CHI L'HA VISTA MORIRE beginnt mit einem brutalen Kindermord in verschneiter Landschaft. Allem Anschein nach hat eine schwarzverschleierte Dame etwas gegen rothaarige Mädchen. Und weil die Zeit eben zyklisch verläuft, schwebt die kleine Tochter des Künstlers Franco zwei Jahre später in Lebensgefahr, kaum daß sie ihren Vater in Venedig besucht.
Leider hilft alles nichts: Die kleine wird tot aus dem Wasser gefischt. Franco, der immerhin von Eintags-007 George Lazenby verkörpert wird, beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln. Schon bald tut sich vor ihm ein Abgrund an sexueller Perversion auf, in den Einflußreiche Personen verwickelt scheinen...
Wer auf hochstilisierte Tötungsorgien wartet, dürfte von Aldo Lados zweitem Giallo nach MALASTRANA ziemlich enttäuscht sein. Die Auftritte der Mörderin sind zwar ziemlich spannend, von einem nervenzerfetzenden Kinderchor begleitet, in Szene gesetzt, aber der Härtegrad dürfte heutztage wohl niemanden mehr erschüttern. Dafür geht der Film wenigstens ziemlich freizügig mit der Darstellung nackter Tatsachen und sogar einiger SM-Spiele um.
Aber Lado geht es hier auch gar nicht in erster Linie um solch zweifelhafte, aber nichtsdestotrotz publikumswirksame Schauwerte, sondern um solide Thriller-Atmosphäre. Diese wird jedoch leider nur stellenweise erreicht, z.B. bei mehreren gescheiterten Mordversuchen an der kleinen Roberta, die Genrefreunden aus zahllosen Italo-Schockern bekannt sein dürfte. Die Einstellungen, bei denen man das Geschehen durch den schwarzen Schleier der Mörderin sieht, sowie mitunter ziemlich hektische Schnittfolgen lassen durchaus formales Geschick erkennen. Die meiste Zeit jedoch darf man einem irgendwie fertig wirkenden George Lazenby (mit Schnauzbart) bei seinen Ermittlungen in den besseren Kreisen Venedigs zuschauen. Daß der ehemalige Bond-Gegner Adolfo Celi (THUNDERBALL) dabei einigen Dreck am Stecken hat, dürfte wohl klar sein, trotzdem weiß die abschließende Aufklärung des Falls nach spannendem Showdown vor allem den religiösen Zuschauer zu entsetzen.
Alles in allem ein sauber inszenierter Krimi mit einem interessanten Score von Meister Ennio Morricone, der zu seiner Entstehungszeit zu provozieren wußte, aus heutiger Sicht jedoch fast zahm erscheint.