Nicht im Geheimdienst ihrer Majestät, sondern im Dienste der schönen Künste steht George Lazenby in diesem Film von Aldo Lado, in dem er einen in Venedig lebenden Bildhauer spielt, der von seiner in London lebenden kleinen Tochter besucht wird. Doch ein Kindermörder geht um, und so endet der Besuch für das Mädchen recht bald mit dem Gesicht nach unten im Canale Grande. Die Doppelnull ist verständlicherweise verärgert und macht sich auf die Suche nach dem Täter, wobei Dinge ans Tageslicht kommen, von denen Enzo Normalverbraucher lieber gar nichts wissen möchte.
Thriller, in denen Kinder im Visier eines Serienmörders stehen sind immer etwas heikel. Man kann mit aller Ernsthaftigkeit an das Thema herangehen und auf unterschiedliche Weise so beklemmend verstörende Werke schaffen wie etwa "M" oder Sean Penns "Das Versprechen". Das Terrain des reinen Unterhaltungsfilms hätte man damit jedoch verlassen.
Oder man lässt alle Zurückhaltung fahren und überträgt die Gialloregeln, zu denen fraglos eine ordentliche Portion Gewaltvoyeurismus gehört, eins zu eins auf sein Sujet und setzt sich damit leicht und nicht ganz unberechtigt dem Vorwurf der (um diese Filmdienst-Lieblingsvokabel einmal zu bemühen) "Geschmacksunsicherheit" aus, wie etwa Fulci mit "Don't torture a Duckling".
Aldo Lado versucht mit "Who saw her die?" ähnlich wie Roeg mit "Wenn die Gondeln Trauer tragen" einen Spagat und scheitert meines Erachtens nicht. Sein Film ist unterhaltsam, stellenweise sogar recht spannend, die Handlung angemessen verworren. Die Mordszenen sind zwar genreuntypisch verhältnismäßig zurückhaltend, bzw. im Fall des einen Kindermordes überhaupt nicht gefilmt, (Insofern mache ich keinem Giallopuristen, der sich weigert, diesen Film als solchen zu bezeichnen, einen Vorwurf) die sonstigen Zutaten sind jedoch alle enthalten. Es gibt einen Haufen sehr sehr verdächtiger Gestalten, einen wunderbar einprägsamen Kinderchor-Score von Morricone, Titten, unfähige Polizei, sehr ordentliche Suspenseelemente und sogar schwarze Handschuhe. Nur statt J&B wird aus unerfindlichen Gründen diesmal was anderes getrunken, insofern ist es eigentlich echt kein Giallo.
Auch handwerklich kann man Lado beim schlechtesten Willen keinen Vorwurf machen. Der Mann hat seine Hausaufgaben gemacht und kann schon mehr, als die Kamera gerade halten. Die etwas morbide Atmosphäre der nebeligen Lagunenstadt wird sehr hübsch in Szene gesetzt, Schauplätze sind mit Bedacht gewählt und einige inszenatorische Gimicks wie Kameraeinstellungen, Flashbacks, Parallelmontagen und ein hundsgemeiner Schnitt, der etwas mit einem Metzgerladen zu tun hat, lassen einen inspirierten Regisseur erkennen. Nur die Schauspielerleistungen fand ich teilweise nicht ganz so überzeugend, wie einer meiner Vorredner. Insbesondere in den Szenen zwischen Lazenby und Anita Strindberg, die seine (Ex-?)Frau spielt, tritt doch eine gewisse Begrenztheit emotionaler Ausdrucksmöglichkeiten zutage. Ich denke, dass es auch kein Zufall ist, dass es keine Szene gibt, in der die Eltern vom Tod ihres Kindes erfahren. Wahrscheinlich wollte der Regisseur seine Darsteller nicht überfordern.
Ein Wort noch zu der auffallenden Ähnlichkeit mit "Wenn die Gondeln Trauer tragen". Diese ist dermaßen augenfällig, dass man sich fragen muss, ob Roeg, dessen Film nur wenig später entstanden ist, nicht bei Lado im Kino gesessen und sich gesagt hat: "Krass, Kinder tot in Venedig. Das mach ich nächstes Jahr auch. Nur besser. Mit mehr Psychologie und so." Selbst die Berufe der Hauptfiguren sind ähnlich. Bildhauer und Restaurator. Roeg hätte Sutherland doch wenigstens zum Börsenmakler oder so machen können. Egal. Sein Film ist trotzdem super. Der hier besprochene ist auch sehr ordentlich. 7 von 10. Bin sehr auf "Malastrana" gespannt, von dem ich bisher nur Gutes gehört habe.
PS.: Die Kritik von D-EVIL enthält einen Spoiler, der einem den Film schon ordentlich verderben kann.