Neben „Der Profi“ gehört der 5 Jahre früher entstandene „Angst über der Stadt“ zu den unangreifbaren, bis heute nichts von ihrer Klasse einbüßenden, Belmondo-Klassikern. Zusammen mit „seinem“ Star Jean-Paul Belmondo (immerhin 9 gemeinsame Filme) entwirft Regisseur Henri Verneuil („Der Körper meines Feindes“, „Die Glorreichen“) einen spannenden wie harten und spektakulären Actionthriller – kongenial begleitet von Ennio Morricones („Once Upon a Time in the West“, „The Thing“) Score.
Der drückt dann auch gleich in den ersten Minuten dem Film seinen Stempel auf und begleitet die das nächtliche Lichtermeer von Paris einfangende Kamera. Unbehagen macht sich dank dieser an den Nerven zerrenden Kompositionen auf.
Umschnitt in ein Hotelzimmer, Blick auf eine schlafende Frau. Plötzlich schrillt das Telefon bedrohlich laut. Als sie schlaftrunken den Hörer abnimmt ist wieder ER am Telefon. Der Wechsel ihrer Nummer hat nichts gebracht, er hat sie wieder aufgestöbert, terrorisiert sie wieder per Telefon. Der obszöne Anrufer teilt ihr mit, dass er längst in ihrer Wohnung gewesen ist, droht gleich zu ihr hochzukommen – als es klingelt fällt die Frau nach einer Herzattacke aus dem Fenster und stirbt...
Bereits der Beginn signalisiert, dass „Angst über der Stadt“ ein etwas anderer Belmondo ist, der nicht in der Tradition seiner standardisierten, besonders in den Achtzigern vorzufindenden, Filme steht. „Angst über der Stadt“ ist härter, bösartiger und kompromissloser, hat aber mit ein paar Längen und einigen Drehbuchschwächen zu kämpfen
Bebel taucht erst nach dieser nervenaufreibenden Anfangsviertelstunde auf und schlüpft wieder in seine Paraderolle des knallharten Cops. Kommissar Jean Letellier, so sein Name hier, ist zwar ebenfalls ein Querkopf, sein Charakter unterscheidet sich von bekannten Belmondo-Figuren aber hinsichtlich seiner Flapsigkeit und seines Frauenverbrauchs. Dieser Letellier ist ein verbitterter, obsessiver Cop, dem auch in der deutschen Synchronisation kein Humor, sondern nur leichter Sarkasmus, eingeprügelt worden ist. Seine Ermittlungsmethoden sind ruppig und selten legal. Um an sein Ziel zu kommen, würde er auch Unschuldige in den Knast bringen oder Schwerverletzte, wenn sie denn nicht mit Informationen rüberkommen, verbluten lassen. Damit stößt er bei seinen Vorgesetzten zwar nicht auf Verständnis, doch die lassen ihn, weil er eben stets Erfolg hat, gewähren.
Seitdem ihm der Verbrecher Marcucci (Giovanni Cianfriglia) vor einem Jahr nach einer auch zivile Opfer fordernden Schießerei und einer wilden Verfolgungsjagd durch die Lappen ging, verfolgt er im Hinterkopf diesen Fall. Ausgerechnet jetzt, als er diesen Frauen tötenden Telefonterroristen dingfest machen soll, taucht der Kriminelle wieder in Paris auf. Nun steht Letellier vor einem Konflikt. Soll er die alte Rechnung begleichen oder sich auf den religiösen Wahnsinnigen, der sich selber Minos (Adalberto Maria Merli) nennt, nach jedem Mord ein Stück eines Fotos von sich veröffentlicht und die Welt vor sündigen Frauen reinigen will, konzentrieren. Vor eine direkte Entscheidung wird er tatsächlich gestellt, als die Verfolgung beider Zielobjekte einfach nicht länger möglich ist.
Henri Verneuil koppelt hier geschickt trockene Polizeiarbeit mit halsbrecherischen Verfolgungsjagden. Da wäre zum einen Marcuccis Banküberfall und eine anschließende Flucht per Auto und natürlich, als Prunkstück des Films, Belmondos atemberaubende, überlange Hetzjagd über die Dächer von Paris – fortgesetzt durch die überfüllte Innenstadt und schließlich in der U-Bahn endend. Dabei nutzt Verneuil immer wieder bekannte Gebäude und Orte wie den Champs Élysées oder die Galerie Lafayette Spektakuläre, durchaus tödlich hätten ausgehende, Stunts werden auch hier wieder von Belmondo höchstpersönlich ungedoubelt absolviert. Fast schon obligatorisch hängt er hier auch später wieder an einem Hubschrauber.
Unglaublich, wenn auch nicht unrealistisch inszeniert, wie der Mann sich an Dachrinnen entlang hangelt, von Dach zu Dach springt, mehrmals abrutscht und sich nur knapp vor dem Fall in die Tiefe retten kann.
Die Schwächen sind abseits der Action zu finden, denn das Skript versteht es nicht die beiden parallel verlaufenden Ermittlungen zu einem Strang zusammenzuführen. Insbesondere Marcucci ist hier schon fast überflüssig und dient lediglich als Vorwand für einige ausufernde, wenn auch gut gemachte, Actionszenen. Da ist der dämonisch ausschauende Psychopath Minos schon von einem ganz anderen Kaliber. Er spielt nicht nur mit der Polizei, sondern traut sich zudem auch noch sich ihr gegenüber zu stellen – sie wissen ja nicht wie er aussieht. Hier wird der Film dann etwas unglaubwürdig, denn der pfiffige Letellier hätte viel früher auf die Identität des Mörders kommen müssen.
Minos-Darsteller Adalberto Maria Merli spielt mit viel Hingabe. Der in ihm keimende Hass, der immer wieder ausbrechende Wahnsinn und die perverse Genugtuung beim Töten sind erschreckend. Mehr als nur ein würdiger Gegner für den, sich in seiner Rolle natürlich problemlos zurecht findenden, Belmondo.
Mit seinen 120 Minuten geriet „Angst über der Stadt“ etwas langatmig und vor allem in seiner Polizeiarbeit etwas trocken. Ein paar Straffungen hätten dem Film sicher gut getan. So was in der Richtung dachte sich 1975 wohl auch der deutsche Verleih und kürzte zum Schluss einige Minuten heraus, die, auf der EMS-DVD nun wieder eingefügt worden sind (französisch mit deutschen Untertiteln). Henri Verneuil gelang es leider kaum die Ermittlungen des Kommissar-Duos einigermaßen interessant und spannend zu gestalten und so sind es regelmäßig die Actionszenen, die das Schiff auf Kurs halten.
Fazit:
Mit dem längst zum Klassiker avancierten „Angst über der Stadt“ gelang Regisseur Henri Verneuil ein spannender, mit spektakulärer Action versetzter, Thriller, der mit Belmondo in der Hauptrolle kaum passender besetzt werden hätte können. Einige Langatmigkeiten trüben den Gesamteindruck zwar, Fans des klassischen französischen Kinos und Anhänger Belmondos werden hier trotzdem ihren Spaß haben. Allein schon wegen Belmondos Einsatz in den waghalsigsten Situationen immer wieder sehenswert.