial, mal schräg. Dafür kann die Besetzung voll überzeugen und ist auch der Soundtrack Giancarlo Chiaramellas ein Genuss, der zudem mit vielen zeitgenössischen Hits angereichert wurde. Fast alle Szenen sind mit Musik unterlegt – und das ohne, dass es nervig würde. Eine Texttafel am Schluss informiert darüber, wie es weiterging. Das sei hier natürlich nicht verraten, lässt sich aber vielerorts nachlesen. Eines ist „Testament in Blei“ in jedem Falle: ein interessanter, sehenswerter italo-amerikanischer New-York-Film.

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