Außenseiter haben nichts zu verlieren, Antihelden, die auf zynische Art und Weise Bösewichte kalt stellen wollen, auch nicht.
Das ist seit dem klassischen film noir so und hat sich bis zu „Brick“ auch nicht geändert.
Denn Regisseur Rian Johnson hat all die Konventionen der schwarzen Serie in ein neuzeitliches Umfeld übertragen, mit all seinen Stilelementen und notwendigen Stereotypen.
Schauplatz ist eine High School in Südkalifornien, unser Antiheld und Außenseiter heißt Brendan, seine unsterbliche Liebe Emily.
Doch Emily ist tot, sie wurde das Opfer im Sumpf eines undurchsichtigen Drogenrings.
Brendan hat nur ein Ziel: Den Verantwortlichen aufzuspüren und die bösen Wichte dingfest zu machen.
Das ist schon eine ungewöhnliche Prämisse, die klassische film noir Story in das Umfeld einer High School zu verlagern, so dass ein unscheinbarer Schüler zum hardboiled Detektiv umfunktioniert wird.
Und es kommen tatsächlich alle genretypischen Figuren zum Einsatz: Eine verführerische femme fatale, der Drogenboss mit Krückstock und dunkel-eleganter Kleidung, sein unberechenbarer Schläger, viele unterbelichtete Informanten, eine Prostituierte und natürlich der knallharte Detektiv, der so manche Tracht Prügel anstandslos einsteckt, um ans Ziel zu gelangen.
Anfangs mutet es noch reichlich befremdlich an, wenn jeder Satz, den die Beteiligten von sich geben, furchtbar aufgesetzt und unnatürlich überlegt rüberkommt.
Wer kann denn innerhalb eines Gesprächs so intelligent und schlagfertig kontern und das als Schüler?
Es hat einige Zeit gebraucht, bis mir die Absicht Johnsons klar wurde.
Denn das ist keine typische Welt von Schülern, von denen man, bis auf die Hauptfiguren ohnehin keine sieht. Es ist eine merkwürdige isolierte Welt mit einsamen Plätzen und bedrückender Stimmung.
Es ist eine altmodische Geschichte im modernen Umfeld, ein neo- noir.
Und genauso altmodisch ist der Werdegang der Hauptfigur, von der man im Verlauf immer ein wenig mehr erfährt. Brendan schleust sich undercover ins Drogenmilieu ein, lernt Boss Pin kennen, leider auch seinen Schläger, von dem er furchtbar verprügelt wird und natürlich die mysteriöse schöne Frau, die möglicherweise einmal mehr des Rätsels Lösung ist.
Dabei behandelt Johnson die genretypischen Konventionen sehr ernst und lässt nur selten etwas Heiterkeit aufkommen, etwa, wenn Brendan vor einem Messermann flieht, um ihm kurz darauf geschickt zu Fall zu bringen.
Doch Brendans Verfassung leidet im Verlauf immer mehr, die Körperhaltung wird gebückter, der Husten nimmt zu, die Blutflecken auf seiner Kleidung auch.
Nur leider ist Hauptdarsteller Joseph Gordon-Levitt als Brendan eben nicht Humphrey Bogart auf der Spur des Falken und vor allem nicht so glaubwürdig.
Hier strauchelt der Versuch eines modernen film noir Helden ein wenig, denn man hinterfragt dann doch, warum ein Außenseiter, der aussieht wie der Webmaster einer abgefreakten Internetpage, so dermaßen abgezockt mit allem umgehen kann.
Seine äußere Erscheinung ist zwar angenehm unscheinbar, sein Auftreten für einen Schüler aber doch zu abgeklärt.
Der Darsteller meistert seine Rolle, wie auch alle anderen, sehr überzeugend, doch als Identifikationsfigur taugt er nicht viel.
Und so ansprechend diese klassische Detektiv-Geschichte inszeniert wurde, so tauchen hin und wieder auch ein paar Längen auf, die durch langatmige Ausschmückung der Szenerien ein paar Durchhänger mit sich bringen.
Die Kamera ist zwar stets optimal positioniert, der Schnitt (vom Regisseur in Heimarbeit am PC vorgenommen) ist außerordentlich, - und doch erscheint vor allem die erste Hälfte zuweilen recht langatmig.
Es mag auch ein Fluch sein, als Mainstream-Junkie einen außergewöhnlichen Film zu sehen, der etwas Zeit benötigt, um die ganze Aufmerksamkeit zu genießen.
Dennoch möchte ich „Brick“ jedem ans Herz legen, der eine Verschnaufpause vom massenkompatiblen Kino benötigt.
Er bedarf zwar der vollen Konzentration des Zuschauers, denn ansonsten verliert man schnell den Anschluss, aber Ungereimtheiten innerhalb der etwas komplizierten Story ergeben sich letztlich nicht.
Der Stoff ist gut durchdacht, für einen Debütanten handwerklich stark inszeniert und mit etwas Geduld bekommt der Zuschauer eine ungewöhnliche Geschichte kredenzt, die seit den 40ern eigentlich ganz gewöhnlich ist.
Nur für Leute wie mich, die an dieser Stelle einen knackigen Drogenthriller erwartet haben, mag der Eindruck zunächst ernüchternd sein.
Doch der erste Eindruck täuscht.
7,5 v 10