"Frohe Weihnachten!"
Warum diese bitterböse Schilderung eines US-amerikanischen Vorweihnachtsabends auf dem Weg zur Bescherung nicht in unsere Kinos gekommen ist, darüber kann man nur spekulieren. Sicher ist aber, daß es nicht daran lag , daß dieser Film von Harold Ramis, prominent mit John Cusack, Billy Bob Thornton und Oliver Platt besetzt, etwa nur 2.Wahl wäre - viel mehr drängt sich der Verdacht auf, daß die Kinobetreiber diesem etwas sperrigen und an den gewohnten Erzählrhythmen vorbei inszenierten Werk nicht den ausreichenden Erfolg beim Publikum zugetraut haben.
Harold Ramis widmet sich hier ähnlich wie bei seinem "Und ewig grüßt das Murmeltier" einem traditionellen Fest - diesmal dem Weihnachtsfest, genauer dem Zeitraum vom weihnachtlichen Vorabend am 24.12. bis zum frühen Morgen des ersten Weihnachtstages. Auch das Wetter zeigt sich hier von seiner erbärmlichsten Seite - ein ständiger Eisregen wäscht den Schnee von den Straßen und hinterläßt neben Dauerglätte einen besonders schmuddeligen grauen Eindruck.
Das paßt sehr gut zur Stimmung von Charlie Arglist (der Name kann doch kein Zufall sein), der sich durch die Vorweihnachtsfreude quält und Ramis läßt den Film größtenteils in Striptease-Bars und speckigen Pornoschuppen spielen, bei denen man ständig das Gefühl hat ,daß einem die Zewa-Rolle auf die Füße fällt. Konterkariert werden diese Einblicke von im typisch amerikanisch überladenen Stil festlich geschmückten Restaurants und Häusern, in denen sich die Menschen befinden, die das Weihnachtsfest traditionell feiern.
Ramis gibt sich keinerlei Mühe, uns über die Vorgeschichte zu informieren - wir beobachten nur Arglist (John Cusack) und Vic Cavanaugh (Billy Bob Thornton ) dabei, wie sie ihren erledigten Deal und die weitere Vorgehensweise besprechen. Sie haben den Mafiaboss Bill Gerard, dessen Anwalt Arglist ist, um 2 Millionen Dollar erleichtert und bereiten die Flucht vor. Dabei hält es Vic für notwendig noch bis zum nächsten Morgen die Ruhe zu bewahren. Doch das stellt sich als Fehler heraus, denn die Mafia hat längst Wind von der Sache bekommen und schickt ihre Killer...
Wir erfahren nichts von dem Diebstahl und auch nicht, wieso die Mafia schon davon erfahren hat, denn solches Storytelling interessiert Ramis nicht, er bleibt ganz dicht an den vielen Darstellern dran und an ihren persönlichen Problemen und Auseinandersetzungen. So setzen sich mit der Zeit immer mehr Puzzleteile über den Charakter des Charlie Arglist und seine zwiespältige Persönlichkeit zusammen. Dabei profitiert der Film einerseits vom Sympathieträger John Cusack, der hier einen keineswegs netten Zeitgenossen spielt ,aber besonders von Oliver Platt, der seinen alten Freund Pete gibt und der sich am Weihnachtsabend vor lauter Frust die Kante gibt - nicht zuletzt auch deshalb, weil er Charlies Ex-Frau geheiratet hat.
So ist die Szene als Charlie und Pete in das Haus ihrer gemeinsamen Schwiegereltern gehen und da auf ihre gemeinsame (nachfolgende) Ehefrau treffen von bösester Sicht auf das so harmonische Familienleben am Weihnachtsabend. Auch sonst gibt es eine Vielzahl von Szenen, die gerade im Zusammenhang mit der idyllischen Weihnachtsidee, nur als schwarzhumorig gelten können - etwa wenn der Rausschmeißer im Stripteaselokal über die Weihnachtstage mit seinen drei Kindern sinniert, während er gerade einem Kunden die Finger bricht.
Natürlich spitzt sich Charlies und Vics Lage immer mehr zu und die Geschichte verfügt auch über einige überraschende Wendungen, aber letztlich interessiert sich Ramis nur für die zwischenmenschlichen Verwicklungen, bei denen auch die schöne und geheimnisvolle Renata (Connie Nielsen) keine geringe Rolle spielt...
Diese Intention erkennt man auch daran, daß der Film weder über besondere Action verfügt noch wirklich Spannung erzeugen will ,trotz der sich an typischen Thrillerelementen orientierenden Story. Zwar befriedigt er auch ein wenig kriminalistische Showwerte, bleibt aber immer schön sarkastisch und nimmt sich letztendlich als Thriller nicht ernst.
Fazit : ungewöhnliche sarkastisch fiese "Weihnachts"-Komödie, die sich herkömmlicher Erzähltechnik verweigert und sich besonders auf die detaillierte Darstellung der Charaktere Charlie und Pete konzentriert, die als schmerzliche Loser durch die Festivitäten driften. Dabei gelingen Ramis gerade in der Konfrontation Verbrechen, Porno, Striptease Bar zur heilen Familienwelt und festlichen Restaurants schöne entlarvende Momente, die er in eine Thrillerstory einbindet, die sich aber keine Sekunde ernst nimmt.
Durch die Art der Erzählung ist der Einstieg in den Film etwas zäh, ebenso fehlen Charaktere ,die zur Identifikation einladen ,denn Ramis verweigert sich hier typischer befiedigender Elemente. Doch mit der Zeit freundet man sich immer mehr mit dem ruhigen Tempo und seinen Hauptprotagonisten Charlie und Pete an und so hinterläßt einen der Film zum Schluß mit einem befriedigenden Gefühl und das nicht nur deshalb, weil uns endlich mal ein Regisseur nicht mit dem typischen Weihnachtskitsch konfrontiert hat (8/10).