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Bereits für seinen ersten großen Filmerfolg, das Drehbuch zu „Fast Times at Ridgemont High“, hatte Cameron Crowe auf eigene Erfahrungen, nämlich seine Undercover-Recherche an einer Highschool zurückgegriffen. Ähnlich sah es bei seinem wohl beliebtesten und besten Film aus, „Almost Famous“, in dem er seine Zeit als junger Musikjournalist verarbeitete.
Crowes Alter Ego heißt William Miller (Patrick Fugit) und stammt aus dem stockkonservativen, religiösen, trotzdem irgendwie ökologischen Haushalt der alleinerziehenden Mutter Elaine (Frances McDormand). Deren Verbotsgebaren schlägt Williams Schwester Anita (Zooey Deschanel) in die Flucht, die bei der ersten Gelegenheit auszieht und Stewardess wird. Dem Bruder hinterlässt sie ihre Plattensammlung, die den schmächtigen Jüngling, der viel früher eingeschult wurde und der Kleinste in seiner Klasse ist, zur Rockmusik bringt – alles Fakten, die tatsächlich auf Crowe zutreffen. Ebenso wie seine Freundschaft zu dem (real existierenden) Musikkritiker Lester Bangs (Philip Seymour Hoffman), der ihm wichtige Tipps gibt.
Mit diesen Ratschlägen im Gepäck erhält William tatsächlich Aufträge vom Rolling Stone Magazine, das ihn unter anderem zu einem Konzert von Black Sabbath schickt. Hier trifft William nicht nur auf Chef-Groupie Penny Lane (Kate Hudson), die so wie ihre illustren Kolleginnen Polexia Aphrodisia (Anna Paquin) und Sapphire (Fairuza Balk) auf realen Vorbildern, der Flying Garter Girls Group, basiert. Er lernt aber auch die Band Stillwater kennen, die von seinem Enthusiasmus angetan ist. Stillwater ist schlussendlich fiktiv (auch wenn Crowe und die Produktionsfirma einen kleinen Obolus an eine gleichnamige, tatsächlich existierende Band für die Namensnutzung zahlen mussten), letztendlich aber ein Konglomerat all der Musiker und Bands, die Crowe während seiner Laufbahn kennenlernte, etwa die Allman Brothers.

So kommt bald das Angebot, dass William die Band auf ihrer „Almost Famous“-Tour für eine lange Reportage begleiten darf. Gegen den Widerstand seiner Mutter – und das Versprechen immer wieder anzurufen – darf er mit auf die Tour, wo er das Bandleben in all seinen Höhen und Tiefen kennenlernt…
Sucht man Vergleichspunkte für „Almost Famous“, dann dürften Werke wie „Adventureland“ oder die Filme Richard Linklaters am ehesten treffend sein. Denn wie in den genannten Werken hängt der Zuschauer vor allem mit den Figuren ab, lernt sie mit ihren Stärken und Schwächen, in Liebe und Streit besser kennen, während die Handlung eher den groben Rahmen für all das vorgibt. „Almost Famous“ mag minimal mehr plotgetrieben als viele Linklater-Filme sein, aber er ist bewusst nicht auf ein Ziel gelegt, etwa dass William die von ihm angehimmelte Penny wie in einer RomCom erobern muss. Denn vielmehr geht es um die Eindrücke, die er sammelt, das dadurch stattfindende Erwachsenwerden, was „Almost Famous“ zu einem Coming-of-Age-Film über die 1970er macht. Erste Liebe, erste Sex, aber auch große Enttäuschungen säumen den Weg des jungen William, dessen bittersüße Geschichte dann trotz des Rockstar-Settings, trotz der ungewöhnlichen Umstände immer noch erfrischend lebensnah bleibt. Selbst wenn man nicht weiß wieviel von Crowes realem Leben in diesem Film steckt.

