Mit "Hellraiser" drehte Regisseur und Schriftsteller Clive Barker den besten Gotik-Horror der Neuzeit. Seine ultraharte Geschichte von Höllenwesen, die durch einen abstrakten Würfel gerufen werden, und ihre Opfer direkt in die buchstäbliche Hölle bringen, fand genauso bei den knallharten Splatterfans, wie auch bei offenen Filmkritikern Anklang. Wenige Jahre später sollte die Serientauglichkeit von "Hellraiser" erprobt werden: Tony Randel drehte die Fortsetzung "Hellbound".
Das Kinoplakat von "Hellbound" verpricht böses: "Vergeßt Freddy - Pinhead ist der neue Held des Horrors". Soso, aus dem namenlosen "Leading Cenobite" ist also "Pinhead" geworden. Jedoch kann ich bereits alle Bedenken zerstreuen, klischeehafte, ironische Albereien á la Freddy Kruger bleiben uns erspart - Doug Bradley alias Pinhead bleibt der Alte. Obwohl auch dies nicht ganz stimmt. Bereits in der Anfangssequenz finden wir uns im Ersten Weltkrieg wieder, wo ein britischer Offizier an der Lament Konfiguration (also dem verhängnisvollen Würfel) herumbastelt. Auch er entschlüsselt das Puzzle, und macht baldige Bekanntschaft mit zerreißenden Ketten. Doch anstatt den Offizier dahinzuraffen, kreiert eine unsichtbare Macht aus ihm niemand anderes als Ober-Cenobite Pinhead.
Wir lernen also, dass die Cenobiten früher selber mal menschlich waren - ansonsten wird zum Glück nicht zu viel beantwortet. "Hellbound"s Stärke ist gerade der abgrundtiefe Mystizismus. Wenn man in einer Szene das Büro von Dr. Channing (Kenneth Cranham) sieht, möchte man sich am liebsten an den Tisch setzen, und all seine Dokumente über den Würfel und die Cenobiten durchforsten. Doch soweit kommt es nicht. Channing, seit Jahren fasziniert von dem Cenobiten-Mythos, findet in seiner neuen Patientin in seiner Psychiatrie eine interessante Informantin: Kirsty (Ashley Laurence) ist eben gerade den Ereignissen aus "Hellraiser" entflohen, und spielt Channing eher unfreiwillig Hinweise auf die Cenobiten zu. Channing rettet aus dem verfallenen Haus der Cottons eine blutige Matratze, und liefert auch genug fremdes Blut, um aus dem Laken eine unansehnliche, aber fidele Julia Cotton (wieder die bösartig-gute Clare Higgins) zu zaubern.
Dieser Anfang erinnert schmerzlich an den ersten Teil, und an den Umstand, dass es sich hier "nur" um ein Sequel handelt. Doch sobald die Cenobiten hier ihren ersten Auftritt haben, schwenkt der Film in eine ganz andere Richtung um. Durch die zurückgezogene Patientin Tiffany kann das Lament-Puzzle gelöst werden, die Tore zur Hölle öffnen sich - aber die Cenobiten denken diesmal gar nicht daran, sich in der Welt der Menschen auszutoben, viel eher führen sie Julia, Channing, Kirsty und Tiffany in ihre eigene, labyrinthartige Welt. Hier entfesselt Regisseur Randel ein Feuerwerk an bizarren und brutal-blutigen Bildern. Zwar kann Randels Regie und Schnitt mit dem sturmhaften Ideenreichtum des Drehbuches nicht mithalten, aber dennoch tut sich auf dem Bildschirm eine wahre Hölle auf. Aus dem unsympathischen Dr. Channing wird ein Cenobite, der grotesker nicht sein könnte. Viele Symbole und Designs aus dieser Hälfte des Films verprühen mythische Fantasy-Stimmung, und Randel verzichtet glücklicherweise auch auf zu viele Splatter-Effekte, um seine kranke Höllen-Atmo nicht zu zerstören.
Gegen Ende wird dann auch die Stärke des Charakters Pinhead deutlich. Er ist eine dem Schicksal folgende Höllenkreatur, zwar unglaublich gewalttätig, aber ein faires Wesen. Wenn er kurz vor seiner letzten Szene Kirsty lächelnd nachblickt, ist dies eine der besten Momente im ganzen Film. Pinhead ist keine der übertriebenen und meist ins Selbstironische getragene Horrorfiguren wie Jason Vorhees oder Freddy Kruger - er ist eine vielschichtige Person, die erschreckender nicht sein könnte.
"Hellbound" ist ein inhaltlich sehr geradliniger Film. Aus einer klaren Horrorgeschichte wie im ersten Teil, wird ein visualisierter, kaum erklärbarer Horrortrip, der vielleicht eher mit "Jacob's Ladder" zu vergleichen wäre, als mit "Hellraiser". "Hellbound" ist das letzte Triumphieren des britischen Horrorfilmes. Nach diesem Film geht die "Hellraiser"-Reihe nach Hollywood, und verliert dort an Qualität.