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Das Interessante an vielen US-amerikanischen Gangsterfilmen ist die Tatsache, dass sie auf wahren Begebenheiten beruhen. Auf diese Weise bekommt man nicht nur spannende Unterhaltung geboten, sondern auch Einblicke in ein Metier, das einem normalerweise verborgen bleibt. Nebenbei lernt man noch etwas über die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen in dortigen Großstädten während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Diesbezügliche Querverweise findet man sowohl in der legendären „Pate“-Trilogie als auch bei Meisterwerken wie „GoodFellas“, „Casino“ und „Es war einmal in Amerika“. Zum Teil gibt es auch Biografien einzelner Vertreter, die auf Zelluloid gebannt wurden, siehe Barry Levinsons „Bugsy“ oder eben diesen Film über Louis „Lepke“ Buchalter.

Genau wie „Bugsy“ gehörte „Lepke“ zur Kosher Nostra (jüdische Mafia) in New York. Wer sich abseits solcher Filme schon mal mit dem Thema Organisierte Kriminalität beschäftigt hat (ich tat dies zu Studienzwecken und fand es sehr interessant), dürfte in diesem Zusammenhang auch schon die Namen Dutch Schultz und Meyer Lansky gehört haben. Buchalter war Anführer der „Murder, Inc.“ (nomen est omen) und legte sich später mit der Cosa Nostra (italienische Mafia), insbesondere Lucky Luciano an. „Der Gangsterboss von New York“ schildert Aufstieg und Fall von Louis, seinen (für derartige Kriminelle) idealtypischen Weg vom Dieb, Einbrecher, Schutzgelderpresser und Streikbrecher zum mordenden Rauschgifthändler, der Chef eines Verbrechersyndikats wurde.

Tony Curtis spielt diese Rolle mit Bravour, und pendelt glaubwürdig zwischen chamantem Ehemann und eiskaltem Mobster hin und her. Seine Mimik ändert sich in Sekunden vom freundlichen Lächeln zur bitterbösen Miene wenn ihm mal wieder irgendwas auf den Keks geht. Seine sexy Ausstrahlung, die er nie verliert, sorgt dafür dass man diesen Typen sofort ins Herz schließt und mit ihm leidet als es bergab geht. Auffallend ist, dass das Banditendasein nicht glorifiziert wird, im Gegenteil: ständig muss er sich mit Strafverfolgungsbehörden und Rivalen rumärgern, kann niemandem vertrauen und muss auch stets damit rechnen, eine Kugel verpasst zu bekommen. So ein Leben ist nicht toll oder erstrebenswert, und dessen triste Darstellung dürfte einige Möchtegern-Gangster von der Nachahmung abschrecken.

Natürlich kann „Lepke“ nicht mit den großen Namen, die ich im ersten Absatz nannte, mithalten. Dafür ist er erstens zu kurz (keine Leone‘sche Epik), zweitens mit zuwenig bekannten Gesichtern besetzt (auch wenn die ihre Aufgabe ordentlich erledigen) und drittens zu gewöhnlich inszeniert. Mir sind zumindest keine Kamerafahrten à la Scorsese aufgefallen oder perfekt choreographierte Überfälle und Komplotte wie bei Coppola. Und im Gegensatz zu „Bugsy“ kann er nicht mit einer Hollywood-Optik aufwarten, deren Glanz über die ein oder andere Schwäche hinwegtäuscht. Mir hat der vorliegende Film aber trotzdem ganz gut gefallen, was vor allem an Tony Curtis liegt, den ich noch nie so sympathisch fand wie hier. Wer mit diesem Thema / Genre weniger vertraut ist als ich, sollte 1 bis 2 Punkte abziehen – 7/10.

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