Doch es geht nicht bloß um William, auch die anderen wichtigen Figuren erhalten ihren Raum. Da ist Penny, die einerseits cool ist, jeden Musiker kennt und überall im Mittelpunkt des Interesses steht, andrerseits aber auch lernen muss, dass Groupie kein Job ist und dass all die Aufmerksamkeit und das Bohei um sie ganz schnell vorbei sein kann. Da ist Stillwater-Sänger Jeff Bebe (Jason Lee), der nicht immer damit klarkommt, dass Gitarrist Russell Hammond (Billy Crudup) noch beliebter als er ist und den eigentlichen Frontmann darstellt. Und da ist eben Russell: Einerseits Williams spiritueller Mentor, der ihm wichtige Dinge über den Rockzirkus beibringt und sich seine Ehrlichkeit bewahrt zu haben scheint. Andrerseits aber auch ein Narzisst, der für Feiereskapaden den Rest der Welt links liegen lässt und seine Affäre mit Penny fortführt, obwohl er daheim eine Frau hat. Während Penny also Russell anhimmelt und ihrerseits von William angehimmelt wird, ist „Almost Famous“ aber keine Dreiecksgeschichte, sondern eine Erzählung von Menschen, die andere lieben, obwohl diese unerreichbar für sie scheinen bzw. ihre Liebe nicht in dem gewünschten Maße erwidern.
Doch neben diesem emotionalen Coming-of-Age-Kern ist „Almost Famous“ noch einer anderen Liebe geprägt: Der zur Musik im Allgemeinen und zur Rockmusik im Speziellen. So gibt es immer wieder Konzertszenen mit Stillwater, aber auch Montagen zu Rockklassikern und Neuentdeckungen, während die Charaktere immer wieder über Rock fachsimpeln. Schon allein die Vorträge von Lester Bangs geben nicht nur Philip Seymour Hoffman Raum zum Glänzen, wenn er in seiner Nebenrolle zu Höchstform aufläuft, aber auch die anderen Figuren können sich in Gesprächen über Musik, deren Bedeutung und das Musikerleben so verlieren, dass man als Zuschauer beinahe meint realen Personen bei einem solchen Gespräch zuzuhören. Was vielleicht auch an der großen Menge von realem Musikerpersonal hinter und auch vor der Kamera zu verdanken ist – den Bassisten Larry Fellows und den Drummer Ed Vallencourt spielen reale Musiker, Mark Kozelek und John Fedevich.

Daraus macht Crowe dann einen Running Gag: Die beiden haben wenig über die Musik zu sagen, die großen Monologe und schauspielerischen Herausforderungen überlassen sie dann den Fachleuten Billy Crudup und Jason Lee. Die gehen in der Hassliebe der beiden Musikerkollegen voll auf, leisten Großartiges nicht nur im Zusammenspiel, sondern auch jeder in seiner Rolle. Ebenso toll ist Patrick Fugit, der den großäugigen Sense of Wonder eines Fans, der die Welt seiner Stars betreten darf, ebenso hervorragend herüberbringt wie das Gefühl bitterer Enttäuschung, wenn er feststellt, dass dort doch nicht alles so toll ist wie gedacht. Kate Hudson ist total charmant als gleichzeitig abgebrühte und doch irgendwie naive Penny Lane. Doch auch in den Nebenrollen ist „Almost Famous“ durchweg toll gespielt: Neben dem erwähnten Philip Seymour Hoffman glänzen unter anderem Zooey Deschanel, Anna Paquin, Fairuza Balk, Rainn Wilson, Jimmy Fallon und Jay Baruchel, hinzu kommen Gastauftritte von Leuten wie Kyle Gass (als vollkommen bekiffter Radio-DJ). Eine Leistung muss allerdings noch besonders herausgehoben werden: Frances McDormand. Die meistert die schwierige Aufgabe hervorragend die besorgte Mutter nicht bloß zur missgünstigen Furie oder einer Witzfigur zu machen, sondern als liebende Frau darzustellen, deren Prinzipien und Weltsicht nicht mit der ihrer Kinder vereinbar sind.
Trotzdem sorgt Elaine immer wieder für witzige Einlagen, etwa wenn sie hinter ihrem Sohn her telefoniert, damit das Hotelpersonal in den Wahnsinn treibt und der Sohn immer versprechen muss, dass er ganz artig bleibt, während sich im erwarteten Sündenbabel von Sex, Drugs und Rock’n Roll befindet – und das Versprechen seiner Mutter gegenüber bricht. Es gibt viele urkomische Situationen in „Almost Famous“ (etwa der Besuch einer Hausparty durch William und Russell), aber diese ergeben sich immer aus der Handlung und aus den Figuren heraus, wirken nie forciert. So besteht ein schöner Running Gag darin, dass die Musiker William wegen ihrer Ablehnung von Musikjournalisten und der Angst vor schlechten Storys immer The Enemy nennen, dies aber bald zu einem liebgemeinten Kosenamen wird.

Von daher ist „Almost Famous“ ein Coming-of-Age-Film wie das wahre Leben: Mal witzig, mal traurig, aber immer berührend – und das in einem abgehobenen Rockstar-Setting mit lauter überlebensgroßen Musiker-Figuren, die Crowe immer wieder von ihrem Sockel holt. Durchweg toll besetzt und gespielt, mit grandiosem Soundtrack und von aufrichtiger Liebe zur Musik getragen – ein Erlebnis.

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